Remobis Refund Service aus dem niederländischen Utrecht arbeitet wahrlich international: Das Unternehmen gehört zu den Dienstleistern im europäischen Transportgewerbe. Das Produktportfolio umfasst zwei Produktgruppen: Mehrwertsteuererstattung und Mineralölsteuererstattung. Bei der Mehrwertsteuererstattung wiederum gibt es zwei Produkte: Normal Refund und Fast Refund. Bei Fast Refund stellt Remobis im Auftrag der Kunden Forderungen an die Finanzbehörden der Länder, in denen sie die Steuer entrichtet haben – und das in der jeweiligen Landessprache. Damit trägt das Remobis Kerngeschäft automatisch zur Zusammensetzung der Belegschaft bei: Über 100 Mitarbeiter rekrutieren sich nahezu aus aller Herren Länder und sprechen insgesamt mehr als 30 Sprachen.

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Foto von Joanna Kosinska

Doch die multikulturelle Zusammensetzung charakterisiert nur einen Aspekt des Unternehmens. Denn: Remobis steht vor dem Sprung zum Marktführer. Verständlich, dass die Entwicklung des Unternehmens auch überproportionales Wachstum mit sich bringt, personell und im Umsatz. All dies fordert Struktur, Flexibilität und Kommunikation über das übliche Maß hinaus.

Den anfänglichen Teamgeist erhalten

Remobis wurde 2002 gegründet und gehört zum Egrima Konzern. Bisher hat Remobis mehrere Wiederverkäufer und gut 10.000 Endkunden gewonnen. Die Akquisition von Neukunden läuft auf Hochtouren. Aufgrund dieses Wachstums brauchen die aktuell 110 Mitarbeiter nicht nur weitere Qualifikationen, sondern auch neue Strukturen. Durch neue beziehungsweise erweiterte Aufgaben war das Einführen von Standards von Prozessen und organisatorischen Abläufen bei Remobis zwingend, und auch Kontroll- und Steuerungsinstrumente mussten dem Tagesgeschäft angepasst werden.

Gleichzeitig entschied sich die Geschäftsführung durch Delegation von Führung und Verantwortung, mehr Selbstverantwortung von den Mitarbeitern zu fordern, und schuf konkret zwei weitere Führungsebenen: die Abteilungsleiter- und die Teamleiterebene. Hintergrund: Aufgrund des starken Wachstums konnte die Geschäftsführung selbst nicht mehr die gesamte Unternehmens- und Mitarbeiterführung wahrnehmen. So beschloss sie, Verantwortung insbesondere an die Abteilungsleiter zu delegieren und diese zukünftig in unternehmerische Entscheidungen einzubeziehen. Die Teamleiter indes übernahmen Personalführungsaufgaben. Sie sollten den Mitarbeitern fachliche Unterstützung sowie eine bessere im Sinne einer individuelleren Betreuung geben, die sich direkt am Alltag der Mitarbeiter orientiert.

Die Leitungsebenen besetzte die Geschäftsführung bewusst durch Mitarbeiter aus den eigenen Reihen. Da der Teamgeist im Unternehmen sehr stark ist, sollte der Zusammenhalt nicht durch neue externe Mitarbeiter gefährdet werden respektive die durch das starke Wachstum bedingte Aufbruchstimmung im Unternehmen erhalten bleiben. Mit dieser Entscheidung ging eine besondere Herausforderung einher: Aus Quereinsteigern ohne Führungserfahrung sollten erfolgreiche Führungskräfte werden. Dass dies auch Investitionen in die Aus- und Weiterbildung bedeutet, hat Remobis kalkuliert.

