Gute Lösungen im BEM sind nicht nur für den Einzelfall von Bedeutung. Sie strahlen aus auf das gesamte Unternehmen und sind für Organisationsentwicklung und Betrieblichem Gesundheitsmanagement von Bedeutung.

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Foto von Omar Lopez

Nach § 84,2 SGB IX ist jeder Arbeitgeber verpflichtet, Mitarbeitern, die länger als 6 Wochen krank sind, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten. Stimmt der Mitarbeiter zu, hat der Arbeitgeber mit jedem einzelnen betroffenen Mitarbeiter zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden, wie erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Im Rahmen eines verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozesses ist jede plausible Lösungsmöglichkeit auf ihre Realisierbarkeit zu untersuchen. Die gute Lösung des Einzelfalls steht ganz im Mittelpunkt der Bemühungen.

Wie kann sich aber etwas, das für einzelne Mitarbeiter Hilfe leistet, zentrales Element des betrieblichen Gesundheitsmanagement sein?

Mit Prof. Bernhard Badura, Universität Bielefeld, ist Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) die Entwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse, um Arbeit und Organisation gesundheitsförderlich zu gestalten und die Beschäftigten zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten zu befähigen.

Wenn also betriebliche Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozesse im Mittelpunkt des BGM stehen, ist damit die Behandlung des Einzelfalls wie im BEM eher nicht gemeint.

In der Tat geht es im BEM stets um einzelne Mitarbeiter, denen Hilfe geleistet werden soll. Und zwar geht es genau um die Mitarbeiter, die am meisten Unterstützung benötigen, da sie seit mindestens 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind. Hilfe für Mitarbeiter ist allerdings für manche Firmen überhaupt keine Selbstverständlichkeit. Dem notwendigen Aufwand scheint kein entsprechender Nutzen gegenüberzustehen und dies mag ein Grund dafür sein, dass BEM oft nur „auf kleiner Flamme“ betrieben wird. Umso beeindruckender wird es dann sein, wenn für einzelne Mitarbeiter gute Lösungen gefunden werden.

Die guten Lösungen sind es, die in der Lage sind, bei den Mitarbeitern Vertrauen zum BEM und damit auch zum Arbeitgeber aufzubauen, Vertrauen darauf, dass der Arbeitgeber sie in schwierigen Lebenssituationen unterstützt und nicht alleine lässt.

Daher funktioniert BEM dann gut, wenn gute Lösungen für möglichst viele Einzelfälle gefunden werden. Ganz automatisch wird dann diese Arbeit über die Einzelfälle hinaus auf das gesamte Unternehmen ausstrahlen. Die Mitarbeiter, denen mit dem BEM gut geholfen werden konnte, werden dies an andere weitergeben. Sie werden von ihrer positiven Erfahrung berichten und mitteilen, wie sie gemeinsam mit dem Arbeitgeber neue Möglichkeiten ausgelotet und umgesetzt haben. Das wirkt sich auf die Stimmung im Unternehmen aus. Das Vertrauen und die Bindung werden gefördert und ausgebaut, wichtige Beiträge zur Unternehmenskultur. Auch die direkten Kollegen dieser Mitarbeiter sind ohnehin am Vorgehen beteiligt und werden weiteren Kollegen aus ihrer Perspektive berichten.

Gute Lösungen wirken.

Das häufig in den Augen der Mitarbeiter angeschlagene Bild des Arbeitgebers wird sich so wie von selbst verbessern. Die guten Lösungen führen zu einer höhere Akzeptanz des BEM bei Führungskräften, besonders dann, wenn sie an den guten Lösungen mitgewirkt haben. Die höhere Akzeptanz der Mitarbeiter zeigt sich in höheren Zustimmungsraten und Inanspruchnahmen des BEM.

Gute Lösungen sind Maßnahmen der Arbeitsgestaltung.

Hauptziel des BEM ist es, die Rückkehr des Mitarbeiters an den ursprünglichen Arbeitsplatz zu ermöglichen. Maßnahmen, die dazu beitragen können, sind im Wesentlichen Maßnahmen der Arbeitsgestaltung wie andere Arbeitszeiten, die Nutzung von Hilfsmitteln, Verlagerung von Teilaufgaben und vieles mehr. Hier gilt es, die Energie auf die Arbeitsgestaltung zu konzentrieren und im Zweifel auch mit ungewöhnlichen Ideen zu Lösungen zu kommen, bevor man auf nachrangige Lösungsfelder wie die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz ausweicht.

Arbeitsgestalterische Maßnahmen vergrößern den möglichen Lösungsraum, insbesondere dann, wenn sie neu sind. Und die Berücksichtigung gesundheitlicher Beeinträchtigungen bei der Arbeitsgestaltung erfordert häufig neue und ungewohnte Lösungen. So wird die Arbeitsgestaltung im BEM zu einer Art Prototyping, wenn die dort gefundenen Lösungen generell im Unternehmen für die Arbeitsgestaltung zugänglich gemacht werden.

