Die globale Wirtschaftskrise hat vor allem in der Industrie zu einem scharfen Einbruch der Wirtschaftsleistung geführt. Selbst wenn man das von der Rezession weitgehend verschonte Baugewerbe mit hinzunimmt und somit das gesamte Produzierende Gewerbe betrachtet, ergibt sich ein Rückgang der Wertschöpfung um 15 Prozent, wenn man das Jahr 2009 mit dem Jahr 2008 vergleicht. Der Arbeitsmarkt zeigte sich dagegen erstaunlich robust: Die Arbeitslosigkeit stieg kaum an und auch im Produzierenden Gewerbe sank die Beschäftigtenzahl nur um zwei Prozent. Um das Arbeitsvolumen wenigstens etwas an die eingebrochene Nachfrage anzupassen wurde die Arbeitszeit stark verkürzt: Durch Überstundenabbau, massiv ausgeweitete Kurzarbeit, den Abbau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten und durch andere Maßnahmen sank die Arbeitszeit je Mitarbeiter um sechs Prozent.

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Foto von Oli Dale

Zieht man dies in Betracht, ist auch der Rückgang der Arbeitskosten je Vollzeitkraft von 2,1 Prozent im westdeutschen und von 0,8 Prozent im ostdeutschen Produzierenden Gewerbe keineswegs als Kostenentlastung zu werten. Denn auf die Stunde gerechnet sind die Arbeitskosten in Deutschland um über vier Prozent gestiegen. Überdies gilt: Selbst wenn die Arbeitskosten je Stunde konstant geblieben wären, hätten sich die Lohnstückkosten um rund zehn Prozent erhöht. Denn da der Rückgang des Arbeitsvolumens den Einbruch der Wirtschaftsleistung bei Weitem nicht kompensieren konnte, sank auch die Produktivität je Stunde deutlich.

Berechnungskonzept und Methodik

Für das einzelne Unternehmen ist es wichtig zu wissen, wie sich Höhe und Struktur seiner Arbeitskosten von der Konkurrenz unterscheiden und mit welchen Arbeitskosten ein konkreter Auftrag zu kalkulieren ist. Daher unterteilt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) die Arbeitskosten zunächst in das auch Direktentgelt genannte Entgelt für geleistete Arbeitszeit (einschließlich leistungs- und erfolgsabhängiger Sonderzahlungen) und die Personalzusatzkosten. Letztere lassen sich in vier Blöcke unterteilen: Entgelt für arbeitsfreie Tage, Sonderzahlungen, Aufwendungen für Vorsorgeeinrichtungen und sonstige Personalzusatzkosten. Die beiden erstgenannten Positionen sind Bestandteile des Jahresverdienstes.

Ausgewiesen werden diese Kosten in Prozent des Bruttojahresverdienstes. Dies ist vorteilhaft, weil viele Kostenkomponenten auf diese Größe Bezug nehmen (etwa die gesetzlichen Beiträge zur Sozialversicherung). Die Berechnung der nachrichtlich angegebenen Zusatzkostenquote (Quotient aus Zusatzkosten und Direktentgelt) hat vor allem eine kalkulatorische Zielsetzung: Sie lässt sich als Zuschlagssatz auf den Stundenlohn verwenden, um die gesamten Arbeitskosten für eine tatsächlich geleistete Arbeitsstunde zu ermitteln. Zu beachten ist allerdings, dass die leistungs- und erfolgsabhängigen Sonderzahlungen in der hier dargestellten Abgrenzung bereits im Direktentgelt enthalten sind, weil sie nicht als Sozialleistungen interpretiert werden können und inhaltlich eng mit dem Entgelt für geleistete Arbeitszeit zusammenhängen. Beträgt der Stundenlohn in einer Branche beispielsweise 20 Euro, belaufen sich die gesamten Arbeitskosten bei einer Zusatzkostenquote von 70 Prozent auf 34 Euro.

