In diesem Teil unserer Artikelserie zum Personalcontrolling zeigen wir Ihnen, wie ein leistungsfähiges Personalcontrolling HR dabei unterstützen kann, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu meistern. Zwar machen sich die Veränderungen in einigen Regionen und Branchen schneller bemerkbar als in anderen; die grundsätzliche Entwicklung ist jedoch in Österreich wie in vielen anderen europäischen Ländern gleich: Die Zahl der möglichen Nachwuchskräfte sinkt, während das durchschnittliche Alter der Beschäftigten steigt. Personalisten wissen, dass dies nur eine sehr vereinfachte Darstellung ist, hinter der sich eine ganze Reihe  von personalwirtschaftlichen Problemstellungen verbirgt.

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Foto von Zaiqiao Ye

Viele Unternehmen haben ihr HR-Management bereits – bewusst oder unbewusst – darauf ausgerichtet. Ob sie dabei erfolgreich sind und ob weitere Schritte sinnvoll wären, bleibt jedoch oft unbekannt, denn nur selten erfolgt ein gezieltes Erfolgscontrolling.

Sensibilisierung steht am Anfang

Die meisten Personalverantwortlichen sind inzwischen für das Thema sensibilisiert. Denn entweder empfinden sie bereits ganz konkret die Auswirkungen des demografischen Wandels oder sie sind durch die ausführliche Diskussion in Literatur, Presse und Fachkreisen darauf aufmerksam geworden. Dennoch ist es Aufgabe der Personalcontroller, den Finger in die Wunde zu legen und genau aufzuzeigen, wie sich gesamtwirtschaftliche Entwicklungen in der betrieblichen Realität niederschlagen werden. Durch diese wertvollen Informationen versetzen sie das HR-Management in die Lage, Wege zu entwickeln, um die Herausforderungen zu meistern. Ob diese erfolgreich sind, muss das Personalcontrolling wiederum überprüfen.

Die ersten Hinweise auf künftige Veränderungen in den Beschäftigtenstrukturen liefern öffentliche Statistiken wie zum Beispiel Bevölkerungsvorausberechnungen und Erwerbsprognosen, die gesamtwirtschaftliche Entwicklungen aufzeigen. Werden sie nicht weiter detailliert, lassen sie jedoch falsche Schlüsse zu, da sich innerhalb eines Landes durchaus unterschiedliche Entwicklungen ergeben können, die durch die Zusammenfassung in einer Gesamtstatistik unerkannt bleiben. So wird laut Statistik Austria die Zahl der Erwerbstätigen in Österreich zwischen 2014 und 2021 um circa 141.000 steigen. Aus diesen Zahlen lässt sich kein Fachkräftemangel ablesen. Sichtbar werden die Probleme erst, wenn wir Strukturen bilden und Teilgruppen untersuchen. Besonders regionale Unterschiede fallen ins Auge. Sie sind für standortfeste Betriebe von hoher Bedeutung. Im oben genannten Zeitraum wird Wien 84.000 Menschen mehr beschäftigen können, während in Kärnten die Zahl der Erwerbspersonen um 7.000 zurückgeht. Bei näherem Hinsehen ist zudem ein Wandel in der Altersstruktur erkennbar. Die Zahl der Arbeitnehmer über 50 steigt in Österreich von 971.000 auf mehr als 1,1 Millionen. Schnell wird deutlich, dass hier erheblicher Grund zur Achtsamkeit besteht. Ohne betriebsinterne Analysen werden die Personalverantwortlichen jedoch die Handlungsfelder im eigenen Unternehmen nicht erkennen. Das Personalcontrolling muss daher die Personaldaten genau analysieren. In den vorigen Kapiteln dieser Artikelserie haben Sie bereits erfahren, dass für ein Personalcontrolling ein auswertbarer Bestand an vollständigen, aktuellen und korrekten Daten vorhanden sein muss. Mit den in Ihrem Unternehmen eingesetzten Programmen zur Datenanalyse (dies können Business-Intelligence- Systeme ebenso sein wie handelsübliche Office-Software) nehmen Sie die Analysen vor.

Das Ermitteln einer Altersstruktur und des Durchschnittsalters gehört zum Standardrepertoire des Personalberichtswesens. Diese Auswertungen bilden eine Grundlage, reichen jedoch nicht aus, um die nötigen Handlungshinweise zu geben. Für diese – wie für viele weitere Kennzahlen – gilt, dass wir sie auf die im Unternehmen relevanten Strukturgrößen herunterbrechen müssen, um Informationen zu erhalten. Untergliedern Sie Ihre Auswertungen also beispielsweise nach Tätigkeitsgruppen, Qualifikationen oder nach Standorten. 

Wo Handlungsbedarf besteht, erkennen Sie, wenn Sie Fragen wie diese beantworten:

Wie hoch ist der zukünftige Ersatzpersonalbedarf aufgrund altersbedingter Austritte?

Welches Know-how wird durch diese Austritte verloren gehen?

