Der Grundgedanke des Assessments in der Personalauswahl entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts in England, wurden von den Deutschen Anfang des 20. Jahrhunderts adaptiert, insbesondere auch im Militär, und fand seinen Weg auch in die Schweiz. Unter anderem wurden Offiziere der Schweizer Armee Assessments unterzogen. Die Verfahren bestanden aus diversen Übungen und Aufgaben, die die Anforderungen der zu besetzenden Position möglichst genau widerspiegeln sollten. Anwärter wurden dadurch objektiv, also unabhängig von Herkunft, Rasse und politischer Einstellung bewertet. Ähnlich die Situation in Deutschland, bis Hitler dem ein Ende machte. Die Objektivität des Verfahrens widersprach der totalitären Auffassung der nationalsozialistischen Blut- und Boden-Ideologie. In einem Netzwerk aus Günstlingen, Schacherern und Filz hatten Assessments keine Zukunft. Ihre Instrumentalisierung im Auftrage regimehafter Weltanschauungen ist bis heute unmöglich. Wer sie anwendet, setzt mehr Diversity um; ein Thema der modernen Zeit und Hoffnungsträger von Unternehmen, die nach Lösungen zur Fachkräftesicherung suchen.

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Foto von Evangeline Shaw

Typisch für ein Assessment sind drei Gütekriterien: Erstens Objektivität. Zweitens Reliabilität; sie garantiert, dass Ergebnisse nahezu frei von Zufallsfehlern sind. Drittens ist es aufgrund der Validität von Assessments möglich, die Wahrscheinlichkeit eines beruflichen Erfolges aufgrund bestimmter Parameter zu bestimmen.

Aufgrund dieser Kriterien werden Assessments durch den demografische Wandel und die zunehmende Internationalisierung auch des Mittelstandes nicht redundant. Im Gegenteil, die historische Entwicklung dürfte ihnen Auftrieb geben: Die Zahl der Bewerber, die sich am Papier bewerben und von den Unternehmen ohne viel Aufwand zum Vorstellungsgespräch eingeladen und vom Fleck engagiert werden können, sinkt – eine Binsenweisheit. Wo ein starker Zoom des Suchfokus keine gewünschten Perspektiven zeigt, liegt die Lösung im Auszoomen, also Verbreitern über Grenzen der eigenen klassischen Recruiting-Parameter, der Branche, Kultur oder Nation hinweg. Assessments weisen den Weg durch unbekanntes Terrain, denn es geht nicht darum, Leute von der Stange zu suchen. Kompetenzen der Kandidaten müssen erhoben und mit den eigenen Kompetenzmodellen abgeglichen werden. Zunehmend werden Menschen an Bord der Unternehmen kommen, welche zwar bestimmte Voraussetzungen erfüllen, aber noch beweisen müssen, dass sie etwas lernen und es umsetzen können.

Dabei wird es herausfordernd werden, angesichts einer breiten geografischen Recruitingbasis aus einer Vielzahl von Bewerbern eine enge Auswahl zu treffen. Bewerber wollen ein schnelles Feedback. Erste Online-Assessments können den Ansprüchen aller Beteiligten gerecht werden. Allerdings bringt die Online-Dimension Handlungsbedarf mit sich, weil zum Beispiel eine gewisse Verfälschungssicherheit sichergestellt werden muss.

Denkanstoß: Wie diskriminierend sind eigentlich Vorstellungsgespräche? Aus teilweise wenig stichhaltigen Gründen werden Kandidaten eingestellt (Sympathie / Harmlosigkeit in Konkurrenz und Bestimmtheit, etc.), wichtige Jobkompetenzen werden nicht erhoben oder es fehlt an Zeit für ein vertiefendes Gespräch. Vorstellungsgesprächen sollten Assessments weichen, ab einer gewissen verantwortungsvollen Position oder Rolle einer Position innerhalb einer Organisation.

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DER AUTOR: Sie wollen Andreas Lohff persönlich erleben und zum Thema mitdiskutieren? Auf der Personal Swiss (Messe Zürich – 9./10.April 2013) spricht er über Mitarbeiter zeitgemäß gewinnen und auswählen.

 

 

Fotocredit: Katharina Scherer / www.pixelio.de