Das Austrittsrisiko beschreibt die Gefahr, dass talentierte Mitarbeitende oder Leistungsträger das Unternehmen verlassen. Das Management des Austrittsrisikos ist ein einfaches, aber effizientes Instrument des Personalmanagements, um den Verlust von Know-how oder talentierten Mitarbeitenden im Allgemeinen zu verhindern. Obwohl es mithilfe von Software schnell eingeführt werden kann, hat es in Unternehmen im deutschsprachigen Raum noch nicht die angemessene Verbreitung gefunden.
Erfahrene Führungskräfte sowie qualifizierte HR-Manager können anhand bestimmter Kriterien wie der Betriebszugehörigkeit in Kombination mit dem Alter und anderen soziodemografischen Daten ein wahrscheinliches Abgangsrisiko für ihre Mitarbeitenden einschätzen. Zum Beispiel ist es nicht ungewöhnlich, dass Hochschulabsolventen oder Auszubildende nach 2-3 Jahren ihren ersten Arbeitgeber verlassen, um neue Erfahrungen für ihre Karriere zu sammeln. Andererseits ist es unwahrscheinlich, dass ein langjähriger Mitarbeiter über 50 das Unternehmen verlässt, es sei denn, die Bedingungen haben sich grundlegend verschlechtert.
Auch Faktoren wie die Arbeitsatmosphäre im jeweiligen Team, das Gehalt und andere Leistungen im Vergleich zum Markt beeinflussen das Kündigungsrisiko. Das Management des Austrittsrisikos fällt auch in den Bereich des aktuellen Schlagworts “Retention”, welches die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen beschreibt.
Kann man das Austrittsrisiko berechnen?
Einige Unternehmen versuchen, mithilfe komplexer Methoden oder KI-gestützter Vorhersagemodelle das Risiko des Mitarbeiteraustritts zu berechnen. Dies kann höchstens eine unterstützende Maßnahme sein – ein Hinweis vielleicht für Führungskräfte, um mit gefährdeten Mitarbeitenden zu sprechen.
Es ist effektiver, in separaten Talentrunden, Entwicklungs- oder Halbjahresgesprächen Führungskräfte regelmäßig darum zu bitten, das Risiko des Mitarbeiteraustritts für Talente und Schlüsselpositionen persönlich und individuell einzuschätzen. Der Zeitraum zur Erfassung des Kündigungsrisikos sollte sechs Monate nicht überschreiten. Durch die formelle und regelmäßige Auseinandersetzung mit dem Austrittsrisiko von Talenten im eigenen Team werden Führungskräfte für dieses Thema sensibilisiert. Allein durch den Prozess der Datenerhebung und die Beschäftigung mit dem Thema können potenzielle Abgangsrisiken reduziert werden.
Im Gegensatz zum Austrittsrisiko kann die Fluktuationsquote durchaus berechnet werden. Doch wenn es zu erhöhter Fluktuation bei Talenten und Schlüsselpositionen kommt, ist es bereits zu spät. Daher reicht dieser rückblickende Wert nicht aus, um das Abgangsrisiko zu mindern. Die Analyse der Fluktuation ist ein Instrument zur Fehlerbehebung, während das Management des Austrittsrisikos ein Vorsorge-Instrument ist.
Unterstützung über Tools
Moderne HR-Software Tools bieten umfassende Unterstützung, um regelmäßige Datenerhebungen weitgehend automatisiert durchzuführen.
Die gesammelten Einschätzungen der Austrittsrisiken können aggregiert und analysiert werden. Obwohl dies grundsätzlich auch mit einem Excel-basierten Verfahren möglich ist, kann dies aufgrund des Fehlens von Prozessunterstützung und Fehlervalidierung mühsam und anfällig für Fehler sein.
Durch die Datenaggregation werden nicht nur individuelle Austrittsrisiken erkannt, sondern auch strukturelle Ursachen aufgedeckt. Zum Beispiel können erhöhte Risiken in bestimmten Teams oder Auffälligkeiten bei der Filterung nach Alter, Betriebszugehörigkeit, Jobfamilien usw. identifiziert werden.
Historische Betrachtung und Trend-Erkennung
Die Berücksichtigung des zeitlichen Faktors ist von großer Bedeutung für die Steuerung von Maßnahmen bei erhöhten Austrittsrisiken. Es ist wichtig, zu beobachten, wie sich das Risiko von einem Intervall zum nächsten verändert hat. Waren die eingeleiteten Maßnahmen wirksam? Gibt es auffällige Trends in bestimmten Mitarbeitersegmenten oder Teams?
Austrittsrisiko für alle Leute erheben?
Im Sinne des Unternehmenserfolgs sollte sich HR in erster Linie darauf konzentrieren, Talente zu halten und zu entwickeln und diese in den Fokus zu nehmen.
Besonders für größere Unternehmen gilt: Bevor das Management des Austrittsrisikos angegangen wird, ist es wichtig, Talente und Schlüsselpositionen zu identifizieren.
Eine gewisse Fluktuation ist für Unternehmen auch wünschenswert, da “neue Besen gut kehren”: Der Know-how-Pool und die Innovationskraft des Unternehmens profitieren von regelmäßiger Erneuerung. Dennoch möchten Unternehmen Talente natürlich möglichst lange halten, und in Kombination mit der Nachfolgeplanung sicherzustellen, dass Schlüsselpositionen nicht unerwartet unbesetzt bleiben.