In welchen Bereichen sind die Arbeitsplätze altersgerecht umzugestalten? 


Will sich der Personalcontroller nicht nur auf das Auswerten der Daten beschränken, sondern dem Management auch als Berater zur Verfügung stehen, sind detaillierte Kenntnisse über die Arbeitsorganisation und deren Inhalte erforderlich. So kann der alters- oder gesundheitsbedingte Austritt in einigen Bereichen früher erfolgen als in anderen (zum Beispiel in Bereichen mit höherer körperlicher Belastung). Know-how ist in bestimmten Bereichen stärker personengebunden als in anderen, in denen eventuell alles Wissenswerte 
dokumentiert ist. 

Fortschreibungen von Altersstrukturen in Folgejahre müssen Erkenntnisse aus der Vergangenheit berücksichtigen, gleichzeitig aber Entwicklungen, wie zum Beispiel ein verändertes Regelpensionsalter, im Auge behalten. Nur so ergeben sich realistische Vorausberechnungen über die Beschäftigtensituation in einem Prognosezeitraum von fünf oder gar zehn Jahren.

Beobachtung des Gesundheitsstatus

In vielen Unternehmen ist ein betriebliches Gesundheitsmanagement etabliert. Es kümmert sich um die Erstversorgung von im Betrieb Erkrankten, organisiert die Gesundheitsförderung und berät bei der ergonomischen Gestaltung von Arbeitsplätzen. Dem Personalcontrolling stehen die Daten des Gesundheitsmanagements in der Regel nicht zur Verfügung, da hier strenge Anforderungen an den Datenschutz gelten. Trotzdem kann es gelingen, diese wertvolle Datenbasis zu nutzen, indem Unternehmen anonymisierte Gesundheitsdaten mit denen des Personalmanagements verknüpfen. So können Sie beispielsweise ermitteln, ob bestimmte Angebote der Gesundheitsförderung die Mitarbeitergruppen erreichen, bei denen gemäß Krankenstatistik ein Handlungsbedarf zu vermuten ist. Andersherum können Sie dem Gesundheitsmanagement durch die Auswertung von Personaldaten helfen, passgenaue Angebote zu schaffen. Das Personalmanagement verfügt durch die Abwesenheitsstatistiken über wertvolle Informationen, ohne jedoch inhaltlich Auskunft geben zu können. Aber schon die Unterscheidung zwischen der Anzahl von Krankheitsfällen und deren Dauer sowie der herkömmlichen Krankenquote liefert Hinweise auf mögliche Ursachen, insbesondere, wenn HR nach Altersgruppen differenziert.

Die in der Statistik veröffentlichten Krankenstände sind für betriebliche Vergleiche nur eingeschränkt verwendbar, da diese nur die ärztlich bescheinigten Krankheitsfälle enthalten. Bleibt ein Arbeitnehmer ohne Krankenstandsbestätigung zu Hause, fließt dies in die Statistiken der Krankenkassen oder der Statistikbehörden nicht ein. Gleichwohl dürften die Tendenzen, die hier ausgewiesen werden, die gleichen sein, die Sie auch betrieblich beobachten können. Jüngere Mitarbeiter sind häufiger krank als ältere, die durchschnittliche Krankheitsdauer pro Fall nimmt jedoch mit dem Alter zu (Abbildung 1).

Die richtigen Mitarbeiter finden

Personalverantwortliche stehen in den kommenden Jahren vor der Herausforderung, geeignete Mitarbeiter auf einem tendenziell enger werdenden Fachkräftemarkt zu rekrutieren. Das gesamte Recruiting muss daher qualitativ hochwertig sein. Hier zeigt sich ein zweiter Schwerpunkt des Personalcontrollings. Nicht die Analyse von Mitarbeiterdaten steht hier im Vordergrund, sondern das Controlling von Prozessen hinsichtlich Qualität, Schnelligkeit und Effizienz. Wie detailliert dies erfolgen kann, hängt wesentlich davon ab, wie IT-gestützt die Rekrutierung und der Einstellungsvorgang erfolgt.


In einem elektronischen 
Bewerbermanagement fallen viele Daten an, die wertvolle Informationen über die Prozesseffizienz geben. Wie lange dauern die einzelnen Schritte des Bewerbungsverfahrens? Wie lang sind die Antwortzeiten der Personalabteilung? Wie hoch ist der Anteil an Sofortabsagen nach Bewerbungseingang? Hochinteressant ist auch die Verknüpfung des Bewerbersystems mit den Personaldaten des erfolgreichen Bewerbers. Das (teure) Phänomen der Frühfluktuation lässt sich im Detail untersuchen. Welche Muster im Bewerbungsverfahren weisen Kandidaten auf, die zwar das Verfahren erfolgreich durchlaufen, deren Betriebszugehörigkeit jedoch innerhalb weniger Monate wieder endet? Hier finden sich erste praktische Verwendungsmöglichkeiten für sogenannte „Big-Data-Analysen“, die wir im sechsten Teil dieser Artikelserie noch näher beleuchten werden.

