So weit die Theorie.
Und nun zur Praxis: Oft stellen sich Lernerfolge nicht so recht ein, und das eigentliche Potential von Online-Lernen wird nicht freigesetzt. Woran liegt das?

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Foto von Blake Wisz

Ein Grund sind sicherlich falsche Ansätze und Vorstellungen über das Online-Lernen. Die Lernergebnisse von Personen, die am PC allein auf sich gestellt ein Web Based Training (WBT) bearbeiten, fallen sehr bescheiden aus. Denn genau dieses WBT-Bearbeiten ist nicht die ganze Kunst des Online-Lernens.

Ein zweiter Grund betrifft die Vorbereitung von Mitarbeitern auf das Online-Lernen: sie ist häufig unzureichend. Aber auch Unternehmen selbst stellen sich zu wenig auf diese Lernmethode ein. Für sie ist diese eine Fortsetzung des klassischen Unterrichts unter Verwendung neuer Technologien. Und so sitzt der Mitarbeiter dann vor seinem PC und konsumiert Online-Lernen, ohne den wirklichen Nutzen für sich und sein Unternehmen herauszuziehen. Selbstlernkompetenz einerseits, aber vor allem auch die Kompetenz zur Kommunikation und Zusammenarbeit in virtuellen Lernteams unter Einsatz unterschiedlichste Medien sind wichtige Schlüssel zum erfolgreichen Online-Lernen.

Was können Personalleiter, Personalentwickler oder Weiterbildungsverantwortlicher also tun, um Online-Lernen erfolgreich zu einzusetzen? Hier ein paar Tipps zu verschiedenen Aspekten des Themas: 

1. Online-Lernen: Definition und Didaktik

Definieren Sie, was in Ihrem Unternehmen unter Online-Lernen zu verstehen ist. Reduzieren Sie diese Definition nicht auf WBTs. Online-Lernen umfasst auch didaktische Konzepte, die diese Lernform erst voll zur Entfaltung kommen lassen. Hierzu einige Beispiele, die das Potential von Onine-Lernen darstellen.

Mediale Kommunikation mit Mitlernenden

Lernen wirft immer Fragen und Kommunikationsbedürfnisse auf. Das kennen wir schon von Schule, Universität und Präsenzseminaren her. Im Gegensatz dazu sind wir im klassischen Fernunterricht mehr oder weniger auf uns allein gestellt, was ein Nachteil dieser Lernform ist. Mit dem Online-Lernen lassen sich diese Welten zusammenführen, z.B. durch die Kommunikation in Diskussionsforen, in virtuellen Klassenräumen, in Chats oder mit anderen Medien. Entwickeln Sie also didaktische Konzepte, die diesen medialen Austausch unter den Teilnehmern fördern.

Informelles Lernen mit vorhandenen Materialien aus dem Internet

Im Internet findet man inzwischen alles, auch informelle Lernquellen. Warum also diese Quellen nicht anzapfen? Entwickeln Sie didaktische Konzepte, bei denen ausgewählte Internetquellen in die Lernmaterialien bzw. in den Lernprozess eingebunden werden.

Kollaboratives Lernen durch Erfahrungsaustausch über eine Lernplattform

Jeder Ihrer Mitarbeiter hat seinen eigenen Erfahrungsschatz. Erarbeiten Sie didaktische Konzepte, durch die dieser Erfahrungsschatz in den Lernprozess einfließt. Dies kann unter anderem durch Fallaufgaben, Simulation, Rollenspiele, etc. geschehen. Klingt sehr nach Präsenzlernen und hat dort sicherlich auch seine Wurzeln. Hüten Sie sich aber davor, Materialien aus dem Präsenzlernen 1:1 in den virtuellen Online-Lernraum zu übertragen. Es ist entscheidend für den Erfolg, dass Lerninhalte, Lernformen und Lernmethoden an die Online-Situation angepasst werden.

Gemeinsames Lösen von Aufgaben mittels neuer Lernmedien

Moderne didaktische Lernkonzepte berücksichtigen auch die Möglichkeit, nicht nur an theoretischen Aufgaben, sondern auch anhand ganz konkreter Problemstellungen aus dem Arbeitsbereiche der Online-Lernenden heraus zu lernen. Durch eine geschickte Verflechtung von Themen aus dem Arbeitsbereich und Lerninhalten erwerben die Online-Lernenden nicht nur neue Kompetenzen, sondern vertiefen diese Kompetenzen sofort, indem sie sie in der Praxis anwenden. Gut gemachte Lernangebote können hier sowohl den Lernerfolg maximieren als auch messbare Ergebnisse produzieren. Damit wird Online-Lernen zum Geschäftsmodell.

Lernen in virtuellen Lernteams

Kollaboratives Lernen und das Lösen gemeinsamer Aufgaben funktioniert am Besten im virtuellen Lernteam. Stellen Sie an den Beginn eines derartigen Online-Lernangebots immer auch eine kurze Phase der virtuellen Teambildung. Die Erfahrung zeigt, dass gerade in virtuellen Lernteams ein hohes Maß an Kreativität und Innovationskraft liegt. Gleichzeitig erwerben Ihre Mitarbeiter die immer wichtiger werdende Kompetenz, auch im Arbeitskontext erfolgreich in virtuellen Teams, z.B. Projektteams, zu arbeiten – mit positiven Auswirkungen auf die Zusammenarbeit im geschäftlichen Alltag.  

