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Den Menschen unterscheidet vom Tier sein mythologisches Wesen. Das hörte ich mich letzte Woche vollmundig behaupten. Jeder Mensch möchte sein Leben in eine Sinnerzählung einfügen. Null Bock ist nur der zynische Versuch, darauf zu verzichten. Deshalb kann man Menschen gewinnen, wenn man sich an ihr mythisches Interesse anschließt. Über die Bestätigung ihrer vielfach erzählten Story hinaus meint das insbesondere das, was sie werden wollen. Und Menschen wollen immer gerade irgend etwas werden. Man muss nur hinhören. Doch, ob uns das letztlich vom Tier unterscheidet, möchte ich doch lieber mit Vorsicht behandeln.

Dass wir mit den Affen von gemeinsamen Vorfahren abstammen, scheint ja aufgeklärte Menschen nicht mehr zu stören. Dass wir uns mit unserer Tiernatur versöhnen müssen, ist klar und gelegentlich tun wir dies sogar wenig gezügelt und mit Lust. Dennoch haben die meisten Menschen das Bedürfnis sich vom Tier zu unterscheiden.

Lange musste dafür die Behauptung herhalten, Tiere würden keine Werkzeuge benutzen oder zumindest nicht herstellen. Nun hat mittlerweile jeder Bilder von Affen vor Augen, die mithilfe von Steinen Nüsse aufschlagen oder Krähen, die sich gezahnte Kakteenränder zurechtschneiden, um damit Maden aus Baumlöchern zu angeln. Oder Nüsse auf die Strasse legen, um sie von Autos knacken zu lassen.

Nun ja, aber Tiere haben keine Kultur. Seltsamerweise gibt es aber schon bei Orkas also den sog. Mörderwalen Schulen, die Menschen angreifen und andere, die das nicht tun. Und beides wird über Generationen weitergegeben. Auch sonst entdeckt man mehr und mehr Kultur im Tierreich.
Dann haben vielleicht die Menschen allein ein planerisches Bewusstsein? Nun liest man aber von Zoo-Affen, die nachts Steine verstecken, um am nächsten Tag auf Besucher Überraschungsangriffe starten zu können. Sie müssen dabei eine Vorstellung vom nächsten Tag und ihren Absichten an diesem haben.

Vielleicht ist es die Metaperspektive, die Tiere nicht einnehmen können. Doch dann sieht man Raben, die demonstrativ Futter verstecken, weil ein Konkurrent zuschaut, um es sofort wieder auszugraben und woanders zu verstecken, sobald der Beobachter sich zum Schein entfernt. Wenn dieser dann zurückkehrt, um das Versteck zu plündern, ist er in der Abseitsfalle gelandet. Doch Meta, irgendwie!

Ist es die Kooperation? Dass Raubkatzen oder Delfine aufeinander abgestimmt jagen, hat jeder schon gesehen. Dass aber ein Affe dem anderen hilft, an die eine Portion Futter zu kommen, die dieser nur alleine verspeisen kann, lässt auf recht komplexe Abstimmungen bezüglich Geben und Nehmen schließen.

Oder sind es die Beziehungen? Dass es lebenslange Freundschaften und Partnerschaften, ja Treue zwischen Tieren gibt, hat sich schon herumgesprochen, z. B. bei Schwänen. Neulich haben wir erfahren, das die Missionarsstellung bei den Bonobos, einer Menschenaffenart der Normalfall ist. Müsste also Bonobo-Stellung heißen. Ob man as bei Missionaren wirklich genauer erforscht hat, ist ohnehin fraglich. Und wenn man sieht, wie schwer sich Elefanten von einem verstorbenen Mitglied ihrer Herde verabschieden und später die ausgebleichten Knochen immer wieder mit Andacht beriechen und befühlen, dann kommt man schon ins Grübeln.

Doch noch ein Versuch:
Wie ist es mit dem Lernen bei Mensch und Tier? Klar, Lernen durch Beobachtung und Imitation, Verbesserung durch Versuch and Irrtum gibt es überall. Wie ist es aber neben dem spielerischen Lernen mit gezieltem Experimentieren? Am 17.3.2009 konnte man in Quarks und Co. Raben sehen, die sich durch gezieltes Experimentieren eine Meinung von Partnern bilden, auch von Menschen. Sie verstecken kleineres Spielzeug, das sie als mitelmäßig attraktiv ansehen, in deren Blickwinkel. Sie unterscheiden dann zwischen Menschen, die zeigen, dass sie das Versteck kennen, aber nichts anrühren und solchen, die klauen. Dieser Versuch wird seitens des Raben mehrfach wiederholt, obwohl beim Dieb die Spielzeuge dann futsch sind. Doch dabei haben die Raben genügend verstanden, um vor den Dieben künftig alles außerhalb deren Gesichtskreises zu verstecken, während sie im Gesichtsfeld der Vertrauenswürdigen selbst Leckerbissen vergraben. Um diese Menschenkenntnis zu erwerben, haben sie sogar investiert, aber nur soweit nötig und nicht das Wertvollste. Holla! Raben an die Konzernspitzen! Oder stehlen die dann wie die .......? Oh, sorry!

Vielleicht gibt es bei den Tieren wenigstens keine Belehrungen, auf die wir in unseren Bildungseinrichtungen so reichlich setzen? Da fallen mir kleinere Pelztiere ein, deren Namen ich vergessen habe. Sie zeigen ihren Kindern das Fangen und sichere Verzehren von Skorpionen. Ja, sie servieren ihnen als Zwischenlernstufe Skorpione, denen sie den Stachel entfernt haben. Auch andere Tiere scheinen die Entschärfung gefährlicher Beute durch halb tot beißen und ähnliches als erzieherische Didaktik zu nutzen. Ist das Belehrung? Vielleicht sogar mehr als manche stumpfsinnige Übertragungsversuche von Wissen, die wir reichlich genossen haben. Didaktik und Fürsorge, ein kluger Aufbau von Lernprozessen. Pelztiere als hochschuldidaktische Entwicklungshelfer! Das wär’s doch! Oder?

Oh je, wo soll das enden? Ich höre lieber auf. Sonst kriege ich doch noch wütende Reaktionen ab, wie damals auf dem Spielplatz, als ich meinen Kleinen erklärte wie Mensch und Affe verwandt sind. Ein älterer Herr, der das mithörte, verließ den Ort mit Schaudern und rief uns im Weggehen seinen Protest zu: Ich auf jeden Fall stamme nicht vom Affen ab! Nun ja, es gibt immer Ausnahmen. Nichts für ungut.


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Foto von Patrick Perkins