Abschließend stellt sich noch die Frage der Darlegungs- und Beweislast. Was muss der Arbeitnehmer und was der Arbeitgeber vortragen, wenn es zu einem Verfahren zu Überstunden vor dem Arbeitsgericht kommt?
 
Es gilt Folgendes:

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Foto von Mimi Thian
  • Verlangt der Beschäftigte aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB eine Vergütung für Überstunden, hat er darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er seine Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei reicht es, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung bereitgehalten hat
  • Auf diesen Vortrag muss das Unternehmen im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Dazu hat es im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten es dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen dieser den Weisungen nicht nachgekommen ist (BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11).

Beispiel
 
Ein Kraftfahrer, dem der Arbeitgeber bestimmte Touren zuteilt, genügt seiner Darlegungslast bereits dadurch, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast muss nun das Unternehmen – unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG – substantiiert darlegen, an welchen Tagen der Mitarbeiter aus welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang, als von ihm behauptet, gearbeitet hat.
 
Fazit
 
Die arbeitsrechtliche “Baustelle” Überstundenabgeltung hat sich durch die neueste Rechtsprechung des BAG weitgehend geschlossen. Daraus ergeben sich gute Leitlinien für die Praxis: Bei einer unwirksamen Regelung bekommt nur noch derjenige Arbeitnehmer Überstunden bezahlt, der kein “Besserverdiener” ist und unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze verdient. Alle anderen erhalten grds. kein zusätzliches Entgelt für Überstunden. Das schafft Sicherheit für Unternehmen und Beschäftigte.

Für Unternehmen hat sich das Thema Überstundenabgeltung damit risikotechnisch entschärft. Durch entsprechende arbeitsvertragliche Klauseln lassen sich bestehende Risiken nunmehr rechtssicher von vornherein vermeiden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen, woran sie sind, und können sich hieran ausrichten.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht · 10/12

Bei Klauseln in Standard-Arbeitsverträgen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 1 BGB. Sie unterliegen voll der AGB-Prüfung durch die Arbeitsgerichte. Das gilt auch für Überstundenabgeltungsklauseln.

Bislang prüfte das BAG Klauseln zur Überstundenabgeltung anhand der Transparenzkontrollnorm nach § 307 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine arbeitsvertragliche Klausel muss danach hinreichend klar und verständlich formuliert sein. Das ist bei einer pauschalen Überstundenabgeltungsklausel nur der Fall, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Beschäftigte muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. “auf ihn zukommt” und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (BAG, Urt. v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, AuA 7/11, S. 439).

Wichtig
 
Diese Voraussetzungen erfüllen die genannten Standard-Klauseln nach der Rechtsprechung des BAG nicht. Sie regeln nicht klar, in welchem zeitlichen Umfang eine Arbeitsleistung erfasst sein soll. Dem Arbeitnehmer muss bewusst sein, welche Leistung maximal mit der vereinbarten Vergütung abgegolten ist. Eine “open end”-Klausel ist damit unwirksam und sollte nicht mehr verwendet werden.
 
Praxistipp
 
Haben die Parteien hingegen (mündlich) vereinbart, dass die ersten zwanzig Überstunden im Monat “mit drin” sind, ist diese Abrede ausreichend klar und verständlich. Aus der Formulierung “mit drin” ergibt sich unmissverständlich, dass mit der Monatsvergütung neben der Normalarbeitszeit bis zu zwanzig Überstunden abgegolten sind. Durch die hinreichend bestimmte Quantifizierung weiß der Arbeitnehmer, was auf ihn zukommt: Er muss für den vereinbarten Lohn ggf. bis zu zwanzig Überstunden monatlich ohne zusätzliche Vergütung leisten. Diese Abrede ist wirksam (BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11).

Das BAG führt zur Begründung dieser dynamischen – sich jedes Jahr ändernden – Grenze aus, dass der Gesetzgeber alljährlich zu erkennen gibt, welche Einkommen so aus dem in der Solidargemeinschaft aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten herausragen, dass damit keine weitere Rentensteigerung mehr zu rechtfertigen ist. Wer mit seinem Entgelt aus abhängiger Beschäftigung die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, gehört damit zu den Besserverdienern.

Diese sind aus der Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben – und nicht eines Stundensolls – zu beurteilen. Ihnen und ihren Arbeitgebern fehlt daher i. d. R. die objektive Vergütungserwartung für ein besonderes Entgelt als Gegenleistung für über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.