Es geht im Wesentlichen darum, nichts dem Zufall zu überlassen. Im Vordergrund steht nicht die Kontrolle, sondern das Evaluieren von Prozessqualität, um aufzuzeigen, wie sich Prozesse noch besser gestalten lassen. Auf dem Markt, auf dem viele Unternehmen um die gleichen Mitarbeiter werben, entsteht so ein Wettbewerbsvorteil. Die Analysemöglichkeiten sind immens und – wie gesagt – stark abhängig von der Durchdringung der Prozesse mit IT.

Folgende Analysen und Kennziffern können Ihnen einen Einstieg in diese Datenwelt verschaffen:

 Wie lang ist die Zeit zwischen Bewerbungseingang und erster Reaktion der Personalisten (ohne automatisierte Eingangsbestätigungen)?

 Wie hoch ist der Anteil von Bewerbern, denen sofort abgesagt wird, ohne dass sie in das Auswahlverfahren gelangen?

 Wie lang ist die durchschnittliche Zeit einer Stellenbesetzung von der Ausschreibung bis zum Dienstantritt des neuen Mitarbeiters (Time to hire)?

Welcher Ausschreibungskanal liefert prozentual die meisten erfolgreichen (!) Bewerber?

Wie hoch ist der Anteil der Austritte innerhalb der Probezeit (differenziert nach arbeitnehmer- und arbeitgeberseitig veranlassten Austritten)?

Diese Daten, gegebenenfalls strukturiert nach Unternehmensbereichen oder Standorten und verglichen im zeitlichen Verlauf, liefern wertvolle Hinweise für die Qualität Ihrer Personalarbeit im Recruiting-Bereich.

Beispiel: In einem mehrstufigen Auswahlverfahren scheiden nach jedem Auswahlschritt Bewerber aus dem Verfahren aus. Ein Vergleich der verschiedenen Bewerbungskanäle liefert wertvolle Aufschlüsse darüber, ob ein Kanal prozentual mehr geeignete (!) Bewerber anzieht als ein anderer. Liefert ein Ausschreibungskanal zwar viele Bewerber, die aber nach dem ersten Auswahlschritt bereits aus dem Besetzungsverfahren ausscheiden, ist dieser Kanal nur vordergründig erfolgreich. Nicht die absolute Zahl der Bewerber, sondern der Anteil der geeigneten Kandidaten ist für die Bewertung des Kanals relevant. Besonders wenn die Bewerbungen und damit auch die Bewerberkorrespondenzen manuell bearbeitet werden (z. B. bei traditionellen, papiergebundenen Bewerbungen nach Anzeigen in Printmedien) ist der Aufwand für Absagen hoch. Bei elektronischen Bewerberportalen ist ein höherer Anteil an Sofortabsagen (insbesondere nach maschinellen Auswahlverfahren) nicht ganz so relevant. 

Abbildung 2 zeigt exemplarisch, wie unterschiedlich die Bewerber je nach Eingangskanal das Auswahlverfahren durchlaufen, ohne auf die absolute Zahl der Bewerbungen zu fokussieren. Entscheidend ist allein der prozentuale Anteil.

Das Recruiting ist ein gutes Beispiel dafür, dass Prozessdigitalisierung nicht nur aus Effizienzgründen, sondern auch unter Steuerungsaspekten künftig unumgänglich ist. Ein manuelles Bewerbungs- und Auswahlverfahren ermöglicht die oben beschriebenen Analysen nicht. Umso mehr erstaunt es, dass laut dem Recruiting Report 2017 des HRM Research Institutes nur die Hälfte der befragte österreichischen Unternehmen Bewerbermanagementsysteme einsetzen und 30 Prozent dies auch für die Zukunft nicht planen.

Die demografische Entwicklung lässt sich nicht mit einigen wenigen Kennzahlen beschreiben oder gar beherrschen. Es kommt vielmehr darauf an, alle Instrumente der Personalarbeit auf sich verändernde Altersstrukturen, aufwendige Nachwuchsgewinnung und anspruchsvollere Arbeitnehmer auszurichten. Das Personalcontrolling kann dabei eine wertvolle Unterstützung leisten. Der Hauptnutzen liegt jedoch darin, die demografisch bedingten Erscheinungen, die an vielen verschiedenen Stellen sichtbar werden, zusammenzufassen und daraus ein Gesamtbild zu schaffen, das der Personal- und Unternehmensleitung Orientierung und Hilfestellung gibt. Ein Management- Dashboard, wie wir es in der Juli/ August-Ausgabe dieser Zeitschrift beschreiben werden, fasst alle wichtigen Informationen über Zuständigkeitsgrenzen hinweg zusammen.

Literaturtipp

 

Personalkennzahlen – Vom Zahlenfriedhof zum Management-Dashboard.
VonFred Schübbe. 2. Aufl., Books on Demand2016.


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Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 2 März/ April 2017.