Bislang gibt es keine allgemein wissenschaftlich anerkannte Definition von Hochsensibiliät, da die Forschung zu diesem Thema noch ganz am Anfang steht. Daher erhebt Autor Luca Rohleder mit seinem Buch „Die Berufung für Hochsensible“ auch nicht den Anspruch, ein wissenschaftlich fundiertes Werk vorzulegen. Rohleder, der seit 20 Jahren als Berater tätig ist, schreibt aus der Sicht des Betroffenen. Er bezeichnet sich selbst als hochsensibel und weiß daher um die Schwierigkeiten, die hochsensible Menschen bei der Suche nach der eigenen Berufung haben. 

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Foto von Daniel Fazio

In seinem Buch berücksichtigt er auch spirituelle Aspekte, weil genau diese offensichtlich eine große Rolle bei Hochsensiblen spielen. Letztere spüren meist, dass in ihnen viele Talente schlummern und gleichzeitig befürchten sie, mit den neuen Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt nicht Schritt halten zu können. Meist suchen sie lange nach dem richtigen Platz in der Berufswelt.

Frei nach Martin Luther folgt jeder äußere Beruf eines Menschen einer inneren Berufung. Um hochsensible Menschen bei der Suche nach der eigenen Berufung zu unterstützen, hat Rohleder ein psychologisches Modell entwickelt. Dieses geht davon aus, dass das Ego einer hochsensiblen Person aus dem NEUGEBORENEN, dem HÖHEREN und dem ERWACHSENEN ICH besteht.

Das NEUGEBORENE ICH ist laut Rohleder noch der Lebensphase vor, während und kurz nach der Geburt verhaftet und steht für die grundsätzlichen Bedürfnisse eines Babys.  Diese Wesen brauchen lediglich Schutz, Wärme Nahrung und jemanden, der sich liebevoll um sie kümmert. Ausschließlich die Tatsache, anstelle eines gewöhnlichen INNEREN KINDES (wie bei nicht hochsensiblen Menschen) ein überempfindliches NEUGEBORENEN ICH in sich zu tragen, ist die elementare Voraussetzung für die Entstehung der Hochsensibilität und gleichzeitig auch der alles entscheidende Faktor für ihre Berufung.  Sie sind noch eng mit dem großen Ganzen verbunden und haben praktisch einen direkten Draht zu einer höheren Informationsquelle. Der zweite Teil ihres Egos besteht aus dem HÖHEREN ICH, das einem übersinnlichen Persönlichkeitsanteil  entspricht. Weil noch alle Urinstinkte vollständig erhalten geblieben sind, ist es die unsichtbare Welt, die ihnen Schutz und Lebensführung zukommen lassen könnte.  Der dritte Teil ihrer Persönlichkeit entspricht dem Intellekt oder dem Verstand. Das ERWACHSENE ICH besteht aus den Prinzipien Erkennen, Verarbeiten und Handeln. Wenn Menschen von ihrem ICH sprechen, meinen sie in der Regel das ERWACHSENE ICH.

Im zweiten Kapitel beschreibt der Autor einige Wesensmerkmale von Hochsensiblen. Die drei Hauptthemen lauten HÖHERES WISSEN (was stimmig ist oder nicht, dazu gehört  Harmonieverständnis, Gewissenhaftigkeit und Gerechtigkeit), UNABHÄNGIGKEIT (Freiheit, Eigenverantwortlichkeit, Leistungsdenken und Führungsanspruch) und SCHÖPFUNGSKRAFT (Intuition, Kreativität und Erfindungsgeist). 

Das dritte Kapitel widmet sich dem Thema LOSLASSEN, wobei Loslassen nichts anderes bedeutet, als unnötige Gedankenprozesse im Gehirn zu minieren und sich zu erden. Um ihrer Berufung näher zu kommen, müssen Hochsensible laut Rohleder im Vorfeld für ein hohes Maß an Sicherheit und Angstfreiheit sorgen. Denn erst wenn das NEUGEBORENE ICH zur Ruhe kommt, zufrieden ist und positive Gefühle aufsteigen lässt, kann das HÖHERE ICH wirken.  Dabei sind folgende Aspekte besonders wichtig: Schlaf und Nahrung, Außenreize, gesellschaftliche Normen, Wohlstand, Einkommen, Selbstbezogenheit, Selbstdarstellung und Belastungen.

Das vierte Kapitel beschreibt Kriterien, die dafür sorgen, dass Hochsensible Spaß an der Arbeit erleben. Sie fühlen sich beispielsweise wohl, wenn sie das Leben von anderen Menschen verbessern oder verschönern können. Sie möchten etwas Eigenes entwickeln, auf das sie stolz sein können. Sie wollen mit ihrer Arbeit zahlreiche unterschiedliche Menschen ansprechen, um täglich neue emotionale Reaktionen zu erleben.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage „Wie finde ich die Berufung?“ und teilt die HÖHERE Therapie zur Erlangung von Urvertrauen in fünf Phasen ein: die vergeistigte, die überlastete, die lebensverneinende, die erwachende und die erlösende Phase.

In der vergeistigten Phase kommt es zur Überbetonung des ERWACHSENEN ICHS und der Verstand ist das Maß der Dinge. In der überlasteten Phase wird die Lebensenergie hauptsächlich damit verbraucht, den aktuellen Stand zu halten und das Leben zu kontrollieren. Der Höhepunkt der Überempfindlichkeit ist erreicht. Die lebensverneinende Phase erleben glücklicherweise einige Hochsensible. In dieser Phase ist die Lebenslust abhandengekommen und das Gefühl der Lebensmüdigkeit taucht auf. In der erwachenden Phase beginnen Hochsensible ihr Wesen zu mögen, sich und andere besser zu verstehen und gesellschaftliche Normen zu brechen und großartige Entwicklungssprünge werden möglich. Das HÖHERE ICH hat seine Arbeit aufgenommen. Wenn Hochsensible nun aufmerksamer und achtsamer sind, stoßen sie auf ihre Berufung. In der erlösenden Phase ist die Verbindung zwischen Verstand und Gefühl hergestellt, der Platz in der Berufswelt gefunden worden und die quälende Suche ist vorbei.

Das Buch ist logisch aufgebaut, sehr gut strukturiert, leicht lesbar, gut verständlich und ein wunderbarer, spannender Reisebegleiter. Es eröffnet neue Perspektiven und ist jedem zu empfehlen, der mehr Leichtigkeit, Freude, Sinn und Erfüllung in sein Leben bringen möchte. Es dient auch einem besseren Verständnis für Personalverantwortliche, die das Potenzial von Menschen zur Entfaltung bringen möchten.

Webtipp

www.neuesbewusstsein.at