Die Frage, “wie” geleistete Überstunden abzugelten sind, muss man von der Frage trennen, “ob” diese überhaupt geleistet werden müssen. Dazu bedarf es einer Anordnungsregelung im Arbeitsvertrag, die es gestattet, eine Leistung über die fest vereinbarte Arbeitszeit hinaus einzufordern.
 
Muster: Klausel zur Überstundenanordnung
 
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden bis zu … Stunden/Monat zu leisten.
 
Praxistipp
 
Auch hier ist auf eine Höchstgrenze von 25 % – bezogen auf die vertragliche Arbeitsleistung – zu achten. Es empfiehlt sich, beide Stundenbegrenzungen einheitlich zu fassen.
 
Wichtig
 
Aber Achtung: Wenn das BAG die Anordnungsklausel nach AGB-Recht auch inhaltlich überprüft und zum Ergebnis kommt, dass sie wegen zu hoher Zahlenwerte nicht mehr angemessen ist, ist die ganze Klausel unwirksam. Das hat zur Folge, dass der Arbeitgeber dann auch keine Überstunden anordnen darf. Hier hilft dem Unternehmen keine Auffangnorm wie bei der Vergütung über § 612 BGB – gemäß dem Motto “Klausel unwirksam, trotzdem kein Geld” bei den Besserverdienenden. Daher ist im Zweifel – unter Berücksichtigung
 
– der Stellung des Arbeitnehmers,
– seines Gehalts und
– der vereinbarten Arbeitszeit
 
lieber ein zu geringer als ein zu hoher Zahlenwert einzusetzen. Als Richtschnur bietet sich wieder die Grenze von 10 % Überstunden – bezogen auf die vereinbarte Arbeitszeit – an. Diese können angeordnet werden und sind dann auch mit abgegolten. Beides ist im Arbeitsvertrag zu regeln.

Eine reine Überstundenabgeltungsklausel unterliegt nach Ansicht des BAG keiner weiter gehenden Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BGB. Danach unterfallen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nur, wenn durch sie Regelungen vereinbart werden, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Dazu gehören keine Klauseln, die nur den Umfang der Vertragsleistung festlegen.

Im Arbeitsverhältnis sind das vor allem die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt. Es ist nicht die Aufgabe der Arbeitsgerichte, nach §§ 305 ff. BGB den “gerechten Preis” zu ermitteln (vgl. BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11).
 
Wichtig
 
Offengelassen hat das BAG allerdings die praxisrelevante Frage, ob eine Klausel, die

– eine Pauschalvergütung von Überstunden
– mit einer Befugnis des Arbeitgebers zur Überstundenanordnung kombiniert, ggf. eine kontrollfähige Preisnebenabrede ist (so LAG Hamm, Urt. v. 11.7.2007 – 6 Sa 410/07).

Kommt man zum Ergebnis, dass eine Abgeltungsklausel intransparent und damit unwirksam ist, stellt sich die Frage, ob dann automatisch die angefallenen Überstunden zu bezahlen sind. Die Antwortet lautet: Es kommt darauf an. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit – oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus – zu vergüten ist, gibt es nicht. Ausgangspunkt für Vergütungsfragen, die nicht explizit geregelt sind, ist § 612 BGB als Auffangnorm. Danach gilt ein Entgelt als vereinbart, “wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist”. Nach § 612 Abs. 2 BGB ist im Zweifel eine “übliche Vergütung” vereinbart. Entscheidend ist die Vergütungserwartung. Diese muss man stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung
 
– der Verkehrssitte,
– der Art,
– des Umfangs und
– der Dauer der Dienstleistung sowie
– der Stellung der Beteiligten zueinander
 
feststellen. Gibt es im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen, spricht dies für eine vorhandene Vergütungserwartung.

Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer insgesamt “eine deutlich herausgehobene” Vergütung vereinbart, kann man regelmäßig davon ausgehen, dass keine objektive Vergütungserwartung für Überstunden besteht. Anders sieht es allerdings bei einer geringen Vergütung aus. Das BAG hat nun geklärt, wann die Grenze erreicht ist: Danach liegt eine deutlich herausgehobene Vergütung vor, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet (BAG, Urt. v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, AuA 9/12, S. 549).
 
Wichtig
 
Das bedeutet aktuell für 2012: Die Beitragsbemessungsgrenze beträgt für Westdeutschland 5.600 Euro und für Ostdeutschland 4.800 Euro. Wer diese Grenze überschreitet, bekommt regelmäßig – wenn nichts Abweichendes vereinbart ist – keine Überstundenvergütung.

