Personalarbeit und Social Media
photo_1589_20060518

Einführung

Die aktuelle konjunkturelle Lage in Deutschland ist weiterhin durch Stagnation gekennzeichnet. Trotz der ungewissen Aussichten erweist sich der Arbeitsmarkt bisher als relativ robust, und viele Unternehmen suchen nach wie vor nach Fachkräften. Auf Arbeitnehmerseite sind eine gestiegene Anspruchshaltung und eine sich ändernde Einstellung zu beobachten. Nach wie vor ist die emotionale Bindung der meisten Beschäftigten an ihr Unternehmen eher gering oder gar nicht vorhanden. Die aktuelle Gallup-Umfrage zum Engagement Index konstatiert weiterhin sinkende Bindung und sinkendes Vertrauen der Beschäftigten. Die damit einhergehende Wechselbereitschaft stellt eine große Herausforderung dar.

Die Personalarbeit insgesamt hat sich in den letzten Jahren merklich gewandelt und konzentriert sich heute verstärkt auf Themen Mitarbeiterbindung, Flexibilität und Demografie. Anpassungsfähigkeit an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden steht dabei verstärkt im Mittelpunkt. Uns stellte sich die Frage, wie sich die Situation aus Sicht der Unternehmen darstellt. Wie wird der Spagat zwischen notwendige Transformation und Fachkräftemangel gemeistert? Was sind die Themen bezüglich Mitarbeiterbindung und -gewinnung? Welche Strategien und Antworten haben die Personalabteilungen und die Geschäftsführungen entwickelt? Vor diesem Hintergrund haben wir Interviews schwerpunktmäßig mit Personalverantwortlichen und Geschäftsführern aus unterschiedlichsten Branchen geführt.

Methode

Befragt wurden 25 Personen der obersten Führungsebene in ihrer Funktion in der Geschäftsführung oder Personalleitung. Es handelte sich einerseits um bestehende Kontakte, andererseits um gezielte Interviewanfragen über ein berufliches soziales Netzwerk. Die Unternehmen haben eine Größe von 100 bis über 50.000 Beschäftigte und sind in den unterschiedlichsten Branchen (Metall, Elektro, Transport, Bau, öffentliche Verwaltung und Finanzdienstleistungen) tätig. Der Median der Beschäftigtenzahl liegt bei etwas über 1000. Gearbeitet wurde mit einem Interviewleitfaden bestehend aus zehn Fragen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und der Stringenz wurden für diesen Beitrag auf die folgenden Fragen fokussiert:

  • Welche Herausforderungen gibt es in Bezug auf Personalgewinnung und -bindung?
  • Wie geht das Unternehmen damit um?
  • Was sollte sich verändern? Was nicht?
  • Ist aus Ihrer Sicht die Transformation aus eigener Kraft leistbar?

Die Stichprobe ist selbstverständlich nicht repräsentativ, ermöglicht aber ein detailliertes Blitzlicht zu den aktuellen Herausforderungen in der Personalarbeit.

An dieser Stelle möchten wir unseren aufrichtigen Dank an alle Interviewpartnerinnen und -partner aussprechen, die uns einen Teil ihrer knappen Zeit geschenkt haben.

Mangel an Fachkräften

Ein großes Thema ist die Verfügbarkeit von Fachkräften. Die seit Jahrzenten sinkende Geburtenraten und vor allem das anstehende Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Arbeitsleben stellt sich als eine große Herausforderung dar, weil benötigten Fähigkeiten nicht mehr ohne Weiteres auf dem Arbeitsmarkt eingekauft werden können. Die begrenzte Verfügbarkeit von geeigneten Fachkräften führt zu höheren Erwartungen auf Seite der Arbeitnehmer und eröffnet Wahlmöglichkeiten für Wechselwillige. Das macht sich bspw. in Form einer geringeren Mobilität und Anspruchsdenken hinsichtlich flexibler Arbeitszeiten oder Aufgaben bemerkbar. Ein weiterer Nebeneffekt könnten steigende Fehlzeiten sein, von denen viele Interviewpartner berichtet haben.

