Wegen Überfüllung geschlossen ist die Kölner Firma „Shopcontrol“ von Marcus Reiner nicht gerade. Lediglich fünf Mitarbeiter sitzen in dem großzügigen Erdgeschoss-Loft im Stadtteil Nippes. Trotzdem muss der geschäftsführende Gesellschafter richtig große Teams führen. 40 bis 50 freie Mitarbeiter arbeiten gleichzeitig an verschiedenen Projekten für die Mystery-Shopping-Firma, die im Auftrag von Unternehmen mit anonymen Probekäufern deren Leistungen testet und so Anregungen zur Serviceoptimierung gibt: Projektmanager, Tester, Zulieferer, Programmierer, Grafikdesigner und Steuerberater. Die fünf Mitarbeiter vor Ort leiten die einzelnen Testkauf-Projekte der verschiedenen Auftraggeber. Über eine webbasierte Software werten sie die von den freien Mitarbeitern eingestellten Testergebnisse aus, führen, motivieren und kontrollieren ihre Mannschaft, die von Projekt zu Projekt variiert. Nicht nur sie sind vor neue Herausforderungen gestellt, auch ihr Chef. „Ich bin weg von der Einstellung ,Ich kann alles selber’“, sagt der 36- jährige Unternehmer. „Geschäftsführer sollten sich auf das konzentrieren, was sie können, nämlich Geschäfte führen. Für alles andere habe ich mir ein Netzwerk aus Spezialisten aufgebaut.“

two people shaking hands
Foto von Cytonn Photography

Immer mehr flexible Teams

 

Reiner macht es vor: neues Team – neues Denken. Viele Unternehmer sehen sich zunehmend einer völlig neuen Situation gegenüber. Anstatt in abgegrenzten Zuständigkeiten zu arbeiten, formieren sich immer neue Mannschaften. Durch Personalabbau, Outsourcing, Projektarbeit, strategische Allianzen, Fusionen oder Sparmaßnahmen arbeiten vermehrt Leute in Teams zusammen, die früher wenig miteinander zu tun hatten: feste und freie Mitarbeiter, alte Hasen und Frischlinge, Abteilungsinterne und Abteilungsfremde.

Und die gilt es mit den richtigen Spielregeln zu führen. Nicht länger kann sich der Unternehmer auf eingespielte Arbeitsgruppen verlassen. Vielmehr heißt es heute, von Projekt zu Projekt die geeignetsten Leute herauszusuchen, als Mannschaft zu formieren und zu steuern. Dazu ist es notwendig, sich von starren Hierarchien zu lösen. Der Firmenchef kann nicht mehr darauf vertrauen, dass ein und derselbe Abteilungsleiter alle anstehenden Projekte führt. Heute muss er dafür sorgen, dass verschiedene Teamleader mit ihren individuellen Kompetenzen möglichst passgenau für die einzelnen Projekte ausgesucht und eingesetzt werden. Aufgabe des Chefs ist es, diesen Teamleitern den Rücken zu stärken und sie für die neuen Aufgaben zu schulen.

Diese zusätzliche Arbeit dürfte sich in der Zukunft auszahlen. Der Grund: „Flexible Teams werden auch künftig weiter zunehmen“, prophezeit Professor Martin Welge vom Lehrstuhl für Unternehmensführung der Universität Dortmund. „Traditionelle Strukturen werden durch netzwerkartige Muster ergänzt.“ Im Klartext: Zusätzlich zu den Vorgesetzten, die einer klar abgegrenzten Gruppe von Untergebenen vorstehen, kommen immer mehr Teamleader, die für ein oder mehrere Projekte Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen und Couleur unter einen Hut bringen müssen.