Gute Lösungen erwachsen aus Zusammenarbeit.

Gute Lösungen werden insbesondere dadurch gefördert, dass Probleme aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Dies lässt sich insbesondere durch eine gute Zusammenarbeit betrieblicher und gegebenenfalls auch außerbetrieblicher Experten erreichen. Für diese Zusammenarbeit bietet das BEM gute Voraussetzungen. Da es im BEM um konkrete Einzelfälle geht, können die einzelnen Experten auch sehr konkrete Vorschläge aus ihrer jeweiligen Perspektive beisteuern.

Das fördert die gegenseitige Akzeptanz und damit die Zusammenarbeit. Bei den komplexen Themen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagement ist dies ungleich schwieriger. Es ist also von Vorteil, wenn die BEM-Praxis der Einführung eines umfassenderen BGM vorausgeht und Erfahrungen mit interdisziplinärer Zusammenarbeit bereits vorliegen.

Die weithin empfohlene Lösung, für das BEM ein BEM-Team einzurichten, um genau diese Zusammenarbeit zu erleichtern, kann insofern als ein zusätzliches Kriterium für ein gutes BEM betrachtet werden. Da es betriebliche Bedingungen gibt, die andere organisatorische Lösungen erfordern, ist es nur plausibel, wenn der Gesetzgeber nicht schon von vorneherein die Einrichtung eines BEM-Teams vorsieht.

Neben den Experten sind es vor allem Führungskräfte und Mitarbeiter, die durch BEM für individuelle Arbeitsgestaltung und damit generell für Arbeitsgestaltung sensibilisiert werden.

Führungskräfte scheuen sich häufig davor, eine bestehende Arbeitsgestaltung und Arbeitsorganisation zu ändern, die vermutlich aber eher unter technischen Gesichtspunkten entstanden sind. Insofern kann die Auseinandersetzung mit BEM-Fällen ein hilfreicher Einstieg sein, auch andere Gesichtspunkte in die Arbeitsgestaltung einzubeziehen und Mut zu Neuerungen und Verbesserungen zu entwickeln.

Kollegen lernen beim Umgang mit dem BEM-Kollegen, dessen Besonderheit zu akzeptieren und als nach und nach normal zu empfinden. Möglicherweise bedarf dies auch einiger Aktivitäten, um darauf hinzuwirken. Wenn dabei aber der klare Wille des Arbeitgebers sichtbar wird, diesen Mitarbeiter mit seinen Einschränkungen zu integrieren, wird dies auch von den Arbeitskollegen positiv aufgenommen werden, da jeder in eine ähnliche Situation kommen kann.

Gute Lösungen sind auch eine Frage des Knowhows, also der Qualifikation der beteiligten Akteure. Bei den Experten darf man unterstellen, dass sie aus ihrer jeweiligen fachspezifischen Sicht hinreichend qualifiziert sind. Es ist allerdings sinnvoll, wenn mindestens eine Person in einem BEM-Team ein umfassenderes Wissen über BEM und die möglichen Beiträge einzelner Experten hat.

Dieser Person kommt dann eine koordinierende Funktion für die BEM-Prozesse zu. Aufgrund dieser koordinierenden Funktion kann sie BEM-Koordinator genannt werden. Es kann sich dabei um den BEM-Beauftragten des Arbeitgebers oder um eine andere Person aus dem BEM-Team handeln. Entscheidend ist, dass diese Person alle BEM-Prozesse koordiniert, Katalysator-Wirkung in Bezug auf die beteiligten Experten hat und Qualitäts-Garant für das BEM insgesamt ist.

Für die Funktion des BEM-Koordinators kann man qualifiziert werden, z.B. mit der Qualifizierung unter www.bem-koordinator.de. Dabei geht es darum, neben grundlegenden Kenntnissen über die BEM-Prozesse eine Idee davon zu bekommen, von welchem Experten welche Beiträge im Rahmen von BEM erwartet werden können. BEM ist dazu aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und dazu gehören auf jeden Fall juristische, medizinische, psychologische, arbeitsgestalterische und organisatorische Blickwinkel.

Es gilt, für gute Lösungen im BEM gute Bedingungen zu schaffen. Das garantiert Vorteile für das ganze Unternehmen, vom besseren Arbeitsklima, einem positive Einfluss auf den Krankenstand, einer geringeren Fluktuation bis zu Ansätzen für die Bewältigung des demografischen Wandels.

Internet:
http://bem-koordinator.de/
http://bit-bochum.de/betriebliches_eingliederungsmanagement.html

Foto: BIT, Berufsforschungs- und Beratungsinstitut für interdisziplinäre Technikgestaltung e.V.