“Wir bieten älteren Mitarbeitern an, weiterzuarbeiten, wenn sie das wollen. Warum soll ich ältere Menschen, die noch was wollen und können, nach Hause schicken. Das nutzen wir intensiv. Wir gehen mit jedem, der rentennah ist, intensiv ins Gespräch.”

Die Rekrutierungsprozesse dauern heute länger, da es schwieriger geworden ist, geeignete Kandidaten zu finden. Es ist eine Herausforderung, Menschen für eine Bewerbung zu interessieren, und die Knappheit auf dem Arbeitsmarkt verschärft dieses Problem. Ein positives Bild zu vermitteln ist wichtig, aber es muss auch nachhaltig gelebt werden, um langfristig zu überzeugen. Vor allem kleinere Unternehmen müssen kreative Wege finden, um für potentielle Bewerber attraktiv zu werden. Das geschieht beispielsweise durch verstärkte Präsenz auf den Social Media Kanälen.

“Die Bewerber haben oft schlechte Noten, die nicht für die weiterführenden Schulen reichen. Wir müssen die Grundausbildung dieser Menschen übernehmen.”

Besonders jüngere Mitarbeitende suchen nach einer sinnvollen Tätigkeit und möchten sich als Teil des Erfolgs sehen. Um diese Beschäftigtengruppe zu halten, müssen attraktive Entwicklungsmöglichkeiten angeboten werden. Ein Beispiel hierfür ist die Möglichkeit einer Betreuungsauszeit, nach der die Karriere mithilfe eines speziellen Onboarding nahtlos fortgesetzt werden kann. Ein ausgefeiltes Re-/Upskilling-Programm mit einem Levelsystem und gezieltem Talentmanagement unterstützt die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Wertschätzung und klare Kommunikation sind hierbei zentral. Älteren Mitarbeitenden wird nach der Berentung die Möglichkeit geboten, weiterhin im Unternehmen tätig zu sein, um ihre Erfahrung zu nutzen.

Letztlich geht es darum, in der Personalarbeit eine klare Linie zu verfolgen und attraktive Angebote zu machen, wie zum Beispiel interessante Aufgabengebiete und Handlungsspielräume oder die betriebliche Altersvorsorge, die wieder vermehrt nachgefragt wird. Manche Unternehmen investieren gezielt in das Betriebliche Gesundheitsmanagement, indem Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit, Ernährung und Bewegung kombiniert werden. Allerdings nehmen oft gerade diejenigen, die am meisten von diesen Angeboten profitieren würden, nicht an den Kursen teil. Zudem lässt sich so ein Konzept nicht ohne Weiteres auf andere Unternehmen übertragen.

“Es gibt strukturierte Qualifizierungen. Wir versuchen, einen Weg aufzuzeigen. Wir versuchen die Leute über die Firmenkultur zu halten. Wir haben flache Hierarchien und eine Firmen-App. Unser Geschäftsleiter ist in jeder Niederlassung jeden Monat vor Ort. Wir sehen den Betriebsrat als Partner an.”

Außenwirkung: Moderne Medien und Social Media

Employer Branding spielt bei der Mitarbeitergewinnung eine wesentliche Rolle, weil der Unternehmensauftritt nach außen gesteuert und ein realistisches Bild vermittelt werden kann. Investitionen in Kampagnen, Werbeflächen, Postsendungen, Anzeigen sowie die Zusammenarbeit mit Influencern, die authentisch aus ihrem Beruf berichten, sind wichtige Elemente. Videos werden ebenfalls als ein effektives Mittel angesehen, um potenzielle Bewerber anzusprechen. In der modernen Personalbeschaffung ist die Nutzung von Social Media unverzichtbar geworden, weil Plattformen wie LinkedIn und Xing hilfreich sind, um gezielt nach Spezialisten zu suchen. Auch Antworten auf Kununu-Bewertungen sind ein Mittel zur Verbesserung der Bewertung der Firma.

