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Foto von Domenico Loia

2. Die Angst der Chefs, die Kontrolle zu verlieren

Eine Ursache, warum der Führungsnachwuchs oft diese Erfahrung sammelt, ist: Zahlreichen Unternehmensführern graust es insgeheim bei der Vorstellung von vielen kleinen Unternehmern in ihrer Organisation – selbst wenn sie verbal das Gegenteil propagieren. Denn sie befürchten: Dann kann ich das Unternehmen (oder meinen Bereich) nicht mehr steuern und kontrollieren. Denn eines ihrer heimlichen Credos lautet: Führung erfolgt stets nach dem hierarchischen Prinzip. Wer oben ist, sagt wo’s lang geht, und wer unten steht, erfüllt die Vorgaben.

Das Wort Hierarchie bedeutet übersetzt „Heilige Herrschaft“ oder „Herrschaft der Heiligen“. So verhalten sich denn auch viele Unternehmensführer. Hinterfragt ein „Untergebener“ ihre Entscheidungen oder möchte er mitentscheiden, trifft ihn schnell ihr Zorn. Denn hiermit stellt er, so ihr Empfinden, die heilige Ordnung „oben-unten“ in Frage. Entsprechend scharf reagieren zahlreiche obere Führungskräfte, wenn Untergebene es wagen, eigene Positionen nachhaltig zu vertreten und somit – in ihren Augen – ihre Entscheidungskompetenz und -macht zu hinterfragen. Nicht wenige Führungskräfte betrachten es zudem als ihr Privileg, über die Weitergabe von Information zu entscheiden. Sie glauben außerdem, es sei ihr Recht, in das Tagesgeschäft ihrer Untergebenen hineinzuregieren. Dabei müsste das Fordern von mehr Eigenverantwortung und -initiative mit einem Rückzug der Vorgesetzten aus dem Tagesgeschäft verbunden sein.

3. Lern- und Changeprozess top-down

Diese Widersprüchlichkeit registrieren die Mitarbeiter. Entsprechend schizophren ist oft ihr Verhalten – selbst wenn es sich bei ihnen um scheinbar gestandene Manager handelt. Immer wieder beobachtet man in Unternehmen folgende Situation: Unterhält man sich mit einem Bereichsleiter unter vier Augen, strahlt er eine so große Selbstsicherheit aus, dass man fast meinen könnte, ihm gehöre das Unternehmen.

Trifft man dieselbe Person aber, wenn der „big boss“, also ihr Vorgesetzter, anwesend ist, dann mutiert der selbstbewusste „Entscheider“ zum devoten „Aktentaschenträger“. Daraus folgt: Wenn unternehmerisches Denken und Handeln in einer Organisation verankert werden soll, dann ist zunächst ein Umdenken und Neulernen der oberen Führungskräfte nötig. Doch dies spiegelt sich leider in den meisten Personalentwicklungskonzepten nicht wider. Sie setzen in der Regel den Fokus einseitig auf die Mitarbeiter. Sie sollen die Fähigkeit entwickeln, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Übersehen wird, dass auch ihre Vorgesetzten die Fähigkeit entwickeln müssen, Mitarbeiter unternehmerisch denken und handeln zu lassen. Vernachlässigt wird zudem, dass es zu weiten Teilen die Unternehmenskultur ist, die das Verhalten der Mitarbeiter prägt.

Deshalb kommen Unternehmen, wenn es um Entwickeln von mehr Eigenverantwortung und –initiative in ihrer Organisation geht, mit einem Entwickeln der individuellen Kompetenzen der Mitarbeiter allein nicht weit. Auch die Unternehmens- und Führungskultur muss sich wandeln – und zwar top-down.

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Fotoquelle: © Jörg Brinckheger | www.pixelio.de
Quelle: Beitrag aus der Zeitschrift „Lernende Organisation“
(Hrsg. Sonja Radatz) - Nr. 74 Juli | August 2013

„Wir brauchen Mitarbeiter, die unternehmerisch denken und handeln.“ Das betonen viele Unternehmensführer. Und fragt man nach, was dies bedeutet, dann hört man oft: „Unsere Mitarbeiter müssen bei der Alltagsarbeit mehr Eigenverantwortung zeigen; des Weiteren die Bereitschaft, Risiken zu tragen. Sonst können wir die Herausforderungen, die der Markt an uns stellt, nicht meistern.“ Und dann folgt oft ein Klagelied. Genau diese Eigenschaften beziehungsweise Verhaltensweisen zeige das Gros der Mitarbeiter nicht. Nur wenige blickten bei ihrer Arbeit über den Rand ihres Schreibtischs hinaus und seien bereit, das Risiko eventueller Fehlentscheidungen einzugehen. Ihr Augenmerk richte sich vielmehr primär darauf, sich abzusichern, so dass ja kein Kollege oder gar Vorgesetzter sie kritisieren kann – unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um einfache Mitarbeiter oder mittlere Führungskräfte handle.

1. Die Angst der Mitarbeiter, eigenständig zu entscheiden

Dass dies in zahlreichen Betrieben Realität ist, ist kein Zufall. Viele Unternehmen erwarteten von ihren  Mitarbeitern jahrzehntelang primär, dass sie gehorsam die ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen. Das taten diese denn auch. Völlig ungewohnt ist es für sie folglich, am Arbeitsplatz eigenständig Entscheidungen zu treffen. Denn das Entscheiden nahmen ihnen in der Vergangenheit ihre „Chefs“ ab. Entsprechend verunsichert reagieren sie, wenn von ihnen plötzlich gefordert wird: Entscheide selbst – insbesondere dann, wenn diese Entscheidungen Auswirkungen auf andere (Arbeits-)Bereiche als die
ihrigen haben. Denn eine weitere unausgesprochene  Vorgabe lautete in der Vergangenheit: Erfüllt eure Aufgaben und mischt euch nicht in fremde Kompetenzbereiche ein. Entsprechend groß ist die Angst vieler Mitarbeiter, anzuecken, wenn sie mehr Eigeninitiative und -verantwortung zeigen.

Mit einem über Jahrzehnte antrainierten Verhalten lässt es sich aber nicht erklären, dass auch viele junge Führungskräfte im Arbeitsalltag ein wenig risikobereites Verhalten zeigen. Denn sie sind neu in der Organisation. Trotzdem zeigen auch sie meist schnell die Verhaltensmuster der „alten Hasen“. Vor allem weil sie in vielen Betrieben rasch die Erfahrung sammeln: Eigenverantwortliches Verhalten wird zwar propagiert, doch wenn ich zu viel davon zeige, wird dies sanktioniert. Und mein berufliches Fortkommen fördert ein solches Verhalten nicht. Denn wenn ich mich zu oft in Sachen einmische, die mich „nichts angehen“, gelte ich als nicht teamfähig und schwer integrierbar. Und wenn ich Fehlentscheidungen treffe? Dann stehe ich schnell am Pranger.