1. Welche Arbeitsentgeltbestandteile dürfen Arbeitnehmer in Wertguthaben überführen?

people sitting on chair in front of table while holding pens during daytime
Foto von Dylan Gillis

Zeitwertkonten dienen dem Ziel, die Lebensarbeitszeit zu flexibilisieren. Arbeitnehmer können Arbeitsentgelt in Wertguthaben umwandeln, um damit Freistellungsphasen zu finanzieren. Doch häufig stellt sich die Frage, welche Arbeitsentgeltbestandteile Mitarbeiter in ein Wertguthaben einbringen dürfen. Dies gilt insbesondere, wenn das Wertguthaben auf längere Freistellungsphasen ausgerichtet ist – wie etwa auf die vor einer möglichen Rente liegenden Zeiträume (Frühverrentung) oder Zeiträume der Elternzeit. Denn Mitarbeiter können nicht ohne Weiteres auf laufendes Gehalt verzichten und die Möglichkeiten, Überstundenvergütung in ein Wertguthaben einzubringen, sind schon mit Blick auf das Arbeitszeitgesetz begrenzt.

Die Flexi-II-Bestimmungen sehen vor, dass Beschäftigte in einem Wertguthaben lediglich Arbeitsentgelt ansparen können, das “mit einer vor oder nach der Freistellung (…) erbrachten Arbeitsleistung erzielt wird”. Demnach dürften Prämien oder sonstige Sonderzahlungen, die nicht unmittelbar im Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeitsentgelt und Arbeitsleistung stehen, nicht in Wertguthaben fließen. Schließlich handelt es sich streng genommen dabei nicht um “verdientes” Arbeitsentgelt.

Letztlich kann man aber wohl über die Wertguthabenregelung hinaus auf die allgemeine sozialversicherungsrechtliche Definition zurückgreifen: Arbeitsentgelt sind danach alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung – gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder lediglich im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Wenn dieser Sachverhalt in der Wertguthabenvereinbarung nicht anders geregelt ist, kann der Arbeitnehmer daher auch Treue- und Jubiläumsgelder, Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder sonstige Sonderzahlungen in ein Wertguthaben überführen. Nur auf diese Weise hat er die Möglichkeit, größere Beträge für Zeiten der Freistellung anzusparen.

2. Wie hoch soll das Entgelt in der Freistellungsphase sein?

Grundsätzlich können die Arbeitsvertragsparteien frei festlegen, in welcher Höhe während einer Freistellungsphase Entgelt aus dem Wertguthaben entnommen werden soll. Wollen sie jedoch sicherstellen, dass die Freistellungsphase als eine Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts gilt, darf das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht “unangemessen” von dem für die vorausgegangenen 12 Kalendermonate gezahlten Arbeitsentgelt abweichen. In einem gemeinsamen Rundschreiben haben die Spitzenverbände festgelegt, dass die Grenze zwischen 70 bis 130 Prozent des vorangegangenen Durchschnittsverdiensts variieren kann. Diese Aussage können Arbeitgeber als Maßstab für die Auslegung der gesetzlichen Vorgabe heranziehen. Um Streitigkeiten in der Abwicklungsphase zu vermeiden, sollten sie jedoch bereits in der Wertguthabenvereinbarung ausdrücklich festlegen, in welchem Verhältnis der Auszahlungsbetrag zum durchschnittlichen regelmäßigen Einkommen stehen soll.

3. Wie sichern Unternehmen die Zeitwertkonten am besten rechtlich ab?

Arbeitgeber können Zeitwertkonten sowohl auf der Grundlage einer einzelvertraglichen Vereinbarung als auch “kollektivvertraglicher” Regelungen (Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) einführen. In der Praxis bietet sich eine Kombination aus Tarifvertrag/Betriebsvereinbarung als Rahmenregelung und einzelvertraglicher Vereinbarung an. Dabei sollten Unternehmen zum einen allgemeine Gestaltungsgrenzen wie den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes oder das Diskriminierungsverbot Teilzeitbeschäftigter beachten. Zum anderen sollten sich die Regelungen in den Grenzen von Flexi II bewegen, um die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorteile sowie die insolvenzrechtliche Absicherung eines Wertguthabens im Sinne des Gesetzes sicherzustellen.