Eine interessante Zusatzinformation liefert der Ausweis des Anteils der Arbeitskosten, der durch gesetzliche Bestimmungen festgelegt wird. Dieser Teil ist zwischen den Vertragsparteien, also den Unternehmen und seinen Beschäftigten, nicht verhandelbar und schränkt so ihre Vertragsfreiheit ein. Im Jahr 2009 waren 25,1 Prozent der Kosten im westdeutschen und 27,0 Prozent der Kosten im ostdeutschen Produzierenden Gewerbe gesetzlich veranlasst. Hierzu gehören der gesetzliche Mindesturlaub, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Vergütung an Feiertagen, die Arbeitgeberpflichtbeiträge zur Sozialversicherung und sonstige gesetzlich bedingte Aufwendungen (wie Insolvenzgeldumlage oder Ausgaben für den Mutterschutz). Zudem können die Arbeitnehmer wegen hoher Steuern und Sozialabgaben über einen großen Teil ihres Bruttoeinkommens nicht frei verfügen.

Die Berechnungen des IW Köln zur Entwicklung und Struktur der Arbeitskosten schreiben die amtliche Arbeitskostenerhebung fort, die das Statistische Bundesamt alle vier Jahre durchführt – zuletzt ausgewertet für das Jahr 2004. Für die Aktualisierung werden eine Reihe zumeist ebenfalls amtlicher Hilfsstatistiken genutzt. Um Kalendereinflüsse auszuschalten, wird mit einer konstanten Zahl von Feiertagen, die auf einen Arbeitstag fallen, gerechnet.

Strukturverschiebungen durch die Wirtschaftskrise

Die gesamten Arbeitskosten beliefen sich in Westdeutschland im Jahr 2009 auf 54.890 Euro. Sie waren damit 1.200 Euro niedriger als im Vorjahr. Dieser Rückgang relativiert sich durch die erhebliche Arbeitszeitreduzierung und stellt somit keine wirkliche Entlastung für die Unternehmen dar.

Gleichzeitig haben die Personalzusatzkosten deutlich an Gewicht gewonnen. Dies liegt vor allem an den Remanenzkosten bei Kurzarbeit: Die Vergütung von Urlaubs- und Feiertagen richtet sich nach dem normalen Wochenpensum und wird daher bei Kurzarbeit relativ betrachtet teurer. Da sich zudem der Krankenstand leicht erhöhte, ist der Anteil des Entgelts für arbeitsfreie Zeit bezogen auf den Jahresverdient von 16,7 auf 17,3 Prozent emporgeklettert. Auch der Aufschlagssatz für die Sozialversicherung hat sich durch die Kurzarbeit erhöht. Denn auch für die ausgefallene Arbeitszeit werden die Unternehmen zur Kasse gebeten. Da aber der größte Teil zurücküberwiesen wird (aktuell vollständig bei lang andauernder Kurzarbeit oder bei Weiterbildung) ist der Effekt unter dem Strich gering. (Abb.)

Unmittelbar wirkt sich die Krise bei der betrieblichen Altersversorgung und bei den sonstigen Arbeitskosten aus: Die gestiegene Zahl von Insolvenzen hat die Beiträge für den Pensionssicherungsverein in die Höhe schießen lassen, und da mehr Beschäftigte arbeitslos wurden, schlugen auch die Entlassungsentschädigungen stärker zu Buche. (Tab.)