„Need for Change“ wecken

Doch vor dem Hintergrund des schnellen Wachstums war für das Unternehmen nicht allein entscheidend, ein Managementteam mit motivierten Einzelmitgliedern zu bilden. Es kam vor allem darauf an, dass dieses als Einheit auch gut funktioniert und sowohl nach innen als auch nach außen einheitlich agiert. Entsprechend sorgte Remobis dafür, den durch die Einführung der weiteren Führungsebenen entstehenden Change im Unternehmen gut und gründlich vorzubereiten und zu begleiten. Um die Umstrukturierung erfolgreich zu gestalten, hat es das Beratungsunternehmen IPA Institut für Personalentwicklung und Arbeitsorganisation engagiert, das vor allem zwei Punkte klar herausstellte:

1. Die Vision und Veränderungsstrategie muss mit den Schlüsselpersonen des Unternehmens von Anfang an gemeinsam entwickelt werden.

2. Die Partizipation der Mitarbeiter ist wichtig. Sie sind rechtzeitig in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Durch intensive Kommunikation und Partizipation muss in der Organisation ein Gefühl der Dringlichkeit (Need for Change) erzeugt werden.

Der Startschuss für den anstehenden Veränderungsprozess fiel mit einem zweitägigen Strategie-Meeting für die zukünftige Führungsriege – bestehend aus Geschäftsführern, Abteilungs- und Teamleitern. Ziel der Veranstaltung: den „Need for Change“ bewusst zu machen sowie die Rahmenbedingungen für die neue Organisation zu definieren. Warum braucht das Unternehmen eine neue Struktur? Sowohl der Bedarf als auch die Notwendigkeit für die vorgesehenen Veränderungen wurden diskutiert, Stärken und Schwächen der Organisation reflektiert und ein konkreter Masterplan für die Veränderungsschritte erarbeitet. Für die interne Kommunikation wurde darüber hinaus festgelegt, wie und wann die Veränderungen in das Unternehmen hineingetragen werden – und vor allem durch wen.

Ein starkes Management braucht Entwicklung

Einer der wichtigsten Bausteine innerhalb eines erfolgreichen Change-Management- Prozesses lautet: Kontinuität in der Entwicklung. Folglich arbeitet das Führungsteam über die Auftaktveranstaltung hinaus an der Vision des Unternehmens. In regelmäßigen Workshops beschäftigt es sich mit der Frage der zukünftigen Ausrichtung. Dabei zielt die Arbeitsgruppe auf zentrale Aspekte der Entwicklung: Wo steht das Unternehmen? Welches sind die übergeordneten Ziele und Strategien? Wie entwickelt Remobis die Organisation? Wie sehen die nächsten Schritte aus und was ist dafür zu tun?

In den regelmäßigen Management-Workshops, zu denen die zwei Geschäftsführer und fünf Abteilungsleiter zusammenkommen, arbeiten diese zudem intensiv an den Themen Rollenklärung, Selbstverständnis und effektives Miteinander beziehungsweise Teamentwicklung. Das heißt für sie, immer wieder hinzuschauen: Haben wirklich alle Führungskräfte die gleichen Zielvorstellungen? Wie effektiv arbeitet das Managementteam? Ist das Führen der Mitarbeiter stringent und deren Ansprache kongruent? Wo lauern Konflikte? Wie muss die Führungsebene der Teamleiter weiterentwickelt und in die Umsetzung der Strategie eingebunden werden? Welche Maßnahmen in der Personalentwicklung sind für die Mitarbeiter zu initiieren? Und welche für die obere Führungsriege selbst?

Spielregeln für das multikulturelle Miteinander

Ob der multikulturellen Herkunft der Mitarbeiter und Führungskräfte ist die Gefahr von Missverständnissen hinsichtlich Abstimmung und Kommunikation bei Remobis größer als in vielen anderen Unternehmen. Temperamentvolle Italiener stoßen hier auf wortkarge Finnen, direkt kommunizierende Deutsche auf höflich umschleiernde Briten, nüchterne Schweizer auf charmante Österreicher… Gegenseitiges Verständnis füreinander zu entwickeln und die Vielfalt üben, lauten daher zwei weitere Programmpunkte der Führungskräfte- Workshops. Durch Rollenspiele werden Aha-Effekte erzielt – zum Beispiel, dass es zur tschechischen Kultur gehört, ein Lob abzuweisen. Oder dass Russen nicht unfreundlich sein wollen, wenn sie knappe und direkte Anweisungen geben.

