person looking at silver-colored analog watch
Foto von Andrea Natali

Woran liegt es, dass Inhalte gleich sein können und trotzdem empfinden wir ihren Unterschied dabei, sobald er uns von verschiedenen Personen mitgeteilt wird (z.B. Politiker, Hilfskraft, Experte, Bürger, Kind, Vater etc.). Nach Paul Watzlawick liegt das daran, dass in der Kommunikation nie nur der reine Inhaltsaspekt, also die reine sachliche Information, weitergegeben wird. Auch vermeintlich stringent rational denkende Menschen können selbst beim besten Willen die menschlichen Anteile ihrer Botschaften nicht eliminieren. „Sachlich“ ist in der Kommunikation eine Tendenz, kein faktischer Zustand. Alles andere wäre – fachlich beurteilt – Unsinn, Propaganda und Illusion.

Sobald menschliche Kommunikation stattfindet, vermittelt die mitteilende Person ihrem Gegenüber automatisch mit, in welcher Beziehung sie zu diesem steht oder wie sie denkt, zu diesem zu stehen. Im Klartext: Mit jedem Wort, jeder Gestik, Mimik, mit der Körperhaltung drücken Sie – lieber Leser – Ihre Beziehung zum anderen Menschen aus. An dieser Stelle kommt nun die alles entscheidende Übersetzung Ihrer Botschaft: Ihre Darstellung der Beziehung lässt Ihren Kommunikationspartner entscheiden, ob er die angebotenen Inhalte annimmt oder nicht. Und nun verstehen Sie vielleicht besser, warum es zumindest wichtig ist, bewusst in den Dialog zu gehen.

Bewusst ist übrigens ein mächtiges Container-Wort. Vielleicht kennen Sie das Schlagwort „20% zu 80%“. Zur Erinnerung: Es gilt als gesicherte Erkenntnis, dass 20% der Kommunikation zwischen Menschen bewusst stattfindet, während ihr Unbewusstes zu 80% den Dialog beherrscht. In diesen besagten 20% steckt der Inhalt, der vom Empfänger der Botschaft aufgenommen wird. Inhalt bedeutet: Zahlen, Daten und Fakten. Was nimmt der Empfänger mit den anderen 80% auf? Es sind Beziehungsinformationen. Der Empfänger interpretiert, …

– was ich offenbar von ihm halte,
– was er mir bedeutet,
– wie wichtig er mir ist, etc.


Wussten Sie übrigens, dass der große Didaktiker Schulz von Thun dieses Wechselspiel von Inhalt und Beziehung im Prinzip noch erweitert hat und das Vier-Seiten-Modell einer Nachricht daraus entwickelte? Er fügt dem Inhalts- und Beziehungsaspekt nämlich noch die Selbstoffenbarung und den Appell hinzu.

Mit diesem Hintergrund ist es jetzt vielleicht leichter zu verstehen, warum auch Konflikte nicht geklärt werden können, wenn die Beziehungsebene einfach nicht stimmt. Die Inhalte können noch so klar und einleuchtend sein, wenn irgendetwas zwischenmenschlich nicht passt, bekommt der Gesprächspartner das mit und eine Kommunikation über die Sache wird erschwert bis unmöglich.

Dazu ein kleines Experiment:


Stellen Sie sich vor, ein Vorgesetzter erklärt seinem Mitarbeiter, dass er eine Lohnerhöhung bekommt, obwohl er eigentlich der Meinung ist, dieser hätte sie nicht verdient. Beim Mitarbeiter kommt das gesprochene Wort an, aber auch das ungute Gefühl der Führungskraft. Er wird spüren oder vielleicht auch erkennen, dass der Vorgesetzte ihm gegenüber nicht kongruent agiert und daraus kann sich ggf. ein Konflikt entwickeln. Jetzt ist die Sache an sich – eine Lohnerhöhung! Wie toll! – dieses schöne Ereignis überschattet und verstärkt eventuell sogar den Konflikt, wenn nicht offen darüber gesprochen wird und die Beziehung zwischen beiden Parteien geklärt wird.

Mein Tipp: Beobachten Sie doch einmal an sich selbst im Kontakt mit ausgewählten Leuten, in welcher Beziehung Sie zu diesen stehen und was Ihnen vom Gegenüber darüber kommuniziert wird. Vielleicht geht Ihnen ein Licht auf.

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© Jorma Bork | www.pixelio.de (1)