Ein Sonderproblem taucht in der Praxis in Hinblick auf Tarifentgeltansprüche auf: Arbeitnehmer können nicht ohne Zustimmung der zuständigen Tarifvertragsparteien auf Tariflohnansprüche verzichten oder von Tarifentgeltregelungen zu ihren Lasten vertraglich abweichen. Wenn also nicht nur übertarifliche Lohnbestandteile, sondern auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung oder eines Arbeitsvertrags auch Tarifentgelt in ein Wertguthaben fließen sollen, stellt sich die Frage, ob eine solche Regelung gegen das Tarifrecht verstößt. Zwar werden Wertguthabenvereinbarungen auch zugunsten der Arbeitnehmer getroffen, die an Wertguthaben – mit Blick auf die Finanzierung von Freistellungsphasen – ein Interesse haben. Im Bezug auf das fällige Tarifentgelt, wird der Arbeitnehmer aber auch belastet: Ein Teil seines Entgelts geht in sein Wertguthaben ein, so dass dieser Vorgang auch als Stundungsvereinbarung ausgelegt werden könnte.

Um einen Verstoß gegen das tarifliche Verzichtsverbot zu vermeiden, sollten die Vertragsparteien daher in einer Betriebsvereinbarung oder in einer arbeitsvertraglichen Regelung zumindest ein Wahlrecht des Arbeitnehmers mit kurzfristigen Kündigungsmöglichkeiten aufnehmen. Wenn ein Mitarbeiter das Tarifentgelt also nicht in bestimmtem Umfang zwangsweise in ein Wertguthaben überführt muss, sondern er frei wählen kann, wie viel Entgelt einfließen soll, kann die Regelung als eine zu Gunsten des Arbeitnehmers getroffene gelten.

4. Welche Inhalte sollten Teil von Wertguthabenvereinbarungen sein?

Die gesetzlichen Regelungen geben vor, was zwingender Inhalt einer Wertguthabenvereinbarung sein sollte: Hierzu zählen Zweck und Ziel der Arbeitszeitflexibilisierung, Regelungen zur Einbringung von Arbeitsentgelt, zu Art und Zweck der Freistellung, zur Höhe des während der Freistellungsphase zu entnehmenden Arbeitsentgelts, zum Insolvenzschutz sowie zu Verwaltungskosten und Zinsgutschriften. Darüber hinaus sollten jedoch auch enthalten sein, wie das Unternehmen Krankheit und Urlaub des Arbeitnehmers in der Freistellungsphase regeln möchte, wie sich die Freistellung auf Sonderzahlungen auswirkt und gegebenenfalls auch, welche Wechselwirkungen mit betrieblicher Altersversorgung bestehen. Denn zu all diesen Punkten schweigt das Gesetz.

Die Praxis zeigt, dass schnell ein Streit über die nicht unerheblichen finanziellen Auswirkungen einer Freistellung entstehen kann, wenn klarstellende Regelungen fehlen. Dann ist zum Beispiel unklar, ob der Arbeitnehmer auch während der Freistellungsphase Urlaubsansprüche erwirbt und ob er den Urlaub während der Freistellungsphase tatsächlich nehmen kann. Das hätte zur Folge, dass der Arbeitgeber diesen Urlaub finanziert. Bei längeren Freistellungsphasen, die beispielsweise ein ganzes Kalenderjahr umfassen, kann die Frage eines Jahresurlaubsanspruchs mehr als 10 Prozent der Finanzierung einer Freistellungsphase ausmachen.

5. Wie können Arbeitgeber die Portabilität von Wertguthaben regeln?

Viele offene Fragen stellen sich noch im Zusammenhang mit der Portabilität von Wertguthaben. Wenn das Vertragsverhältnis beim alten Arbeitgeber endet, können Arbeitnehmer nach Flexi II ihr erworbenes Wertguthaben entweder auf einen neuen Arbeitgeber oder aber auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen. Insbesondere für den Fall, dass ein Mitarbeiter sein Wertguthaben auf einen Folgearbeitgeber übertragen möchte, sollte die Wertguthabenvereinbarung klare Regelungen enthalten – etwas dazu, ob und zu welchen Bedingungen der Mitarbeiter auf das übertragene Wertguthaben zurückgreifen kann.

Umstritten ist dabei insbesondere, ob das neue Unternehmen dem Arbeitnehmer verbieten kann, das übertragene Wertguthabens in bestimmten Fällen zu entsparen – und zwar insbesondere mit Blick auf gesetzliche Freistellungsansprüche. Der Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sieht ein solches Gestaltungsrecht nicht vor. Viel spricht dafür, dass der Arbeitnehmer in Fällen der gesetzlichen Freistellung, wie beispielsweise einer Elternzeit, auf sein übertragenes Wertguthaben auch gegen den Willen des neuen Arbeitgebers zurückgreifen kann. Denn dieser wird dabei nicht unangemessen in seiner Vertragsfreiheit beschränkt.

Fazit

Die Vielfalt der Themen zeigt, dass noch zahlreiche Punkte im Umgang mit Wertguthaben unklar sind. Unternehmen sollten deshalb die Verträge sorgsam gestalten, um spätere Streitigkeiten zu umgehen und das Wertguthaben zur Arbeitszeitflexibilisierung sinnvoll einsetzen zu können.