

Die Arbeitsforschung beobachtet derzeit mit großem Interesse eine Reihe von Veränderungen der aktuellen Arbeitswelt. Im deutschsprachigen Raum viel diskutiert und beachtet werden dabei die sogenannten Megatrends, namentlich eine rasante Globalisierung und Internationalisierung der Märkte, ein einsetzender und mittlerweile spürbarer demographischer Wandel mit einer älter werdenden Belegschaft, Veränderungen der Wertestrukturen in unterschiedlichen Alterskohorten, aber auch der technologische Wandel aufgrund einer Vielzahl an neuen Technologien, die sich unseren Unternehmen derzeit zur Erprobung und Anwendung anbieten. Dass sich diese Trends gegenseitig beeinflussen und verstärken können, ist bekannt. Das Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik setzt sich intensiv mit ihnen auseinander, einer unserer Forschungsschwerpunkte ist der Bereich der Technisierung von Arbeitswelten, insbesondere im produzierenden Bereich.
In einem Forschungsprojekt haben wir uns daher genauer angesehen, wie sich eine Veränderung in den Produktionstechnologien auf Betriebe auswirken. Warum sprechen wir von Veränderung? Technologie ist nur selten etwas Lineares. Es gibt nicht den einen technologischen Wandel, der sich in allen Betrieben genau gleich abspielen wird. Wir beobachten vielmehr eine Vielzahl unterschiedlichster Herangehensweisen an die Einführung neuer Technologien. Wir wollten uns daher in unserem Projekt ansehen, was diesen Einführungsprozessen gemein ist und welche Empfehlungen wir Betrieben geben können, die mit diesen Einführungsthemen konfrontiert sind.
Neue Möglichkeiten – Neue Herausforderungen
Was uns die neuen Technologien ermöglichen, welche unter dem Schlagwort der Digitalisierung zusammen gefasst werden können, ist vor allem der umfassende Umgang mit Daten, Informationen und teilweise auch Wissen. Das Erfassen und Berechnen betrieblicher Daten im Arbeitskontext ist heute kaum noch ein großer Aufwand. Auch die Verarbeitung, Darstellung und Anwendung dieser Daten in Arbeitsanweisungen und/oder (Inter-)Aktionen von und mit Produktionssystemen werden durch steigende Rechenleistungen, sowie moderne Sensorik und Aktorik immer leichter. Die Möglichkeiten der Kreativität kennen in der Anwendung dieser Technologien kaum Grenzen.
Neue Technologien beeinflussen die Unternehmen jedoch nicht nur direkt, sondern auch über indirekte Wege. Haben Sie schon einmal am Wochenende festgestellt, dass es ein Problem mit einer Bestellung über einen Online-Versandhändler gibt und konnten dann prompt am Sonntagabend eine kompetente Ansprechperson übers Telefon erreichen? Ja, solche Serviceleistungen gibt es und sie halten in unseren täglichen Lebensgewohnheiten Einzug. Wir gewöhnen uns daran, was mit Technologie alles möglich ist: Geschwindigkeit, Flexibilität, Individualität, Informationsverfügbarkeit. Und diese Gewohnheiten wollen wir auch im Berufsalltag leben. So geht es auch Ihren Kunden und sie fordern diese Werte zunehmen ein, nicht nur im klassischen B2C-, sondern zunehmend auch im B2B-Bereich. Das Angenehme daran ist, dass Technologien selbst die Lösung für dieses Dilemma versprechen. Cyberphyische Systeme und Industrie 4.0 sind hier die Zauberworte, die imstande sein sollen, die ursprüngliche Widersprüchlichkeit aus Flexibilität und Effizienz zu verbinden.
Einführung vorbereiten
Wer sich hingegen für eine neue Technologie entschieden hat, sollte diese, soweit möglich und sinnvoll, im Betrieb testen. Die Einführung in die Primärorganisation will entsprechend vorbereitet sein, wofür sich die klassischen Methoden des Projektmanagements anbieten. Kommunikation spielt in dieser Phase einer Technologieeinführung eine ganz entscheidende Rolle. Wer soll was, wann, wie und wo und an wen kommunizieren? Wer soll zum Projektteam gehören? In Pilotprojekten können Unternehmen die Möglichkeit schaffen, sich mit der neuen Technologie „in geschützten Räumen“ auszuprobieren. Dabei geht es, wie anfangs erwähnt, nicht nur um die schlichte technische Machbarkeit, sondern vielmehr darum, wie sich Arbeit und Kommunikationsstrukturen durch die neue Technologie wandeln könnten. Deshalb sollten die Projektteams neben den direkten Prozessverantwortlichen auch Vertreter aus angelagerten Abteilungen und Service-Bereichen sowie Belegschaftsvertreter, zum Beispiel den Betriebsrat, einbinden. Allerdings zeigt sich die Wirksamkeit der Technologien meist bei der prototypischen Vorgehensweisen nicht vollständig. Nur der Live-Betrieb in der Primärorganisation entfaltet das wahre Potenzial der Arbeitsveränderungen.
Veränderungen umsetzen und Routinen etablieren
Der schematisch letzte Schritt einer erfolgreichen Technologieeinführung ist die tatsächliche Umsetzung im Live-Betrieb, das Produktivschalten. Wenn die beiden vorgehenden Phasen gut durchlaufen wurden, sollten hier keine allzu großen Hürden warten, sollte man annehmen. Tatsächlich lässt sich erst jetzt der wirkliche Erfolg einer Technologieeinführung bewerten. Das Messen des Einführungsfortschritts ist daher hier ein ganz zentraler Punkt. Idealerweise konnten Sie in den anderen Phasen bereits ausreichend Kräfte für die technische Veränderung mobilisieren, sodass jetzt mit weniger Widerständen zu rechnen ist.
