Andreas Lukas: „Abschied von der Top-Down-Kultur“ – Rezension von Oliver Pickl

Andreas Lukas beginnt seine Ausführungen mit der These, dass wir neue Denkmuster in der Firmenkultur schaffen und erlernen müssen, da Mitarbeiter heute stärker in Interaktion treten als früher. Weiter fügt er an, dass die Beschleunigung das beherrschende Kennzeichen unserer Zeit sei: Wir leben laut Lukas in einer 24-Stunden-Gesellschaft, der ein neues Zeitbewusstsein zu Grunde liegt. In dieser Turbogesellschaft müssten wir – die Arbeitnehmer und Arbeitgeber – genau festlegen, wie wir unsere Zeit einsetzen. Als Gegenerfahrung zur reizüberfluteten Welt könne „die Kraft der Stille“ jenseits von ständiger Erreichbarkeit mit einem intensiven Erleben der Zeit sinnvoll sein.

Der Kardinalfehler einer falsch verstanden Führung bestehe bisher oft darin, dass Führungskräfte Fachkräfte mit ausgezeichneten Spezialkenntnissen seien, aber ohne echte Kenntnis von Menschenführung. Gleichzeitig verliere die Fähigkeit zur strategischen Planung an Bedeutung. Die starke Verflechtung aller Unternehmensaktivitäten erfordere unterschiedliche Alternativen und Führungsszenarien. Planung habe dabei nur noch die Funktion von Leitplanken. Es gehe vielmehr darum, im schärfer werdenden Tempo-Wettbewerb Risiko bewusst zu managen.

Indem Lukas die Bedeutung von Planung relativiert, wird der Weg frei für eine neue Führungsqualität. Letztlich überwindet er damit das linear analytische Denken in der Führung. Dennoch bedeutet das für ihn nicht die totale Verabschiedung von Autorität. Vielmehr werde Führungskompetenz zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor, wenn sie die Kreativität der Mitarbeiter optimiere, von anderen Disziplinen wie der Philosophie, der Chaosforschung oder der Evolutionstheorie lerne und eine echte Wertorientierung und nachhaltiges Management wiederbelebe.

Mut macht der Autor dem Leser in Kapitel 5, in dem er die Qualifikationsanforderungen an das Management der Zukunft aufzeigt. Dabei gehe es um ein mentales Problem: Führungskräfte müssten ausgetretene Pfade des Top-Down verlassen und den Einsatz der Mitarbeiter gestalten, um tradierte Denkweisen zu überwinden und feste Standards verändern zu können.

Wichtig sind dem Autor die Merkmale der Selbsterneuerung. Bislang hätten Unternehmen ihre Produktivität nur in der Produktion und der Kostenstruktur verbessert, jedoch kaum in der Organisation. Bei der zukunftsorientierten Organisationsproduktivität stünden Zusammenarbeit und Zusammenwirken im Vordergrund. Deshalb gehe ohne Kommunikation nichts. Dennoch dürfe Information kein Selbstzweck sein. Kommunikation sei nicht nur Handwerkszeug, sondern vor allem ein Miteinander, für das Führungskräfte die Regeln definieren.

Resümierend vermittelt der Autor dem Leser, dass wir ein neues Karriereverständnis jenseits vom vertikalen Aufstieg in der Organisationshierarchie benötigen: Neben der Führungskarriere werde auch die Fachkarriere stärkeres Gewicht erhalten. Zudem müsse sich Führung in der Netzwerk-, Dienstleistungs- und Kreativitätsgesellschaft vom Kausalitätsprinzip verabschieden. Die einseitige Top-Down-Kultur habe ausgedient, nun sei „Sowohl-als-auch-Denken“ in der Führung gefragt.

Abschließend beschreibt der Autor den Prozess der Selbsterneuerung. Er zeigt auf, wie Unternehmen ansetzen können, um Systeme verstehen zu lernen und ein Selbsterneuerungs- und Erfolgsmanagement einzuführen. Neben Hürden für den Veränderungsprozess erklärt er, wie Unternehmen dabei Fehler vermeiden und was eine Kultur der Umgangsqualität prägt.

Einschätzung aus Sicht der Praxis

Der Aufbruch zu einem anderen Menschenbild, das sich von einem rein autoritären Führungsstil verabschiedet und die vorhandenen Kreativpotentiale nutzt, bedarf in der Praxis wie alles Neue größter Anstrengungen. Diese Kreativität zielgerichtet und vor allem gewinnbringend zu fokussieren, zwingt nicht nur zum integrativen Führungsstil, sondern zu erworbener Führungskompetenz. Um die Leistungsbereitschaft von Mitarbeitern zu steigern, sind Hebel, wie unter anderem das soziale Klima, wertorientierte Interaktion und familienfreundliche Arbeitsbedingungen nötig.

Für fortschrittliche Führungskräfte ist das Buch meiner Meinung nach sehr empfehlenswert, da es sich neben der leichten Lesbarkeit auch durch eine strukturierte und informierende Darstellung des Werte- und Kommunikationswandels innerhalb eines Unternehmens auszeichnet. Dabei kommen nicht nur aktuelle, sondern auch zukünftige Probleme wie zum Beispiel die demografische Entwicklung zum Tragen. Weitblickende Manager, die brachliegende Potentiale in ihrem Unternehmen aktivieren und freisetzen möchten, finden darin viele Anregungen. Ich persönlich kann mich Prof. Dr. Lother Seiwert anschließen, dass dieses Buch zur Führungsfibel dieser Dekade werden könnte.

Praktischer Nutzwert * * * * *
Lesbarkeit/Schreibstil * * * * *
Verständlichkeit * * * * *
Gliederung/Übersichtlichkeit * * * * *
Meine persönliche Empfehlung für Personalverantwortliche * * * * *

Abschied von der Top-Down-Kultur

Verantwortungsbewusst führen, besser miteinander umgehen

Von Andreas Lukas

204 Seiten, 34,95 Euro

Gabler Verlag 2011

ISBN: 978-3-8349-3186-3

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