Bei der Gewinnung und Bindung von qualifiziertem Nachwuchs an Fach- und Führungskräften haben mittelständische Unternehmen aber oft das Nachsehen. Obwohl der Mittelstand in Summe mehr Arbeitnehmer beschäftigt als Großunternehmen, werden letztere auf dem Arbeitsmarkt besser wahrgenommen. Sie sind bekannter und können meist reizvollere vertragliche Bedingungen bieten. Auch fehlt bei kleineren Unternehmen häufig das Budget, um durch Werbemaßnahmen ein Image als attraktiver Arbeitgeber aufzubauen und potenzielle Bewerber auf sich aufmerksam zu machen.

black flat screen computer monitor and gray wireless mouse
Foto von cetteup

Klassische Personalmessen sind zwar für Großunternehmen ein gutes Mittel, um Mitarbeiter anzuwerben, für Mittelständler lohnen sie aber oft nicht. Erstens wären mit einer aufwändigen Präsentation, die Aufmerksamkeit erzielt, hohe Kosten verbunden. Zweitens haben nicht genügend potenzielle Bewerber Interesse, sich über ein kleines und unbekanntes Unternehmen zu informieren, und daher besuchen sie den Stand erst gar nicht. Mit den Möglichkeiten des Web 2.0 lässt sich Abhilfe schaffen.

Virtuelle Messen funktionieren im Prinzip wie reale Messen. Unternehmen platzieren sich mit ihrem selbst gestalteten Stand auf einem Messegelände, präsentieren ihr Unternehmen und informieren über vakante Arbeitsstellen und Karrieremöglichkeiten. In der virtuellen Jobmesse Jobfair24 können sich potenzielle Bewerber als Gast einloggen und einen Rundgang vornehmen. Avatare – computeranimierte Messebesucher, die der User steuert – bewegen sich durch das digitale Messegelände und können mittels eines Chat-Systems Kontakt zu den Ansprechpartnern der Unternehmen aufnehmen. Neben der Recherche über Links zur Firmenhomepage oder zu Podcasts des Unternehmens besteht für Interessierte auch die Chance, Bewerbungsunterlagen zu hinterlegen.

An angekündigten Tagen finden größere Messen mit mehreren Unternehmen statt. Interessenten erhalten hierbei die Gelegenheit, ihre Wunscharbeitgeber anzusprechen und erste Kontakte zu knüpfen. Doch Firmen können das Messegelände auch für einen eigenen Karrieretag, ohne Konkurrenz, zu einem gewünschten Termin anmieten.

Vorteile überwiegen

Die Durchführung oder Beteiligung an einer virtuellen Messe ist für das Unternehmen mit einem Bruchteil der Kosten im Vergleich zu einer realen Messe sowie einer deutlichen Zeitersparnis verbunden, weil Reisewege sowie Auf- und Abbau des Messestandes entfallen. Es kann eine viel größere Reichweite erzielt werden, da die Bewerber die Messe kostenfrei und ortsunabhängig besuchen können. Dadurch ist die Schwelle für einen Besuch sehr viel niedriger als bei einer realen Messe, bei der kleinere Unternehmen nur geringe Chancen hätten, Interessenten anzuziehen.

Ebenso wie bei einer realen Messe können die Zielgruppen gut segmentiert werden. Und: Es kann eine hohe Dichte von Informationen und Interaktionen erreicht werden. Eine virtuelle Messe trägt außerdem zur Imagebildung als fortschrittlicher Arbeitgeber bei.

Dabei darf ein Nachteil nicht verschwiegen werden: Die potenziellen Bewerber bei einer virtuellen Messe können anonym bleiben. Während die Unternehmensvertreter namentlich auftreten und reale Informationen zum Unternehmen geben, können sich die Besucher unter einem Pseudonym anmelden. Da ist natürlich nicht auszuschließen, dass es sich nicht um ernsthafte Interessenten handelt oder sogar Mitarbeiter von Konkurrenzunternehmen die Gelegenheit nutzen, um wertvolle Informationen zu gewinnen. Doch mit diesen Risiken werden Unternehmen künftig leben müssen, wenn sie bei Bewerbern vorn liegen wollen.

Aufwand und Kosten

Der Aufwand für die Durchführung einer virtuellen Messe deckt sich in Teilen mit dem für die klassische Veranstaltung: Es müssen Zielgruppen identifiziert, geeignete Messen ausgewählt, der Auftritt konzipiert und Mitarbeiter als Kontaktpersonen benannt werden. Deutlich günstiger sind allerdings die Mieten, da die meisten Betreiber keine oder nur eine geringe Gebühr für die Nutzung der Plattform, also des Messegeländes, erheben. Zum Beispiel beträgt die monatliche Landmiete einer Insel auf der Online-Plattform Second Life gerade mal 300 US-Dollar, entsprechend günstig ist die Untermiete.

Die Erstellung des Messestands erfolgt durch Programmierung von Objekten wie Tischen oder Plakaten. Im einfachsten Fall können hier vordefinierte Objekte genutzt werden. Weitere Attraktionen eines Standes können, wie bei realen Messen auch, Give-Aways wie Online-Spiele oder digitale Zugaben wie Musik sein. Ist das Know-how zur Erstellung eines digitalen Messestandes im Unternehmen nicht vorhanden, kann es relativ einfach extern eingekauft werden.

