
In Zeiten hoher Arbeitsbelastung, Remote Work und zunehmender Erschöpfung unter Führungskräften und Mitarbeitenden ist es unabdingbar, Initiativen zur Verbesserung der mentalen Gesundheit zu etablieren. Untersuchungen belegen, dass jede:r vierte Arbeitnehmende regelmäßig von psychischen Erkrankungen betroffen ist (Workplace Insights, 2021), und die durchschnittliche Dauer eines Arbeitsausfalls aufgrund psychischer Probleme ist mit fast 40 Tagen so hoch wie nie (DAK, Psychreport 2022).
Laut Harvard Business Review (2019) forderten bereits vor der Corona-Krise 86 Prozent der Befragten einen offeneren Umgang mit mentaler Gesundheit. Doch welche Strategien können Unternehmen implementieren, um die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz effektiv zu verbessern? Wie erreichen sie ihre gesamte Belegschaft und stärken die Kompetenzen der Führungskräfte so, dass sie eine übermäßige psychische Belastung im Team erkennen und angemessen darauf reagieren? In diesem Beitrag werden diese und weitere Fragen beantwortet und Dos und Don'ts für eine erfolgreiche Umsetzung vorgestellt.
Sensibilisierung für das Thema Gesundheit
Ein bloßes Ignorieren des Themas und fehlende Kommunikation zur Gesundheitsförderung führen nicht zum gewünschten Erfolg. Stattdessen raten wir, die Belegschaft durch kurze und kreative Impulse zu sensibilisieren. Langwierige E-Learnings und Seminare sind oft zu zeitaufwendig und können zusätzlichen Stress für die Mitarbeitenden verursachen. Es reicht außerdem nicht aus, Angebote nur vor Ort bereitzustellen, insbesondere in Zeiten von Remote Work.
Bei Evermood haben wir festgestellt, dass eine erfolgreiche Sensibilisierung am besten durch regelmäßige, kurze Videobeiträge erreicht wird. Diese sollten kreative Fragestellungen wie "Wann hast du dich das letzte Mal so richtig geärgert?" sowie Hinweise zur Emotionsregulation und Tipps zum Umgang mit Frust bzw. Ärger enthalten — oder z.B. kurze Übungen zur Erholung und Stressbewältigung.
Darüber hinaus sind virtuelle Diskussionen und Workshops eine hervorragende Möglichkeit zur Sensibilisierung. Insbesondere Erfahrungsberichte sind sehr wirksam, wie beispielsweise eine Führungskraft, die über den eigenen Burnout berichtet. Kurz gehaltene Formate, die spezifisch auf Zielgruppen zugeschnitten und sind, erweisen sich ebenfalls als sehr effizient: Zum Beispiel mehr Angebote speziell für Frauen zum Thema mentale Gesundheit und hormonelle Beeinflussung. Unsere beliebtesten Formate dauern hier zwischen 15 und 20 Minuten.
Förderung der Gesundheits- und Sozialkompetenzen
Wir beobachten oft, dass Unternehmen keine verpflichtenden Veranstaltungen für Führungskräfte anbieten. Dies kann jedoch schwerwiegende Konsequenzen haben, da ein unklarer Führungsstil Unsicherheit und Belastung bei den Mitarbeitenden hervorrufen und auf lange Sicht deren Gesundheit gefährden kann. Daher sollten präventive Maßnahmen für Führungskräfte verpflichtend sein, um eine Vorbildfunktion zu schaffen und ein einheitliches Führungsverständnis zu etablieren.
Wie bereits erwähnt, sind regelmäßige, kurze Beiträge zur Förderung der Kompetenzen effektiver als ganztägige Seminare oder E-Learnings. Daher empfehlen wir, durch kurze Formate die Gesundheits- und Sozialkompetenzen zu fördern, ohne die bereits stark belasteten Führungskräfte zu überfordern. So kann eine Führungskraft für jede alltägliche Situation schnell eine passende Antwort finden. Sei es, eine psychische Belastung oder ein Suchtproblem zu erkennen und konstruktiv anzusprechen, oder einen Konflikt zwischen Teammitgliedern zu lösen. Es liegt in der Verantwortung der Personalabteilung, den Führungskräften das nötige Wissen zu vermitteln und sie so zum richtigen Handeln zu befähigen.