Durchsetzungsvermögen gefordert

 

Diese Herausforderung kennt Bernhard Rosenberger. Der Inhaber der Personalberatung Rosenberger Human Resources in Wiesbaden stand vor einer besonderen Herausforderung. Als Personalchef eines Technologieunternehmens musste er nach einer Fusion 30 Mitarbeiter aus zwei verschiedenen Firmenkulturen zu einem neuen Team verschweißen. „Das große Einmaleins der eleganten Führung gilt in einer solchen Situation nicht“, sagt der Personalexperte. „Im Gegensatz zu eingespielten Teams ist mehr Autorität und Durchsetzungsvermögen gefordert.“

Denn neue Teams müssen sich erst einmal finden: „Bei eingespielten Teams kennen sich die Mitglieder gut“, erklärt Daniel F. Pinnow, Leiter der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg. „Das schafft Sicherheit und Orientierung.“ Die müsse bei flexiblen Mannschaften immer wieder neu aufgebaut werden. Daher setzte Personalchef Rosenberger auf eine gute Team-Verständigung. Er steckte jeweils diejenigen Angestellten in ein Projektteam, die vorher wenig oder keinen Kontakt miteinander hatten. „Damit wollte ich sicherstellen, dass die Mitarbeiter eine persönliche Basis zueinander finden konnten“, so der ehemalige Kopf von Human Resources.

Vorgesetzte als Coach

 

Rosenberger bewies Geschick. „Doch viele Führungskräfte sind nicht darauf vorbereitet. Sie sind eher gewohnt, in traditionellen Strukturen zu führen“, konstatiert Wissenschaftler Welge. Außerdem gebe es nicht ausreichend Schulungen, um die Chefs auf ihre neuen Aufgaben gut vorzubereiten. Eine schlechte Basis für die anstehenden Führungsaufgaben, wie Management-Experten wissen. „Die Führung flexibel zusammengestellter Teams ist anspruchsvoller, weil der Teamleiter nicht unbedingt auch der disziplinarische Vorgesetzte ist“, sagt Edmund Mastiaux, Chef des Bonner Zentrums für Management- und Personalberatung (ZfM). „Die Leiter solcher Teams können nicht die Chefkeule schwingen.“

Firmenphilosophie vermitteln

 

Professor Martin Welge bringt es auf den Punkt: „Vorgesetzte müssen verstärkt eine Coachingrolle übernehmen.“ Wichtig sei, eine Mannschaft stets aufs Neue zu formen, zu überzeugen, zu motivieren und zu kontrollieren. Shopcontrol-Lenker Reiner empfiehlt, bei der Auswahl freier Mitarbeiter nicht nur an das anstehende Projekt zu denken, sondern an eine langfristige Zusammenarbeit. „Am Anfang muss man die Firmenphilosophie einmal deutlich vermitteln“, rät der Firmenchef. „Danach kann man davon ausgehen, dass der freie Mitarbeiter weiß, wie wir ticken.“ Damit spart man Zeit für die Briefings kommender Projekte. „Manchmal ist dann in fünf Minuten alles gesagt“, so Reiner. Damit alles reibungslos klappt, kümmern sich erfahrene Geschäftsführer um ihre Netzwerke – „nicht nur online, sondern auch persönlich“, wie Reiner empfiehlt. Daher lädt er selbstverständlich auch freie Mitarbeiter zu Betriebs- und Weihnachtsfeiern ein.

Teambildung in vier Phasen

 

Gute Teamchefs kümmern sich gleichermaßen um die fachliche, organisatorische und persönliche Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter. Akademie-Leiter Pinnow erklärt den Vier-Phasen-Fahrplan der Teambildung:

  • Phase eins: Warming

„In dieser Phase ist man nett zueinander und will sich nicht weh tun“, erklärt Pinnow, der selber Seminare für Topmanager leitet. Das Besondere bei neuen Teams: „Man ist ständig in der Einspielphase.“ Teamleiter müssen ihre Mannschaft stets neu einschwören und zusammenschweißen.

  • Phase zwei: Norming 

Zu diesem Zeitpunkt ist es notwendig, feste Regeln aufzustellen, nach denen die Zusammenarbeit ablaufen soll. Der Chef erklärt Ziele, Aufgaben und Dauer des Projekts und verteilt die Rollen. ZfM-Inhaber Mastiaux empfiehlt, bei Projektbeginn eine Auftaktveranstaltung anzusetzen, bei der alle Erwartungen geklärt werden. So lassen sich böses Blut und unangenehme Überraschungen vermeiden.

