• Frauen. Nach wie vor sind Frauen in bestimmten Bereichen, Branchen und Positionen unterrepräsentiert. Dies gilt für Führungspositionen. Frauen arbeiten häufig in Teilzeit – bestimmte Positionen werden aber nicht in Teilzeit angeboten. Warum eigentlich nicht?
  • Deutsche mit Migrationshintergrund sowie Ausländer – über 15 Millionen. Personen dieser Gruppen kommen in den meisten Organisationen in anspruchsvollen Positionen nicht vor.
  • Lebensältere. Rund die Hälfte der – teilweise hervorragend qualifizierten – 55- bis 64-Jährigen arbeitet nicht mehr.
  • Die eigene Belegschaft. Wer Potenziale sucht, sollte dringend einen Blick in die eigene Organisation werfen.

Das Problem besteht nicht darin, dass kein Potenzial vorhanden ist, sondern darin, dass es nicht mehr so leicht zu finden, anzusprechen, auszuwählen, zu gewinnen, zu integrieren, zu entwickeln und zu binden ist.

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Foto von Dose Media

Betrachten wir die Personalauswahlverfahren: In dem Teich, in dem bislang alle gefischt haben, schwammen fast nur geeignete Bewerber, fast jeder Fang war erfolgreich. In den unerschlossenen Teichen tummelt sich hingegen alles Mögliche, geeignet und ungeeignet. Hier bedarf es einer qualitativ hochwertigen Personaldiagnostik. Für das Auswahlprinzip „Schmidt sucht Schmidtchen“ waren unstrukturierte Vorstellungsgespräche ausreichend.

Um aber herauszufinden, welche der Menschen, die anders sind, die zum Beispiel Brüche im Lebenslauf haben oder nur Teilzeit arbeiten wollen, erfolgreich sein können, bedarf es diagnostischer Verfahren, die wirklich informativ sind – denn nur mit Informationen kann man stereotype Beurteilungen überwinden. Das klassische Vorstellungsgespräch kann dazu etwa um die systematische Auswertung biografischer Informationen, um Simulationsübungen, berufsbezogene Persönlichkeitsfragebögen sowie um Leistungstests zur kognitiven Kompetenz ergänzt werden – gefragt ist anspruchsvolle multimodale Diagnostik.

Was noch wichtiger ist? Eine kritische Überprüfung der Anforderungsprofile. Sind die formulierten Kompetenzen wirklich notwendig, um erfolgreich zu sein, oder handelt es sich um eine Sammlung von kultur-, alters- und geschlechtsstereotypen und überzogenen Vorstellungen? Müssen alle Kompetenzen erfüllt sein, oder lassen sich einige Schwächen durch andere Stärken kompensieren? Sind bestimmte Kompetenzen erlernbar? Schließlich: Was kann die Organisation tun, um schwach ausgeprägte Kompetenzen zu entwickeln oder die Schwächen zu kompensieren – etwa durch Arbeitsgestaltung? Es gilt nicht nur zu prüfen, welche Mitarbeiter die Anforderungen erfüllen, sondern auch, welche Anforderungen sinnvollerweise gestellt werden sollten.

Wenn dann noch die Stellen attraktiver werden, sollte der Personalmangel ein Problem von gestern sein. Attraktiv bedeutet: flexible Arbeitszeitmodelle, ernsthafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf – die auch von Männern immer stärker eingefordert wird. Für diese Rahmenbedingungen sind Bewerber sogar bereit, anteilig auf Lohn zu verzichten. Wenn dann allerdings die 60-Stunden-Woche nicht mehr der Standard ist, müsste auch das Unternehmen auf einiges verzichten: etwa auf schlecht orga-nisierte, unendlich dauernde Meetings oder auf die 14. Überarbeitung der Vorstandspräsentation zu einem Agenda-Punkt, der dann doch nicht aufgerufen wird. Es gibt Schlimmeres. Noch etwas würde sich übrigens verändern: Es herrschte Vielfalt statt Einfalt – aber das ist ein anderes, provokatives Thema.

Quelle: PERSONAL – Heft 11/2010