Man muss also neuerdings drei Arbeitnehmergruppen auseinanderhalten:
 
Leitende Angestellte i. S. d. § 5 Abs. 3 BetrVG
 
Für diese Gruppe gilt das ArbZG nicht, § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG, vgl. zum Thema auch Uhl/Schäfer-Wallberg, AuA 10/12, S. 568 ff., in diesem Heft. Sie sind regelmäßig entsprechend gut bezahlt und es sind keine zeitlichen Beschränkungen und Höchstgrenzen zu beachten. Oftmals ist auch keine Arbeitszeit konkret geregelt. Der Leitende schuldet seine volle Arbeitskraft dem Unternehmen und ist zu allen erforderlichen Zeiten für das Unternehmen verfügbar.
 
Besserverdienende
 
Die Besserverdienenden sind “normale” Arbeitnehmer, die über der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung verdienen. Für sie gilt das ArbZG in vollem Umfang. Bei dieser Mitarbeitergruppe haben Arbeitgeber aber einen Rettungsanker, wenn die Überstundenabgeltungsklausel der gerichtlichen Überprüfung nicht standhält: Über § 612 BGB sind Zahlungsansprüche des Besserverdieners regelmäßig ausgeschlossen.
 
Arbeitnehmer unter der Beitragsbemessungsgrenze
 
Beschäftigte, die weniger als die Beitragsbemessungsgrenze verdienen, erhalten Überstundenentgelt, wenn dies entweder nicht anders geregelt ist oder eine Abgeltung unwirksam im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Daher können sie eine entsprechende Vergütung auch einklagen.
 
Beispiel
 
Ein Mitarbeiter übt zwei Tätigkeiten beim Arbeitgeber aus; hiervon ist eine arbeitszeitbezogen (Büroleiter mit fester Arbeitszeit und einem Festgehalt i. H. v. 3.000 Euro/Monat) und eine arbeitszeitunabhängig (er durfte während der festen Arbeitszeit Provisionen für Geschäftsabschlüsse im Vertrieb von Versicherungsprodukten dazuverdienen). Ohne Hinzutreten von besonderen Umständen kann man davon ausgehen, dass nach § 612 BGB keine Vergütungserwartung für Überstunden vorliegt (BAG, Urt. v. 21.9.2011 – 5 AZR 629/10).

Regelmäßig wird angenommen, dass eine Begrenzung der Überstunden, die mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten sind, auf bis zu 10 % – bezogen auf die vertragliche Arbeitszeit – angemessen ist (vgl. ErfK/Preis, 12. Aufl., §§ 305 – 310 BGB Rdnr. 92). Die Begrenzung kann bei herausgehobenen Gehältern auch bis zu 25 % der vereinbarten Arbeitszeit betragen (Kock, DB 2012, S. 1328).
 
Praxistipp
 
Nach Ansicht des LAG Hamm (Urt. v. 22.5.2012 – 19 Sa 1720/11) ist eine Regelung jedenfalls zulässig, die bei einer Regelarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche zehn Überstunden pro Monat als pauschal abgegolten ansieht.
 
Muster: Vereinbarung zur Überstundenabgeltung
 
Alle Über- und Mehrarbeitsstunden bis zu … Stunden im Monat, die unter Berücksichtigung der Höchstgrenzen des Arbeitszeitgesetzes erbracht werden, sind mit dem Gehalt gem. Ziffer … dieses Arbeitsvertrags abgegolten. Etwaige darüber hinausgehende Über- und Mehrarbeitsstunden werden nach Wahl des Arbeitgebers durch Freizeit oder in Geld ausgeglichen.

Von Überstunden oder Überarbeit spricht man regelmäßig, wenn Mitarbeiter vorübergehend die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschreiten. Mehrarbeit bezeichnet die Zeit, die über die gesetzlich normalerweise zulässige Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich (§ 3 ArbZG) hinausgeht. Oftmals findet sich in Standard-Arbeitsverträgen eine Klausel sinngemäß wie folgt: “Mit dem Gehalt gem. Ziffer … sind alle Überstunden des Arbeitnehmers abgegolten.”

Leistet der Beschäftigte dann Überstunden und will hierfür eine Vergütung vom Unternehmen, verweist dieses i. d. R. auf die arbeitsvertragliche Regelung und lehnt eine Bezahlung – ebenso wie einen alternativ begehrten Freizeitausgleich – ab. Zu Recht?