  • Phase drei: Storming 

Die Zusammenarbeit läuft. Um zu wachsen, sollte der Vorgesetzte eventuell aufkommende Konflikte unter seinen Schäfchen im Blick haben. „Bei Beziehungsstörungen muss der Teamleiter ein Gefühl dafür entwickeln, wo er intervenieren muss und wo er die Sache laufen lassen kann“, so Pinnow.

  • Phase vier: Performing 

Unter dem gegebenen Ergebnisdruck fokussieren sich viele Teamleiter vor allem auf die Zielerreichung. Doch wer seine Ziele effizient erreichen will, darf die ersten drei Phasen als Vorbereitung für den Erfolg nicht vergessen. Wichtig in der Abschlussphase: Der Chef sollte seiner Mannschaft Feedback geben, um die folgenden Projekte noch reibungsloser gestalten zu können.

Regeln eindeutig festlegen

 

Trotz theoretischer Kenntnisse beweist nicht jeder Vorgesetzte das richtige Händchen. „Viele Manager machen in einer solchen Situation Fehler“, sagt Akademie-Chef Pinnow. Der Vorsitzende der Geschäftsführung kennt die Schwachstellen seiner Klientel: „Zahlreiche Vorgesetzte führen im Laisser faire Stil“, so Pinnow. „Sie formulieren nicht ihre Erwartungen ans Team und legen keine oder zu schwammige Regeln fest.“ Weitere gängige Fehler: „Bis auf eine Deadline gibt es keine Vorbereitung“, so Mastiaux. „Oft sind viele fachlich gute Leute in einem Team, die sich aber in ihren Rollen nicht ergänzen.“ Das kann böse Folgen haben. So sind bereits Konflikte programmiert, wenn beispielsweise zu viele Gruppenmitglieder dominant sind.

Häufige Folge solcher Managementfehler: Teams scheitern. Woran genau, zeigt eine Studie der Bad Harzburger Akademie unter Beteiligung von 376 Führungskräften. Von ihnen geben 97 Prozent an, dass der häufigste Fehler für gescheiterte Teams Kommunikationsschwierigkeiten gewesen seien. 94 Prozent bemängeln einen unklaren Auftrag, 91 Prozent klagen über eine fehlende Zusammenarbeitskultur. Ein typisch deutsches Phänomen. „Hier zu Lande führen Führungskräfte ihre Mitarbeiter meist sehr hierarchisch“, so der Dortmunder Professor Welge, der die Führungsstrukturen in sieben europäischen Ländern untersucht hat. Eine Erkenntnis der Studie: Um sich den Zeichen der Zeit zu stellen, sollten sich Vorgesetzte weniger auf technokratische Führungsinstrumente verlassen. Sie müssten vielmehr lernen, die Netzwerke zwischen den Teammitgliedern für einen vermehrten Wissensaustausch zu stärken.

Doch Wunden lecken hilft nicht weiter. „Ein Team wächst nicht zusammen, indem wir dauernd über die schwierige Situation lamentieren, sondern indem die Mitarbeiter praktisch zusammenarbeiten“, empfiehlt Personalfachmann Rosenberger. Tatsächlich: In wechselnden Teams stecken auch jede Menge Chancen. „Teamchefs können sich ihre Mannschaft von Fall zu Fall maßschneidern“, führt ZfM-Chef Mastiaux an. So kommen dann jeweils genau die Mitarbeiter zum Einsatz, die in dieser spezifischen Situation benötigt werden. Außerdem schmoren die Teammitglieder nicht länger im eigenen Saft, sondern befruchten sich gegenseitig mit neuen Ideen. Weiterer Pluspunkt: „Die meisten zusammengewürfelten Teams sind durch den Zeitdruck der knappen Deadlines hoch motiviert“, beobachtet Mastiaux.

Neues Team, neues Glück? Auch das kann gelten. Experte Pinnow: „Wechselnde Teams bieten Führungskräften eine gute Chance, sich in kurzer Zeit zu bewähren.“ Auch Unternehmer profitieren davon. Denn so erkennen sie ständig aufs Neue, welche ihrer Leute unter flexiblen Bedingungen den besten Job machen.

