Besonders zielführend in einem WBT sind jene spielerischen Elemente, die den Lerner immer wieder zum Lerninhalt zurückführen, statt ihn davon abzulenken. Die nun folgenden Mechanismen bieten sich daher an, wobei auch hier auf den korrekten Einsatz geachtet werden muss:

group of people having a meeting
Foto von Mario Gogh

1. Spielziel / Herausforderung:

Durch ein Spielziel und spielerische Herausforderungen wird der Lerner immer wieder dazu motiviert, sich mit einem Thema zu beschäftigen. Jedoch reichen Ziele und Herausforderungen, die nur dem Vorankommen im Spiel dienen, nicht aus. Ein Beispiel: Der Lerner läuft mit einer Figur von Lernelement zu Lernelement und überwindet durch Sprünge, Klettern etc. verschiedene Hürden, um dann doch nur „herkömmliche“ E-Learning-Inhalte präsentiert zu bekommen. Stattdessen müssen die Spielziele an den Lerninhalt gekoppelt werden, sodass für den Lerner deutlich wird, zu welchem (spielerischen) Zweck er sich gerade mit diesen Inhalten beschäftigen soll. Bei einer problemorientierten Herangehensweise, wie sie in Spielen üblich ist, wird der Lerner zuerst vor das Problem gestellt und muss sich das erforderliche Wissen dann erst nach und nach erarbeiten. Seit Langem ist bekannt, dass Wissen, das man sich selbst erarbeitet hat, deutlich besser im Gedächtnis haften bleibt. Ein Beispiel ist die interaktive Animation „Liberale Gesundheitspolitik – Für ein soziales und effektives Gesundheitswesen“, die Canudo für die Virtuelle Akademie der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit entwickelt hat. Die Mission lautet, das Gesundheitswesen in Form eines fiebernden Erste-Hilfe-Koffers fit für die Zukunft zu machen. Indem er eine Reihe strategischer Fragestellungen bearbeitet, lernt der Nutzer etwas über liberale Gesundheitspolitik und senkt dabei Schritt für Schritt das „Fieber“ unseres Gesundheitswesens.

2. Story:

Werden Lerninhalte anhand einer Geschichte vermittelt, hilft das episodische Gedächtnis beim Erinnern mit. Bestimmt kennen Sie das auch: An Inhalte, die Sie selbst erlebt haben, erinnern Sie sich oft auch noch nach Jahren. Das funktioniert aber nur, wenn die Story mit den Lerninhalten eng verstrickt ist, wie zum Beispiel im Serious Game „Business Process Management“. Hier lernen E.ON-Mitarbeiter, Geschäftsprozesse zu gestalten und zu optimieren, indem sie gemeinsam mit der Familie On eine Gartenparty ausrichten. Jeder Schritt des Business Process Management spiegelt sich in der Geschichte der Familie On wieder. Die konkreten Erlebnisse stellen den Anker dar, anhand dessen die Lerner sich die Lerninhalte erneut ins Gedächtnis rufen können.

3. Interaktivität:

Ein gutes Spiel nimmt bei jedem Versuch einen unterschiedlichen Verlauf. Einerseits beeinflusst der Spieler durch seine Handlungen den Ablauf des Spiels und andererseits sorgt ein programmiertes Zufallselement oft für weitere Abwechslung. Dadurch ist das Spiel auch beim fünften Versuch immer noch spannend. Lernanwendungen können nur selten so offen gestaltet werden, wie es in Computerspielen möglich ist, und haben darüber hinaus auch zumeist nicht die erforderlichen Budgets. Kann der Lerner auf den Fortgang des Trainings zumindest in einem reduzierten Ausmaß Einfluss nehmen, steigert das nachweislich die Motivation, wie zum Beispiel im interaktiven Training zum Thema „Spielmanipulation im Fußball“. Hier kann der Lerner sich immer wieder entscheiden, welche Perspektive er in verschiedenen Manipulationsfällen einnehmen möchte – also z.B. Spieler, Angehöriger, Trainer, Schiedsrichter – und muss dann entsprechend reagieren. Er kann dieselbe Situation mehrmals erleben und dabei je nach Interesse unterschiedliche Perspektiven wählen und unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten ausprobieren.

