Die kulturelle Eingewöhnung ist ein Bereich, in dem Handlungsbedarf identifiziert wurde. In einer Vielzahl von Studien seit den neunziger Jahren wurde immer wieder gezeigt, dass die Verunsicherung durch andere kulturelle Sitten und Gebräuche im Gastland ein bedeutender Faktor für das Scheitern von Auslandsentsendungen ist.

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Foto von Tim van der Kuip

Entsendungsvorbereitungen in Form von Seminaren sind auf wenige Tage begrenzt, also eher ein „Event“. Die Einstellung auf eine neue Lebensumgebung ist jedoch ein Prozess, nicht in wenigen Tagen vollzogen werden kann.

 

Eine Maßnahme vor der realen Entsendung ist zudem per definitionem der realen Situation enthoben und in diesem Sinne eine Laborsituation. Sie kann wirkliches Erleben nur simulieren und ist keine reale Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten vor Ort, seien es Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner, Lieferanten oder Nachbarn. Das Vermögen der Trainingskurse, vor der Ankunft im realen Alltag im Gastland zum wirklichen Einleben zu verhelfen ist sehr begrenzt. Vorbereitung ist wichtig, aber sie reicht nicht aus, um eine gelungene Integration zu gewährleisten.

 

Entsendungstrainings können für die Entsandten der Beginn einer Auseinandersetzung mit dem Gastland sein. Sie können wichtige Weichen stellen für das Ankommen und die Integration. Wie aufgezeigt, können sie aber auch Weichen in die falsche Richtung stellen. Im Gastland und am neuen Arbeitsplatz angekommen beginnt das reale Ankommen, die innere und äußere Kontaktaufnahme mit der neuen Umgebung, das Dechiffrieren unbekannter Strukturen und Funktionsweisen. Für entsendende Unternehmen kann dies der Beginn der Begleitung während des gesamten Zyklus des Auslandseinsatzes sein, indem die Entsandten jeweils in den verschiedenen Phasen situations- und bedarfsgerecht unterstützt werden.

 

Neben der Fürsorge für die kulturelle Integration sollte die Begleitung mehr als nur die kulturelle Perspektive enthalten, denn mit der Internationalisierung begibt sich jedes Unternehmen auf eine neue Stufe von Komplexität. Die Anforderungen, die sich für Unternehmen an einem Auslandsstandort stellen, vervielfachen sich. Die äußere Komplexität spiegelt sich in einer gesteigerten inneren Komplexität. Die Lernprozesse, die Auslandsmanager vollziehen, sind zugleich auch wichtige Lernprozesse des Unternehmens. Eine Investition in die Begleitung der Auslandsmanager ist damit auch eine Investition in die Unternehmensentwicklung.

Insbesondere vorbereitende interkulturelle Trainings, die sich auf kulturelle „do’s and don’t’s“ fokussieren, können jedoch auch Gefahr laufen, lediglich standardisierte Reaktionen zu vermitteln. Diese Gefahr besteht vor allem, wenn ein zu sehr verengtes und stereotypes Bild des Gastlandes gezeichnet, und etwa der Eindruck erweckt wird, dass sich alle Brasilianer, Schweden oder Thailänder immer in einer bestimmten Weise verhalten. Die zeitliche Begrenzung der Vorbereitungstrainings bringt es mit sich, dass kulturelle Variationen sowohl soziologischer als auch regionaler Art zu kurz kommen können.

 

Zudem führt der zentrale Fokus auf Unterschiede dazu, dass Kulturen als „voneinander abgegrenzte Container“ [1] wahrgenommen werden. Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten geraten aus dem Blick und es werden eventuell Grenzen aufgebaut, wo es eher graduelle Unterschiede gibt. Im Extremfall resultiert dies im Gastland zu einer stärkeren Distanzierung, statt zu einer Annäherung und Öffnung.

 

Länderspezifische Entsendungsvorbereitungen müssen auf jeden Fall ergänzt werden mit kultureller Sensibilisierung, damit die zukünftigen Auslandsmanager und ihre Familien ein Gefühl für die eigenen kulturellen Prägungen erlangen. Themen sind hier z.B. die kulturelle Determiniertheit der Wahrnehmung, die Funktion von Vorurteilen und Stereotypen, oder die unterschiedlichen Ebenen von Kultur.

Unternehmen haben auf diese Erkenntnis mit der Durchführung von ‚Interkulturellen Trainings’ vor der Entsendung reagiert. Heute gehören sie für große Unternehmen mehr oder minder zum Standard-Programm – zumindest für die Entsendeten selbst, zum großen Teil aber auch für die mitreisenden Familienangehörigen. Mittelständler allerdings, insbesondere jene, die in den Anfangsphasen der Internationalisierung stehen, greifen noch sehr viel seltener zu dieser Maßnahme.

 

Vorbereitungstrainings können den Betroffenen eine kognitive Annäherung an die Herausforderungen, die auf sie zukommen, ermöglichen. Dazu wird länderspezifisches Wissen über das Gastland vermittelt und über kulturelle Unterschiede (zu Deutschland) auf den verschiedenen Ebenen des gesellschaftlichen und sozialen Miteinanders (Kulturdimensionen/ Kulturstandards) informiert. Länderspezifische Trainings sollen z.B. Informationen über die kulturellen Werte des Gastlandes vermitteln, Praxis-Tipps geben zum Umgang mit Geschäftspartnern, mit Mitarbeitern oder mit Kollegen, über Feiertage oder religiöse Festlichkeiten informieren, oder typische Wertekonflikte thematisieren.

 

Sie sind eine wichtige „Einstimmung“ und erfüllen vor allen Dingen ein wichtiges Bedürfnis vor dem Schritt in ein neues Land: sich damit zu beschäftigen und möglichst viele Informationen darüber zu erhalten, wie das neue Land „tickt“ und wie ein Leben darin aussehen könnte. Das gibt den Ausreisenden ein Gefühl Sicherheit oder zumindest verminderter Unsicherheit. So helfen Vorbereitungstrainings den Betroffenen, sich in den richtigen inneren „Modus“ zu versetzen.

[1] Jürgen Bolten, Unschärfen und Mehrwertigkeiten: „Interkulturelle Kompetenz“ vor dem Hintergrund eines offenen Kulturbegriffs in: U.Hoessler / W.Dreyer (Hg.): Perspektiven interkultureller Kompetenz, Göttingen, 2011