Web 2.0 im Unternehmen.

person holding pencil and stick note beside table
Foto von Marten Bjork

Theorie und Praxis.

Frank Roebers/Manfred Leisenberg:

Computerwoche (Hg.), München 2010,

290 Seiten, 39,80 Euro.

Mehr zum Thema Enterprise 2.0 mit Frank Roebers unter http://blog.synaxon.de/

und unter http://www.scope09.de

Ein Mitarbeiter ist der Ansicht, sein Freizeichnungslimit soll fünf Millionen Euro betragen. Er geht mit diesem Ansinnen nicht etwa zu seinem Vorgesetzten, sondern ändert seine Stellenbeschreibung und die Regeländerung gilt sofort. Das geht, weil diese Stellenbeschreibung sich nicht in einer nur für wenige zugänglichen Personalakte befindet, sondern im Wiki des Unternehmens abgelegt ist und von allen Kollegen jederzeit bearbeitet werden kann.

Frank Roebers, im Hauptberuf CEO der Bielefelder Synaxon AG, benutzt dieses Beispiel um zu schildern, wieso ihn viele Kollegen für wahnsinnig gehalten haben, als er zusammen mit seinen Vorstandskollegen beschloss, ein Unternehmens-Wiki einzuführen. Mindestens 90 Prozent des Wissens, welches vorher allein Führungskräften des Unternehmens, zur Verfügung stand, sollte darin allen Mitarbeitern zugänglich sein. Statt auf geschützten Servern sollten sie künftig nahezu alle Dokumente im Unternehmens-Wiki sehen, lesen und, von der Regeländerung bis zum einfachen Eintrag, bearbeiten können.

Roebers schildert, wie Regeln verbessert werden, weil daran nicht nur Führungskräfte arbeiten, sondern auch die Mitarbeiter, die in erster Linie davon betroffen sind. Das reicht von der Regel für privates Surfen, das mit Einschränkungen jetzt erlaubt ist, bis hin zur monatlichen Abrechnung, deren Prozessbeschreibung von einer Auszubildenden verbessert wurde. Selbst Sitzungen des Vorstands werden im Wiki vorbereitet und live protokolliert. „Die meisten Punkte sind bereits abgehakt, wenn die Sitzung beginnt“, sagt Roebers, der die Umstellung der Organisation im Jahr 2006 initiiert hat und bis heute begleitet. Nicht alle Erwartungen wurden erfüllt, gibt der studierte Jurist offen zu. Dennoch überwiegen die positiven Veränderungen bei weitem: Von der Unternehmenskultur über die Motivation der Mitarbeiter und deren Fluktuation bis hin zur Effizienz gilt der Umstieg zum Enterprise 2.0 als erfolgreich.

Das Buch von Frank Roebers, der in diesem Jahr bereits mit dem „Award of Excellence“ des Club 55 ausgezeichnet wurde, und Manfred Leisenberg, Professor für Wirtschaftsinformatik an der privaten Fachhochschule des Mittelstands in Bielefeld, schildert in einem Grundlagen-Teil die Voraussetzungen dafür, heute ein Unternehmen mit Wikis führen zu können. Im praktischen Teil, in dem neben dem Beispiel der Synaxon AG auch die Erfahrungen der Frosta AG mit Corporate Blogs sowie der Westaflex GmbH mit Social Networks geschildert werden, geht es um die technische Umsetzung und den Kulturwandel, der durch die neuen Werkzeuge des Web 2.0 aus Unternehmen ein Enterprise 2.0 macht.

Fazit: Der Bericht von Frank Roebers ist erstaunlich offen und ehrlich. Dabei macht der Autor durchaus klar, dass bestimmte Voraussetzungen notwendig sind, um ein Unternehmen mit Wikis zu führen und dass das Beispiel der Synaxon AG nicht für jedes Unternehmen taugt. Wer keine trockene Fachlektüre sucht, sondern ein Buch, dass sich gut lesen lässt und gleichzeitig viele praktische und theoretische Informationen bietet, ist damit bestens bedient.