Die Aufgabenverteilung

Business ist wie Fußball: Häufig entscheidet die richtige Aufgabenverteilung über Sieg oder Niederlage. In jedem Team gibt es bestimmte Positionen, die besetzt werden müssen, nicht jeder kann der Anführer sein.

  • Der Chairman

Durch sein diplomatisches Gespür besitzt er die Fähigkeit, die Potenziale in der Gruppe zu erkennen und diese zu nutzen. Er kann mit dem Team so umgehen, dass er den größten Nutzen daraus zieht. Indem er die Stärken und Schwächen seiner Mitarbeiter erkennt und weiß, wie er sie am besten einsetzt, sorgt der Chairman für ein effektives Arbeitsklima.

  • Der Resource-Investigator

Gemeinsam mit dem Plant bildet er das kreative Potenzial der Gruppe. Doch anders als sein introvertierter Kollege sucht der extrovertierte Resource-Investigator bewusst nach Anregungen aus seinem Umfeld, mit denen er bestehende Probleme lösen kann. Wegen seines zielstrebigen Vorgehens als Problemlöser gilt der geschickte Kommunikator als gern gesehenes Teammitglied.

  • Der Shaper

Eigentlich ist er genau das Gegenteil eines Teamarbeiters. Er fordert heraus, argumentiert, diskutiert, ist ungeduldig und nervös, neigt zu Aggressionen. Andererseits ist er im Umgang mit Menschen äußerst belastbar, furchtlos und unnachgiebig. Der Shaper arbeitet sehr hart und diszipliniert, um das Ziel zu erreichen. Allein seine Präsenz im Team kurbelt die Leistungsfähigkeit an.

  • Der Teamworker

Er ist der Vermittler zwischen allen Charakteren der Gruppe, kann anderen zuhören und auf sie eingehen, ohne dabei das gemeinsame Ziel aus den Augen zu verlieren. Als Moderator und Schlichter wirkt er positiv auf den Teamgeist und löst Konflikte innerhalb der Gruppe. Durch seine einfühlsame Art schafft er es auch, ungeliebte Teammitglieder zu integrieren. Somit schafft er es, die entstehenden Gruppenprozesse mit den Arbeitsabläufen zu koordinieren.

  • Der Completer-Finisher

Harte Arbeit scheut er nicht. Mit Liebe zum Detail und großer Ausdauer erfüllt er seine Pflichten, ohne Zeit zu vergeuden. Der selbstdisziplinierte Perfektionist sorgt dafür, dass Entscheidungen vorangetrieben und getroffen werden. Seine ruhige und beständige Art macht ihn zu einem beliebten Teammitglied, das im Kollegenkreis dafür geschätzt wird, seine Aufgaben gewissenhaft zu beenden.

  • Der Monitor-Evaluator

Der Schiedsrichter der Mannschaft tritt erst dann auf den Plan, wenn das Team nicht weiterkommt. Er sieht die Dinge mit einem realistischen Blick, frei von Vorurteilen und handelt pragmatisch. Auf Außenstehende wirkt der nüchterne Beobachter trocken, sachlich und häufig überkritisch. Der Monitor Evaluator fühlt sich umso wohler in seiner Rolle, je zahlreicher die Probleme sind. Da er aber nur einen geringen Antrieb hat, ist er nicht dazu geeignet, die Entscheidungen auch durchzusetzen.

  • Der Plant

Kreativität ist seine Stärke. Der eher introvertierte und intellektuell veranlagte Mensch ist in seinem Element, wenn er Lösungen abseits der Trampelpfade finden kann. Probleme löst er meist allein, ohne das Team. Der Plant ist ein innovativer Typ, der mit seinem Hang zum Experimentieren ein neues Denken ins Team bringt. Die Umsetzung der Ideen interessiert ihn meist weniger. Somit garantiert er zwar nicht die Implementierung von Lösungen, stellt aber als Ideenproduzent die Antriebskraft und das Wachstum des Teams sicher.