Ostdeutscher Kostenvorteil bleibt

In den östlichen Bundesländern fiel der Rückgang der Arbeitskosten mit 0,8 Prozent etwas schwächer aus als im Westen. Dies erklärt sich dadurch, dass das Produzierende Gewerbe in Ostdeutschland von der Wirtschaftskrise nicht so stark getroffen wurde. Denn vor allem das Baugewerbe, das in den östlichen Bundesländern ein weit höheres Gewicht hat als in Westdeutschland, kam bisher fast unbeschadet durch die Rezession. Dennoch liegen die Arbeitskosten im Osten mit 36.830 Euro nach wie vor um rund ein Drittel niedriger als im Westen. Der hohe Kostenvorteil für Ostdeutschland ergibt sich aus dem produktivitätsbedingt niedrigeren Verdienstniveau und der geringeren Bedeutung von Sonderzahlungen und betrieblicher Altersvorsorge. Die Personalzusatzkostenquote ist aus ähnlichen Gründen wie in den westlichen Bundesländern von 2008 auf 2009 um einen Prozentpunkt gestiegen.

Das IW Köln berechnet die Arbeitskosten nicht nur für die Industrie, sondern auch – nach gleicher Methodik – für ausgewählte Dienstleistungsbereiche. Die Ergebnisse zeigen eine breite Spanne zwischen den betrachteten Branchen. So lagen die Arbeitskosten des Jahres 2009 im Versicherungs- und Kreditgewerbe mit über 70.000 Euro je vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer deutlich höher als im Produzierenden Gewerbe (52.660 Euro). Dessen Kostenniveau wird mit 35.910 Euro im Einzelhandel klar unterschritten und liegt im Großhandel mit 51.240 Euro ähnlich hoch. Ebenso stark streute die Personalzusatzkostenquote: Im Versicherungs- und Kreditgewerbe lag sie bei knapp 80 Prozent, während sie in den beiden Handelssparten wegen der dort geringeren Bedeutung von Sonderzahlungen und betrieblicher Altersvorsorge nur jeweils knapp 63 Prozent betrug.

Im Jahr 2009 kam es im Dienstleistungsbereich meist zu schwächeren Strukturverschiebungen als im Produzierenden Gewerbe, da die Kurzarbeit keine große Rolle spielte. Ein Sonderfall ist das Kreditgewerbe: Die Sonderzahlungen nahmen hier so stark ab, dass die Jahresverdienste und die Arbeitskosten insgesamt zurückgingen, obwohl die Grundgehälter um über zwei Prozent stiegen.

Ausblick auf 2010

Für das Jahr 2010 stehen seitens der Sozialversicherungsbeiträge keine Änderungen gegenüber dem 2. Halbjahr 2009 an. Im Jahresdurchschnitt ergibt sich gegenüber dem Jahr 2009 dennoch ein leichter Rückgang, denn die Beiträge zur Krankenversicherung wurden erst zur Jahresmitte 2009 um 0,6 Prozentpunkte abgesenkt, waren also im 1. Halbjahr 2009 noch entsprechend höher. Im Jahresmittel werden die GKV-Beiträge damit 2010 um 0,3 Prozentpunkte unter dem Niveau von 2009 liegen. Insbesondere im Produzierenden Gewerbe wird der weitere Kostenverlauf stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängen: Zwar waren die bisherigen Tarifabschlüsse moderat, dennoch könnten die Arbeitskosten je Vollzeitkraft merklich steigen, wenn beispielsweise durch den Abbau der Kurzarbeit die bezahlte Arbeitszeit wieder spürbar länger wird. Die Personalzusatzkostenquote würde dann – wegen der wegfallenden Remanenzkosten – wieder leicht sinken.

Internet-Tipp

  • Statistisches Bundesamt: Fachserie 16: Löhne und Gehälter. Arbeitskostenerhebung 2004, Hefte 1 bis 3. Arbeitskosten im Produzierenden Gewerbe und ausgewählten Dienstleistungsbereichen. Die Statistikbände sind kostenlos herunterladbar. www-ec.destatis.de/csp/shop
  • Christoph Schröder: Die Struktur der Arbeitskosten in der deutschen Wirtschaft. IW-Trends, Vierteljahreszeitschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Jahrgang 37, Heft 2/2010. Der Aufsatz ist kostenlos herunterladbar. www.iwkoeln.de

Quelle: PERSONAL – Heft 07-08/2010