Damit der interkulturelle Umgang miteinander funktioniert, haben die Mitarbeiter drei Dinge zu verinnerlichen:

1. Jede Kultur hat ihre Besonderheiten und Eigenarten. Dies gilt es zu verstehen und zu akzeptieren. Die eigene Kultur darf nicht als das Maß aller Dinge betrachtet werden. Es sollte daher auch nicht darum gehen, andere ändern zu wollen.

2. Bestimmte Verhaltensweisen sind mit der jeweiligen Kultur verknüpft und werden unterschiedlich interpretiert. Was in der einen Kultur zum Beispiel als barscher Ton wahrgenommen wird, ist in einer anderen Kultur völlig normal. Das gilt es zu bedenken, bevor man andere bewertet oder etwa eine bestimmte Situation als persönliche Beleidigung deutet.

3. Im multikulturellen Miteinander ist es das A und O, insgesamt rücksichtsvoll und vorsichtig miteinander umzugehen. Wichtig ist, Brücken zu bauen, indem beispielsweise eigene Irritationen angesprochen werden. Dies hilft den Kollegen zu erkennen, dass von ihnen gesendete Signale eventuell missverstanden werden.

Professionalität in der Führung im Fokus

Mit diesen Spielregeln klappt bei Remobis die Zusammenarbeit im Team sehr gut. Nicht zuletzt wird auch in den Leadership-Trainings immer wieder daran gearbeitet. In der einjährigen Ausbildung für Teamleiter wird in fünf Themenblöcken die Professionalität der Führungsarbeit vorangetrieben. So wird den Teamleitern die Rolle und Aufgabe als Führungskraft bewusst gemacht, sie erfahren, wie Teams effizient aufgebaut und entwickelt werden und wie sie Gespräche mit Mitarbeitern zielorientiert führen. Last but not least lernen sie Instrumente des Change Management sowie Coaching-Techniken kennen.

In den Trainings entsteht neben dem fachlichen Transfer auch ein gutes Verständnis für die anderen Teamleiter und deren Arbeitsinhalte und Herausforderungen. Es werden etwa Probleme mit schwierigen Mitarbeitern beziehungsweise allgemein schwierige Situationen besprochen, und es wird im Sinne der kollegialen Beratung gemeinsam nach guten Lösungen gesucht. Oftmals haben Teamleiter ähnliche Führungsherausforderungen und profitieren dann von den Problemlösungsstrategien ihrer Kollegen.

Akzeptanz von Konflikten

Verständlich, dass der Prozess der Professionalisierung im Unternehmen auch Konfliktpotenzial in sich birgt oder mitunter auch Ängste hervorruft. So fühlen sich manche Mitarbeiter mit den neuen Aufgaben überfordert, andere wiederum sind unterfordert. Auch diese individuellen Probleme werden im Team und von den Teamleitern ernst genommen und in Einzel- oder Gruppengesprächen erörtert. Zudem erfordert überproportionales Wachstum von jedem ein hohes Maß an Flexibilität. Schnelle Entscheidungen sind gefragt, doch gleichzeitig darf die Qualität nicht schlechter werden.

Fazit: Mitarbeiter aus 30 Nationen zu managen ist kein Nebenjob, sondern benötigt viel Aufmerksamkeit, Sensibilität und eine bedingungslose sowie transparente Kommunikation. Schnelles Wachstum lässt Zeiträume für Veränderungsprozesse eng werden. Dennoch: Sich in einem Change-Management-Prozess bewusst zu öffnen, ist eine Investition in den langfristigen Erfolg.

Quelle: personal 34 manager 2/2012

Ursula Vranken (Foto oben links)
Geschäftsführerin, IPA Institut für Personalentwicklung und Arbeitsorganisation

Hartmut Albers (Foto oben rechts)
Kaufmännischer Co-Geschäftsführer, Remobis Refund Service

Marcel van Empel (Foto unten)
Co-Geschäftsführer, Remobis Refund Service