BAG, 15. Februar 2011, Az. 3 AZR 54/09

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Foto von Dylan Gillis

Sachverhalt

Der Entscheidung lag folgender – hier leicht verkürzt dargestellter – Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war in einem Krankenhaus beschäftigt und erhielt – da es sich um eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst handelte – eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung über die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Dies war in seinem Arbeitsvertrag geregelt, der auf die einschlägigen Tarifverträge, insbesondere den Versorgungstarifvertrag verwies.

Zum 1. Januar 1995 ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Die Beklagte als neuer Arbeitgeber gehörte nicht dem öffentlichen Dienst an, so dass eine Versorgung über die VBL aufgrund deren Satzungsbestimmungen nicht mehr möglich war. Vielmehr richtete die Beklagte eine Unterstützungskasse ein, um eine entsprechende Versorgung sicherzustellen.

Wie auch bei der VBL, wurde der Kläger ab dem 1. April 1999 bei der Finanzierung der Versorgung über die Unterstützungskasse beteiligt, indem er Eigenbeiträge an die Unterstützungskasse zahlen musste. Hierüber wurde der Kläger in einem Schreiben vom 24. März 1999 informiert; der Einbehaltung der Eigenbeiträge widersprach der Kläger nicht.

Mit Betriebsvereinbarung vom 29. März 2000 wurde die betriebliche Altersversorgung erneut geregelt, ohne jedoch größere inhaltliche Änderungen vorzunehmen. Diese Betriebsvereinbarung kündigte die Beklagte zum 20. Oktober 2006.

Der Kläger forderte, Versorgungsleistungen zu erhalten, die den VBL-Leistungen im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles entsprechen.

Die Entscheidung

Das BAG gab dem Kläger recht. Der Kläger habe einen Anspruch auf Verschaffung von Versorgungsleistungen, wie sie im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles aus der VBL erbracht worden wären.

Im Jahr 1995 habe sich der Anspruch des Klägers nach dem Betriebsübergang allerdings zunächst nur auf Verschaffung einer Versorgungsleistung nach der Rechtslage zu diesem Zeitpunkt gerichtet. Der Verweis im Arbeitsvertrag auf den einschlägigen Versorgungstarifvertrag sei als eine Gleichstellung des nicht tarifgebundenen Klägers mit Tarifangestellten zu verstehen. Da durch den Betriebsübergang auch die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers endete und damit kein Arbeitnehmer mehr unter einen Tarifvertrag fiele, wäre auch keine Gleichstellung mehr erforderlich, so dass ab diesem Zeitpunkt der Versorgungstarifvertrag statisch weiter gälte.

Da eine Versorgung bei der VBL nach dem Betriebsübergang nicht mehr möglich war, sei die Beklagte damit verpflichtet gewesen, dem Kläger eine Versorgung zu verschaffen, die der Versorgung bei der VBL zum 1. Januar 1995 entsprach (Verschaffungsanspruch). Es sei unerheblich, dass die Beklagte den Durchführungsweg bei der VBL nicht fortführen könne. Vielmehr müsse sie jedenfalls eine gleichwertige Leistung gewährleisten. Durch Einführung der Unterstützungskasse sei dieser Verschaffungsanspruch ausgestaltet worden. Der Verschaffungsanspruch sei hierdurch aber gerade nicht entfallen.

Mit der Einbeziehung der Eigenfinanzierung durch den Kläger zum 1. April 1999 und der widerspruchslosen Hinnahme durch den Kläger sei der Inhalt der Versorgungsleistungen dahingehend geändert worden, dass nicht mehr die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehende Fassung der Versorgungstarifverträge maßgeblich sein sollte, sondern die jeweils geltende Fassung. Die Parteien hätten den Arbeitsvertrag durch Anlehnung an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst entsprechend geändert. Der Kläger habe damit einen Anspruch auf Verschaffung einer Versorgung, die sich dynamisch an den von der VBL nach dem jeweils geltenden Versorgungstarifvertrag gewährten Versorgungsleistungen orientiere.

Mit der neuerlichen Regelung in der Betriebsvereinbarung sei der Verschaffungsanspruch nicht abgelöst worden. Dieser sei lediglich mit der Betriebsvereinbarung erneut ausgestaltet worden. Nach der Kündigung der Betriebsvereinbarung richten sich die Ansprüche des Klägers wieder nach der individualvertraglichen Vereinbarung. Denn durch die Betriebsvereinbarung werde diese nicht unwirksam oder endgültig abgelöst. Eine günstigere Betriebsvereinbarung verdänge einen individualvertraglichen Anspruch nur für die Dauer ihrer Geltung.

Fazit

Wird auf eine tarifvertragliche Versorgungsregelung verwiesen, die einen externen Durchführungsweg vorsieht, und ist eine Versorgung über diesen Durchführungsweg nach dem Betriebsübergang nicht mehr möglich, hat der Betriebserwerber dem Arbeitnehmer eine gleichwertige Versorgung anderweitig zu verschaffen. Es ist also zu trennen zwischen der arbeitsvertraglichen Grundverpflichtung auf eine Versorgungsleistung und deren Ausgestaltung über einen bestimmten Durchführungsweg. Die arbeitsvertragliche Grundverpflichtung bleibt von einem Betriebsübergang unberührt und muss vom Betriebserwerber erfüllt werden. Hierbei ist immer Vorsicht geboten bei branchenspezifischen tarifvertraglichen Regelungen und einem Wechsel des Tarifkreises oder einem Ausscheiden aus dem Tarifvertrag.

Doch nicht nur im Fall tarifvertraglicher Regelungen kann der Ausschluss von einem Durchführungsweg drohen. Auch wenn eine Versorgungszusage auf einer anderen Grundlage beruht (z.B. Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Gesamtzusage, betriebliche Übung etc.), kann nach einem Betriebsübergang die Fortführung der Versorgung ausgeschlossen sein. Dies zeigt schon der entschiedene Fall, in dem letztlich nicht der Tarifvertrag zur Umstellung der Versorgung zwang, sondern die Beschränkung in der Satzung der VBL, die nur Leistungen für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst gewährt. Ebenso kann aber auch ein privat-rechtlicher Versorgungsträger die Arbeitnehmer eines bestimmten Arbeitgebers durch Satzung oder ähnliche Rechtsvorschriften von Versorgungsleistungen ausschließen. So kann z.B. eine Unterstützungskasse oder eine Pensionskasse nur Leistungen an Mitarbeiter konzernzugehöriger Gesellschaften gewähren. Scheidet eine Gesellschaft aus diesem Konzern aus, so müssen auch in diesem Fall die Versorgungsleistungen direkt vom Arbeitgeber erbracht werden, wenn nicht eine andere Versorgung eingerichtet wird.

Ganz gleich, aus welchem Grund eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung erteilt wurde: Sie muss auch nach einem Betriebsübergang fortgeführt werden. Ist dies nicht im bestehenden Durchführungsweg möglich, muss der neue Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine gleichwertige Versorgung verschaffen.