Michael Rossié steht seit fast 30 Jahren auf der Bühne und im Studio. Der geborene Kölner, der am Niederrhein aufgewachsen ist, besuchte nach dem Abitur die Schauspielschule Ruth v. Zerboni in München. Anschließend begann er nicht nur als freier Schauspieler und Regisseur zu arbeiten, sondern auch Radiosprecher und Moderatoren zu trainieren. Bald kam seine Tätigkeit für Wirtschaftsunternehmen hinzu, in denen er Personalern und Führungskräften das Thema non-verbale Kommunikation näher bringt.

person sitting near table holding newspaper
Foto von Adeolu Eletu

 

Veranstaltungstipp

Keynote-Vortrag von Michael Rossié:
„Der Ton macht die Musik! Non-verbale Kommunikation im HR-Business-Alltag“

auf der Messe PERSONAL2012 Süd,
Dienstag, 24. April 2012,
11.20-12.05 Uhr,
Messe Stuttgart, Halle 9, Forum 3

auf der Messe PERSONAL2012 Nord,
Mittwoch, 9. Mai 2012, 13.45-14.20 Uhr,
CCH Hamburg, Halle H, Forum 2

Weitere Informationen:
www.personal-messe.de

zum Auftakt einer Präsentation stellt sich der Referent meist vor. Was ist der Kardinalfehler dabei?

Die meisten Menschen stellen sich in einem Satz vor, indem sie am Ende jedes Satzteiles die Stimme  nach oben ziehen. Das tun sie deswegen, weil sie mit den Gedanken schon immer beim nächsten sind. Während sie Ihren Namen sagen, sind sie mental schon bei ihrer Position und rattern das so durch. Deshalb ist mein Tipp: Beginnen Sie nicht mit dem Namen, nicht weil ihn niemand wissen will, sondern weil er meistens schon bekannt ist. Überlegen Sie sich sieben oder acht Punkte, die Ihnen wichtig sind und beginnen Sie zur Übung jedes Mal mit einem anderen Aspekt. Die Anzahl der Informationen sollte nicht zu dicht hintereinander kommen, denn das setzt Referenten unter Stress.

Was verrät die Stimme?

Wenn jemand sehr gestresst ist, dann tendiert die Stimme dazu ungewöhnlich hoch und schrill zu sein. Jemand, der sich besonders profilieren möchte, säuselt eher. So sprechen zum Beispiel Führungskräfte, wenn sie von der Fortbildung kommen. Eine leicht näselnde Stimme wiederum könnte ein Indiz für großes Selbstbewusstsein sein. Die leichte Vibration im Kopf genießen arrogante Menschen ganz besonders. Jemand, der den Unterkiefer nicht auf bekommt, könnte etwas verbergen. Oder es könnte sich um unterdrückte Wut oder Ärger handeln.

Gibt es irgendwelche Tipps, wie man sich bei einer Präsentation hinstellen sollte?

Hören Sie nicht auf irgendwelche Trainer. Wenn Sie vorne stehen und halten Ihre Hände im neutralen Bereich, dann lachen wir uns alle kaputt und sagen: „Der war gerade im Rethoriktraining.“ Oder Sie verschränkten Ihre Arme und dann fällt Ihnen ein, dass Sie das ja nicht dürfen. Menschen sollten ihre Körpersprache nicht trainieren. Sonst machen Sie sich lächerlich.

Meinen Sie wie Angela Merkel, die Ihre Hände immer etwas gestelzt vor sich aufsetzt?

Ja, genau, der sogenannte Merkel-Igel. In jedem Kommunikationsseminar ist das der Lacher. Überflüssig sind auch solche Vorgaben wie Hände auf Gürtelhöhe im neutralen Bereich, nicht in die Hosentasche, Standbein – Spielbein, nicht die Beine überschlagen, gerades Rückgrat. Das signalisiert nur, dass jemand nicht seine eigene Meinung und seinen eigenen Kopf hat, sondern nur tut, was ihm  jemand gesagt hat. Da bekommen Sie keine selbstbewussten Mitarbeiter, sondern Marionetten, die in Managementtrainings verbogen wurden.

Gibt es bei der Gestik geschlechtsspezifische Merkmale?

Am ehesten in der Art, sie zu interpretieren. Mir haben schon mehrere weibliche Führungskräfte erzählt, dass sie ein Problem haben: Sie wurden darauf angesprochen, dass sie „fuchteln“. Ich sage dann immer gleich: „Das hat ein Mann zu Ihnen gesagt.“ Und in der Tat sagen das meistens Männer. Da ist eine Frau am Durchstarten, ist super und macht eine tolle Präsentation und dann werfen Männer einen ganz kleinen Knüppel zwischen die Beine und sagen, Du musst nur ein bisschen auf Deine Hände achten – und schon geht gar nichts mehr.

Die Körpersprache sollte man also nicht trainieren. Aber Schauspieler tun das doch auch, oder?

Ein Schauspieler schafft es, Markierungen auf dem Boden zu sehen, Emotionen herzustellen, den Text zu kennen und den Partner anzuschauen. Das schafft ein „Normalsterblicher“ nicht. Wenn Sie die ganze Energie auf die Haltung und aufs schöne Antworten geben verwenden, können sie kein vernünftiges Gespräch mehr führen. Deshalb sollten sie sich darauf konzentrieren, das Gegenüber mit spannenden Inhalten zu fesseln – und dann fällt dem Zuhörer auch die Handhaltung nicht auf.

Dennoch lässt sich aus der Körpersprache einiges herauslesen, zum Beispiel im Gespräch mit einem Bewerber auf eine freie Stelle.