4. Feedback:

Das Tolle an Spielen ist, dass Feedbacks im Normalfall konstruktiv sind und Bezug auf die Situation nehmen. Statt die Lösung vorzugeben, helfen sie bei der eigenen Lösungsfindung weiter und motivieren dazu, es erneut zu versuchen. Von diesem Prinzip können wir uns eigentlich für jedes Lernprogramm – egal ob spielerisch oder nicht – eine Scheibe abschneiden. Hier ein Beispiel im Vergleich: Der Lerner hat die Aufgabe, das korrekte Werkzeug zu wählen, um einen Nagel in die Wand zu schlagen und wählt den Vorschlaghammer. Häufig würden wir im E-Learning Feedbacks formulieren wie „Mit dem Vorschlaghammer klappt es nicht“ und entweder gleich oder nach dem x-ten Versuch ergänzen „Zum Einschlagen des Nagels benötigen Sie den Hammer“.  In einer spielerischen Umsetzung derselben Aufgabe würde der Lerner ein Bild des Vorschlaghammers auf die Wand bzw. den Nagel ziehen. Dann würde in einer kurzen Animation oder einer Grafik das Resultat dieser Handlung gezeigt werden – in diesem Fall ein riesiges Loch in der Wand. Ganz ohne sprachliches Feedback erfährt der Lerner, dass dieses das gewählte Werkzeug nicht geeignet war. Merken Sie den Unterschied? Der Lerner muss sich nicht belehren lassen. Er kann seine Schlüsse selbst ziehen und weiß, dass er beim nächsten Mal etwas anderes probieren muss.

Grundsätzlich gilt: Ein Spielelement sollte seinen festen Platz in der Didaktik eines E-Learning-Kurses haben. Es muss also über „ein kleines Sudoku zum Entspannen“ hinausgehen. Spielerische Lernanwendungen müssen keine vollwertigen Computerspiele sein und benötigen auch keine 3D-Welten. Und auch durch ein aufgesetztes Punktesystem wird Lernen noch lange nicht zum Spiel. Umgekehrt können Spielelemente wie eine Story, ein Spielziel, verschiedene Herausforderungen, Interaktivität und Feedbacks eine Lernanwendung auf spielerische Weise anreichern. Die Kunst ist es, daraus eine lernwirksame Erfahrung zu machen, die nicht in einen Lern- und einen Spielteil zerfällt. Die Entwicklung von Lernspielen erfordert daher viel konzeptionelles Geschick, einiges an Erfahrung und vor allem natürlich auch häufige Tests. Gelingt dies, wird die Mühe durch eine größere Lernmotivation, eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema und bessere Lernergebnisse belohnt. Nicht umsonst sagte Jacques-Yves Cousteau (französischer Meeresforscher, 1910-1997) „Spielen ist eine Tätigkeit, die man gar nicht ernst genug nehmen kann.“

www.canudo.de

 

Veranstaltungshinweis:

Die Sektion Game-Based Learning mit Keynotes von Professor Dr. Klaus Jantke, Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT und Professor Dr. Heinz Mandl, Ludwig-Maximilians-Universität München, auf der Professional Learning Europe findet am Dienstag, 25. September ab 9.45 Uhr im Congress-Centrum-Ost der Messe Köln statt. www.professional-learning.de

 

Weiterführende Literatur

(empfohlen von der Canudo GmbH – auf der „Zukunft Personal“ in Halle 11.3, Stand T 05)

Crafword, C. (1982). The Art of Computer Game Design. Inzwischen verfügbar für Kindle (2011).

Fritz, J. (Hrsg.) (1995). Warum Computerspiele faszinieren. Juventa Verlag.

Kapp, K. (2012). The Gamification of Learning and Instruction: game-based methods and strategies for training and education. Pfeiffer.

Prensky, M. (2001). Digital Game-Based Learning. Paragon House.

Salen, K.; Zimmerman, E. (2003). Rules of Play: Game Design Fundamentals. MIT Press.

Zimmerman, E.; Scholder, A. (2003). re:play- game design + game culture. Peter Lang Publishing.