Individuelles Lernen an konkreten Aufgaben aus dem eigenen Arbeitsbereich unter Nutzung der Online-Möglichkeiten

Auch wenn sich der größte Lernerfolg des Online-Lernens durch die Bildung virtueller Lernteams ergibt, ist diese nicht immer möglich, sei es, dass sich kein Lernteam findet, sei es, dass ein Mitarbeiter die neuen Kompetenzen jetzt sofort benötigt oder dass er ganz spezielle Kompetenzen braucht, die speziell auf ihn zugeschnitten sind. Auch hier sollten Sie sicherstellen, dass der Online-Lernende bereits im Lernprozess Ankerpunkte zu seinem Arbeitsbereich hat und die Lerninhalte sehr rasch auf konkrete Aufgaben aus seinem Arbeitsbereich übertragen kann. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter beim Lernen nie ganz alleine. 

Verbindung mit anderen Lernmedien wie z.B. den klassischen Printmedien

Es hat sich gezeigt, dass bei allen Online-Angeboten die klassischen Printmedien nach wie vor einen wichtigen Stellenwert im Lernprozess einnehmen, und sei es nur, dass Sie den Lernenden individuell durch sein Online-Programm steuern. Didaktisch gut gemachte Printmedien ersetzen partiell den Trainer, indem Sie den Online-Lernenden zum aktiven Lernen und zum Reflektieren motivieren. Printmedien können dabei eine sehr effiziente Klammer sein, die die multimedialen Lernmöglichkeiten zu einer Einheit verschmelzen.

Eine Lernform, die viele der oben angesprochenen didaktischen Konzepte auf sehr strukturierte Art und Weise verbindet, ist der WebQuest. Die aus dem klassischen Schulbereich kommende Methode wurde inzwischen für den Geschäftsbereich und das Online-Lernen fit gemacht und zeigt sehr gute Ergebnisse. Die Lernenden bearbeiten im virtuellen Lernteam eine ganz konkrete Aufgabe, die auch aus ihrem Arbeitsumfeld stammen kann, lernen dabei mit unterschiedlichen Quellen und hier vor allem auch mit informellen Quellen aus dem Internet, erarbeiten dabei ein messbares Lernergebnis durch Lösen der Aufgabe und reflektieren mit Hilfe eines Online-Tutors permanent ihre Lernerfolge. Am Ende steht eine Präsentation, in der die Aufgabenlösung vorgestellt und der persönliche Lernerfolg präsentiert wird. So verbinden sich Lernen und Arbeiten zu einem integrierten Prozess.

Wie schon bemerkt, liegt der Nutzen von Online-Lernen in effizienten Lernprozessen und einem raschen Transfer des Erlernten in die Praxis.
Das aber stellt sich nur ein, wenn Sie ein paar Maßnahmen ergreifen:

Definieren Sie die allgemeinen Lernziele des Online-Lernens in Ihrem Unternehmen. Was wollen Sie mit dieser Lernmethode erreichen? Wie können Sie eine Kultur des Online-Lernens etablieren, um den maximalen Nutzen zu erzielen?

Legen Sie die geschäftlichen Ziele fest, die Sie durch Online-Lernen in Ihrem Unternehmen erreichen wollen. Online-Lernen kann Lernen und Arbeiten so integrieren, dass ein messbarer Nutzen für das Unternehmen entsteht.

Etablieren Sie Online-Lernen so, dass es die Geschäftsziele nachhaltig unterstützt. Nachhaltigkeit meint, dass Online-Lernen im Gegensatz zu Kurz-Präsenzseminaren Mitarbeitern die Möglichkeit bietet, sich immer wieder mit einem Lernstoff zu beschäftigen und dabei auch Begleitung zu erfahren; sei es durch Kollegen oder Online-Tutoren. So ändern sie ihr Verhalten, denn nur wer sein Verhalten ändert, hat auch gelernt.

Entwickeln Sie, wie oben dargestellt, didaktische Konzepte zum Online-Lernen. Diese können von der Ergänzung vorhandener Präsenzseminare durch Online-Lernen (Workinar-Methode) über WebQuests bis hin zu komplexen virtuellen Action-Learning-Programmen reichen.

2. Mitarbeiter umsichtig einführen

Online-Lernen in seiner schlechtesten Form bedeutet, Mitarbeiter „abzuschieben“, nach dem Motto: „Jetzt müssen wir uns nicht mehr kümmern.“ Im schlimmsten Fall sieht das Ganze nach einem Billig-Lernmodell aus, und kommt beim Mitarbeiter so an, als verdiene er etwas Besseres nicht; was bedeutet, dass er das Online-Lernen abwertet und sich nicht voll darauf einlässt.

Beachten Sie daher folgendes:

Etablieren Sie Online-Lernen als strategische Lernmethode in Ihrem Unternehmen. Für die Mitarbeiter muss Online-Lernen mindestens den gleichen Stellenwert und das gleiche Entwicklungspotential haben wie Präsenzseminare.

Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter die technische und die methodische Kompetenz haben, um erfolgreich Online zu lernen. Bei der Technik lässt sich das einfach lösen: erstens muss das Lernprogramm auch für weniger IT-gewöhnte Menschen verständlich sein; also kein Schnick-Schnack. Zweitens sollten Sie in kurzen Sequenzen den gewinnbringenden Gebrauch der Software einschulen – selbstverständlich online. Das umfasst übrigens zum Beispiel auch Verhaltensregeln: Wie verhalte ich mich in einem virtuellen Klassenraum, wie gehe ich mit Kommentaren in einem Forum um?

Einführende Dokumente zur Vorbereitung auf das Selbstlernen sind im klassischen Fernunterricht schon lange üblich. Diese bewährte Maßnahme sollte auf jeden Fall auf das Online-Lernen übertragen werden.

Etablieren Sie Maßnahmen und Methoden des Bildungscontrollings für Online-Lernen. So können Sie einerseits sicherstellen, dass Ihre Bildungsinvestitionen gut angelegt sind, andererseits signalisieren Sie den Mitarbeitern den Stellenwert des Online-Lernens.