Anpassungsfähig werden und bleiben
Auch wenn der Ausspruch mittlerweile etwas antiquiert scheint,: Aufmerksame Beobachter der Gegenwart können sich darauf einigen, dass nichts so beständig ist, wie der Wandel selbst. Dass jede Form des Wandels, also auch der technologische, für Organisationen und damit auch für die Menschen in den Organisationen eine große Herausforderung birgt, ist unumstritten. Nötige Veränderungen erzeugen Widerstand, sind schwer umzusetzen, bedürfen großer Anstrengungen, werden oft gar nicht erkannt – oder noch schlimmer, – sie werden erkannt und kommen nicht bei den Entscheidungsträgern an. Wie bereits beschrieben, scheint sich der Wandel unserer Unternehmensumwelten zunehmend zu beschleunigen und zu dynamisieren. Ziel sollte es daher stets sein, das eigene Unternehmen so zu entwickelt, dass die Mehrheit der Belegschaft den stetigen technologischen Wandel nicht als Herausforderung, sondern als Chance begreift. Wandel ist dann nicht lästige Fleißaufgabe, sondern tägliches Geschäft. Man spricht dann von dynamischen Unternehmen. Werden Sie ein dynamisches Unternehmen!
Web- und Literaturtipps
Zur Website des Instituts für Arbeitsforschung Arbeitspolitik der Johannes Kepler Universität Linz.
Technologiemanagement 4.0. Ein Handbuch für Unternehmen, die sich verändern wollen. Von Irina Koprax, Sara Maric, Ernst Winter, Clemens Zierler. Trauner Verlag 2017 (Veröffentlichung bevorstehend).
Checkliste
Die Menschen im System berücksichtigen
Technologieentwickler und auch viele Unternehmen machen dabei jedoch allzu oft die Rechnung ohne den Wirt, im konkreten Fall ohne die Menschen im Arbeitssystem. Denn Veränderungen des eigenen Arbeitsumfeldes und der Art und Weise, wie unsere Arbeit organisiert ist, nehmen wir viel stärker wahr als denjenigen, die Technologien einführen wollen, lieb ist. Industrie 4.0 bezieht sich zwar in ihren Kerndokumenten immer wieder darauf, dass cyberphysische Systeme auch Bedacht auf menschliche Belange nehmen und im Prinzip menschzentriert sein sollen. Beobachtungen in Unternehmen, die den Weg der Digitalisierung und Automatisierung gehen, lassen jedoch oftmals den Verdacht aufkommen, dass man hier ein etwas begrenztes Menschenbild verfolgt.
Wir Menschen sind nämlich nicht nur eine Ansammlung physischer und psychischer Bedürfnisse, die sich in Dingen wie optimaler Arbeitstischhöhe, idealen Lichtverhältnissen, individualisierten Greifräumen oder einer begrenzten Informationsaufnahmefähigkeit darstellen. Wir sind vor allen Dingen soziale Wesen, die ihren eigenen Wert hauptsächlich an Beziehungsgeflechten festmachen. Und so ist es auch in Unternehmen der Fall, dass der Erfolg oder Misserfolg von Technologieeinführungen in erheblichem Maß von den sich dadurch neu ergebenden Beziehungen zwischen den Menschen abhängt. In Unternehmen sind das die Kommunikationsbeziehungen zwischen Kollegen innerhalb einzelner Abteilungen, aber immer mehr auch über Abteilungsgrenzen und Hierarchieebenen hinweg. Dabei ist eine Reihe an Fragen zu klären: Wie verändern sich diese internen Strukturen und Netzwerke durch neue Arbeitsweisen und -Technologien? Wie strukturieren diese neuen Technologien die Kommunikation um und welche Möglichkeiten bieten sie, auch in Zukunft noch seinen individuellen Beitrag zu leisten? Und genau dort ist oftmals ein blinder Fleck bei Technologieeinführungsprojekten zu erkennen.
Entscheidungen treffen
Am Anfang jedes Einführungsprojektes steht die Entscheidung für eine Technologie. Je nach Auswirkung der Technologie auf das bestehende Arbeitssystem eines Unternehmens wird diese Entscheidung auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein. Je umfangreicher die Auswirkungen, desto höher angesiedelt die Entscheidung. Auf jeden Fall sollten Unternehmen solche Entscheidungen durchaus strukturiert planen und auf soliden Wissensgrundlagen basierend treffen. Was bedeutet die Technologieeinführung für die Unternehmensstrategie, weil sich die Produkte im Unternehmen verändern? Wer sollte von Anfang an in die Entscheidung eingebunden werden, um Commitment frühzeitig an den richtigen Stellen zu erzeugen? Wie wirkt sich die Technologieeinführung monetär aus? Hat das Unternehmen überhaupt die richtigen Voraussetzungen für die neue Technologie und falls nicht, kann es diese schaffen? Entscheidend sind hier zum Beispiel die Qualifikationen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch der Führungskräfte.
Nicht vergessen sollten Unternehmensentscheider, dass sie sich trotz allem immer auch gegen eine neue Technologie entscheiden können. Manche Technologien scheinen jedoch in einzelnen Branchen eine regelrechte Eigendynamik zu entwickeln, sodass ein Unternehmen, das sich bewusst dagegen entscheiden, als altmodisch und überhaupt nicht up-to-date wahrgenommen wird. Es gibt sozialen (Gruppen-)Druck nicht nur in Schulklassen, sondern auch in Unternehmenspopulationen.
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