Vertrauen schaffen
Angebote zur Förderung der mentalen Gesundheit sollten möglichst niedrigschwellig gestaltet sein. Es reicht nicht mehr aus, einfach eine Vertrauensperson zu benennen oder eine Seelsorge (EAP-)Hotline bereitzustellen und darauf zu hoffen, dass Mitarbeitende dort anrufen. Darüber hinaus stellen wir oft fest, dass es an Transparenz hinsichtlich der Vertraulichkeit der Unterstützungsangebote mangelt. Dies hat zur Folge, dass Mitarbeitende das Gefühl haben, ihre Privatsphäre wird nicht ausreichend geschützt und deshalb zögern, die Angebote zu nutzen.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine niedrigschwellige Herangehensweise besonders durch einen anonymen und digitalen Erstkontakt erreicht wird, bei dem die Privatsphäre gewahrt bleibt. Es ist zudem entscheidend, die Prozesse und beratenden Personen klar zu benennen, um Vertrauen aufzubauen. Eine Überkommunikation in diesem Bereich kann dazu beitragen, Ängste und Bedenken zu reduzieren und die Akzeptanz der Unterstützungsangebote zu fördern.
In der Praxis sehen wir, dass nur ein kleiner Teil der Belegschaft bei Konflikten oder gesundheitlichen Belastungen direkt zum Telefon greift. Die meisten suchen zunächst digital nach einer schnellen, qualitativen Einschätzung und Handlungsempfehlung. Bei komplexeren und fortgeschritteneren Fragen ist dann eine vertrauliche, persönliche Beratung erforderlich.
Nutzung auswerten & Maßnahmen ableiten
Herkömmliche Employee Assistance Programme werden jährlich von nur 1-3% der Belegschaft genutzt. Diese geringen Nutzungs- und Fallzahlen spiegeln die Bedarfe von einem Bruchteil der Belegschaft wieder und haben zu wenig Aussagekraft über den gesundheitlichen Zustand aller Beschäftigten. Auch ist es nicht zielführend, sich nur auf punktuell durchgeführte Umfragen zu verlassen, wie etwa die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung alle vier Jahre.
Wir bei Evermood nutzen Auswertungstools, um in Echtzeit eine Übersicht der Bedarfe und Schwerpunktthemen zu identifizieren. Anhand dieser Erkenntnisse können Unternehmen so zielgerichtet Maßnahmen ableiten, um ihre Belegschaft bestmöglich zu unterstützen. In der Vergangenheit haben unsere Kunden auf Basis ihrer Schwerpunktthemen z.B. Fokusthemen für ihre Gesundheitswoche, verpflichtende Schulungen für Führungskräfte oder die Ausrichtung ihrer internen Gesundheitskommunikation abgeleitet. So können monatlich statt 1-3% pro Jahr Nutzungszahlen von 20-40% der Belegschaft erreicht werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es für Unternehmen heute unerlässlich ist, mehr zur Stärkung der mentalen Gesundheit zu tun. Gute Absichten sind hier jedoch nicht immer gleichbedeutend mit guten Ergebnissen. Die in diesem Beitrag vorgestellten Dos und Don'ts geben einen Überblick darüber, was in der Praxis funktioniert und worauf es bei der effektiven und nachhaltigen Stärkung der psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden ankommt.
Über die Autorin:
Lara von Petersdorff ist die Geschäftsführerin und Gründerin von Evermood. Vor drei Jahren mitbegründete sie Evermood aus dem Psychologischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität heraus und unterstützt heute Konzerne, mittelständische Unternehmen, Verwaltungen und Startups bei der Umsetzung von modernen und nachhaltigen Personalentwicklungs- und Gesundheitsmaßnahmen. Lara beschäftigt sich leidenschaftlich mit den Themen positive Psychologie, Konfliktmanagement, Gleichberechtigung und persönliche Weiterentwicklung.