Für kleinere Unternehmen gilt es, die Balance zwischen überregionaler Präsenz und lokaler Verwurzelung zu finden. Hierzu gehören beispielsweise Informationsveranstaltungen an Schulen, das Abhalten von Unterrichtsstunden und Schnuppertage. Oft müssen Unternehmen die Grundausbildung von Bewerbern übernehmen, weil die nicht immer die schulischen Voraussetzungen für weiterführende Ausbildungen mitbringen.

“Ein effektives Personalmanagement setzt auf eine klare Selbstverständnis und zielt darauf ab, die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeitenden zu erfüllen. Hierfür werden unter anderem Videos produziert, die die Vorteile für die Beschäftigten kommunizieren.

Ohne Employer Branding wird es zukünftig schwer werden, gute Fach- und Führungskräfte zu gewinnen, weil die Wirkung nach draußen wichtig ist. Früher wurde in Bezug auf Social Media Understatement gelebt. Für die Darstellung der Unternehmen in der Öffentlichkeit wird viel Energie notwendig werden.”

Mitarbeiterbindung als strategischer Erfolgsfaktor in der modernen Unternehmensführung

Auch wenn sich die Gemengelage für die einzelnen Unternehmen unterschiedlich darstellt, gibt es doch globale Herausforderungen, die gemeistert werden wollen. Der demographischer Wandel macht sich nicht nur in Form des Fachkräftemangels und das vermehrte Ausscheiden der Babyboomer aus dem Berufsleben, sondern auch als anstehender Generationswechsel in Familienunternehmen bemerkbar. Die Interviews wurden geführt, um etwas über die Handhabung des Multikrisenmanagements und der Vision von Personalverantwortlichen zu erfahren.

Die erfolgreiche Bindung von Mitarbeitern basiert auf einem tiefen Verständnis ihrer Bedürfnisse und Einstellungen. Studien zeigen, dass die Kosten für die Neubesetzung einer vakanten Schlüsselposition bis zu einem Jahresgehalt betragen können, wenn ein Leistungsträger das Unternehmen verlässt. Eine geringe bzw. gesteuerte Fluktuationsrate ist daher entscheidend für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Darüber hinaus fungieren aktuelle und ehemalige Mitarbeiter als wichtige Botschafter ihres Unternehmens, sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Umgang mit Lieferanten und Kunden (Harasek 2022).

“Die Wirtschaft steht vor einer Transformation, der Weg ist nicht klar. Es ist eine satte Gesellschaft, die nicht mehr spürt, wo es wehtut. Die regulatorischen Auflagen sind vielfältig und brauchen viel Energie. Es ist aber nicht nur die Bürokratie, sondern auch die Digitalisierung und der globale Wettbewerb, dem wir uns stellen müssen.”

“Wie kommuniziert man diese Dinge, wenn man selbst nicht weiß, wohin die Reise geht?”

In wirtschaftlich turbulenten Zeiten und während tiefgreifender struktureller Veränderungen ist das Engagement und die Loyalität der Belegschaft von besonderer Bedeutung. Etwas überspitzt gesagt, kann ohne Mitarbeiterbindung die Transformation nicht erfolgreich bewältigt werden. Unternehmen sind daher gefordert, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das die emotionale Bindung der Mitarbeiter stärkt und sie zu positiven Repräsentanten auf dem Arbeitsmarkt macht.

Literaturtipps

Gallup Engagement Index Deutschland 2023: https://www.gallup.com/de/472028/bericht-zum-engagement-index-deutschland-2023.aspx#ite-611066

Rudolf Harasek (2022): Konzepte der Mitarbeiterbindung in Dienstleistungsunternehmen; Master Thesis an der Universität Klagenfurt.