Verbindungen schaffen

Für Unternehmen besteht eine wichtige Überlegung darin, mit welchen anderen Unternehmen die gemeinsame Durchführung einer Messe sinnvoll ist. Kriterien können die regionale Einheit oder die Branchenzugehörigkeit sein. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten die gleiche Zielgruppe adressieren möchten. Zwar stehen die Unternehmen dann bei einer gemeinsamen Messe in direktem Wettbewerb um die Interessenten. Das ist jedoch akzeptabel, wenn auf diese Weise die Schwelle überschritten werden kann, überhaupt von der Zielgruppe als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Noch sind virtuelle Messen nicht für alle Zielgruppen geeignet. Sollen Hochschulabsolventen gewonnen werden, ist dieses Medium günstig, da 94,3 Prozent der 20 bis 29-Jährigen aktive Internetnutzer sind, Ältere hingegen nutzen das Internet nur gelegentlich (ARD/ZDF Online Studie 2007). Auch Unternehmen der IT- oder IT-nahen Branchen können virtuelle Messen gut nutzen, um ihre Zielgruppen anzusprechen. Ein etablierter Ingenieur hingegen ist vermutlich in der nächsten Zeit noch nicht zuverlässig über das Internet zu erreichen.

Die Wahl der Unternehmen und die Zielgruppe beeinflussen die Wahl des Ortes. Diese Frage ist aufgrund der ortsungebundenen Teilnahme (die Interessenten können zu Hause an ihrem Rechner bleiben) zwar nicht ganz so entscheidend wie beim klassischen Personalmarketing, es spielt aber dennoch eine wichtige Rolle, wenn man im Vorfeld möglichst viele Interessenten auf die Messe aufmerksam machen will.

Weiterhin ist zu klären, wie sichergestellt wird, dass die Werbung für die Messe die Zielgruppe erreicht. Bei einer themen- oder branchenspezifischen Messe kann es sinnvoll sein, beispielsweise über XING (früher OpenBC, einem auf Geschäftskontaktpflege spezialisierten Anbieter) zu werben. Die Anzeige wird dann gezielt Mitgliedern, die dem definierten Profil entsprechen, auf deren Eingangsseite angezeigt. Ein ähnlicher Ansatz ist die Veröffentlichung der Messedaten in Blogs, die sich allgemein mit der Branche beschäftigen oder von vielen Interessierten verfolgt werden. Wird die Messe regional ausgerichtet, kann über regionale Treffpunkte innerhalb der bekannten virtuellen Welt Second Life geworben werden.

Technische Voraussetzungen

Wer eine virtuelle Messe veranstalten möchte, muss sich entscheiden, wie und auf welcher Internet-Plattform das Event organisiert werden soll. Eine mögliche Plattform, die einfach zu realisieren ist, bietet die Jobfair24. Für den Start bei Jobfair24 kann fehlende 3D-Software als Browser-Plugin direkt von der Jobfair24-Plattform geladen werden. Ein Browser-Check überprüft bei Bedarf die Funktionsfähigkeit des Unternehmensbrowsers für eine reibungslose Nutzung der Online-Messe. Außerdem steht eine Bedienungsanleitung zur Beantwortung erster Fragen zur Verfügung. Technische Unterstützung bei der Durchführung wird aber auch durch die Betreiberfirma gegeben.

Eine weitere Online-Plattform für virtuelle Bewerbermessen stellt Second Life, die mit über 11 Millionen registrierten Teilnehmern weltweit bedeutendste virtuelle Welt, dar. Die IBM Deutschland GmbH beispielsweise ist eines der ersten Unternehmen, das dieses Forum zum Zweck der Personalrekrutierung nutzt.

Im eigenen Recruitment-Center auf der IBM-Insel warten jeden Donnerstag ab 18 Uhr Recruiter des Unternehmens zum Gespräch auf Interessenten. Auch der Personaldienstleister Randstad betreibt bereits eine eigene Recruiting-Insel in Second Life. Relativ unkompliziert können Unternehmen eigene Inseln schaffen oder sie können sich in bereits bestehende Treffpunkte wie die Landesinsel Baden-Württemberg oder lokale Stadt-Treffpunkte wie Dortmund oder Stuttgart City in Second Life einklinken. Letzteres bietet sich an, wenn Unternehmen sich regional für eine gemeinsame attraktive Messe organisieren wollen.

Als weitere Alternative ist denkbar, dass Verbände, Industrie- und Handels- oder Handwerkskammern als Organisatoren auftreten. So ist zum Beispiel die Handelskammer Hamburg bereits in Second Life vertreten.

Entwicklung erst am Anfang

Die Möglichkeiten des Web 2.0 stehen erst am Anfang. Online-Plattformen wie Second Life ermöglichen bereits heute, relativ kostengünstig eine große Anzahl von Interessenten zu erreichen und mit ihnen individuell zu kommunizieren. Die weitere Entwicklung des Internets zu einem 3D-Internet wird die Möglichkeiten des virtuellen Personalmarketings nochmals stark erweitern und insbesondere die Zugangsschwellen zu diesen Formen weiter herabsetzen.

Quelle: PERSONAL – Heft 02/2008