Ich bin mit den Aussagen des österreichischen Pantomimen Samy Molcho nicht immer einverstanden, aber ich stimme ihm zu, wenn er sagt: „Der Körper kann nicht lügen.“ Das heißt, jemand, der mir etwas vorspielt, kann eigentlich etwas anderes sagen als er verbal ausdrückt. Aber lügen kann er nicht. Dann sollte ich aus der Summe der Signale und Aussagen meine Schlüsse ziehen.

Wenn ich beispielsweise jemand frage: „Können Sie gut organisieren?“ Dann könnte jetzt eine vorbereitete Antwort kommen – so in dem Sinne „selbstverständlich, das tue ich täglich und kann es gut bewältigen“. Ein guter Interviewer sollte dann nachfragen und sagen, „das interessiert mich. Könnten Sie dafür ein Beispiel geben oder das weiter ausführen.“ Dann merken Sie schnell, ob die Fassade, falls es eine solche ist, zusammenfällt.

Wir müssen also einfach unseren gesunden Menschenverstand einschalten?

Im Grunde ja. Aber die meisten Personaler waren schon auf irgendwelchen Trainings und vergessen auf ihren gesunden Menschenverstand zu achten. Viele Bewerbungsgespräche laufen nach dem Handbuch für Bewerbungsgespräche. Was ist Ihre schlechteste Eigenschaft? Ungeduld. Was weiß ich jetzt? Die Antworten darauf sind meist eingeübt. Das gibt Ihnen natürlich schon eine gewisse Information, aber nicht unbedingt die, ob jemand für die Stelle geeignet ist. Das Problem ist oft: Wir schauen nicht richtig hin. Wir beschäftigen uns oft mit uns selbst und vergessen, auf die Signale des Gegenübers zu achten.

Viele Dinge nehmen wir aber doch auch unbewusst war. Der erste Eindruck entscheidet ja angeblich oft schon über die Einschätzung des Gegenübers.

Ja, der erste Eindruck spielt eine große Rolle. Wir können uns nicht dagegen wehren und deshalb sollten wir ihm nachgeben. Denn ob er berechtigt ist oder nicht: Sie müssen mit diesem Menschen unter Umständen zusammenarbeiten. Wenn Ihr Bauchgefühl extrem dagegen spricht, dann sollten Sie ihn nicht einstellen. Aber ich bin immer dafür, es anzusprechen, wenn einem etwas komisch vorkommt.

Eine Geschichte hat mir mal ein Personaler erzählt: Er hat im Vorstellungsgespräch gesagt: „Ich verstehe das nicht, Ihre Unterlagen sind okay, was Sie sagen ist okay, aber irgendetwas stimmt nicht. Sie schauen mich gar nicht an.“ Sagt der Bewerber: „Gut, dass Sie es ansprechen. Ich hätte auf dem Weg hierher fast eine Frau angefahren und ich bin immer noch voller Adrenalin.“ Jetzt reden die beiden über die fast angefahrene Frau und es entsteht eine entspannte Atmosphäre.

Wie lässt sich das auf andere schwierige Gespräche übertragen?

Da sind oft die Personaler in der Situation, dass sie nervös sind. Wenn Sie zum Beispiel Leute entlassen müssen und Ihnen das schwer fällt,  dann sollten Sie es ansprechen. Allerdings nur, wenn Sie es auch wirklich so spüren. Sonst kann es schnell von der Stimmlage her geheuchelt rüberkommen. Sprechen Sie etwa über schlaflose Nächte, ist das nur glaubhaft, wenn Sie diese auch hatten.

Häufig geht es in Personalgesprächen auch um die Performance eines Mitarbeiters. Inwiefern können Personaler non-verbal motivieren?

Menschen lassen sich nicht von außen motivieren. Bei Menschen, die nicht motiviert sind, müssen Sie eher herausfinden, woran das liegt. Also sprechen Sie es an – und zwar so, dass Mitarbeiter das Gefühl haben, dass sie unter wohlwollender Beobachtung stehen. Zum Beispiel ärgert sich ein Mitarbeiter, dass er keinen Schlüssel für einen bestimmten Raum hat. Oder er hat Probleme im privaten Umfeld. Sie haben also ein Geheimnis, eine sogenannte Hidden Agenda. Das Wichtige ist herauszufinden, was das ist.

Wie lässt sich das am besten herausfinden?

In meinen Seminaren mache ich dazu oft eine Übung. Ich bringe einen Apfel mit, den mir die Teilnehmer verkaufen sollen. Da kommen Versuche wie: „Herr Rossié, dieser Apfel ist auf einer Wiese am Bodensee gereift.“ Ein anderer sagt: „Herr Rossié, Sie wissen ja, an apple each day keeps the doctor away.“ Alle preisen mir den Apfel an. Erster Fehler: Keiner hat mich gefragt, warum ich den Apfel nicht nehme. Wenn Sie das übertragen: Die Führungskraft oder der Personaler glaubt, ganz genau zu wissen, warum jemand nicht performt. Das stimmt aber in den meisten Fällen nicht. Zweiter Fehler: Keiner hat mir zugehört. Ich habe gesagt: „Ich mag jetzt keinen Apfel“. Die logische Frage darauf wäre: „Wann denn dann? Wollen sie ihn vielleicht mitnehmen?“ Denn mitnehmen würde ich ihn gerne. Die Hidden Agenda dahinter war: Ich habe gerade schon zehn Äpfel gegessen.

Auf welchem Gebiet könnten wir alle in punkto Kommunikation noch viel lernen?

Die ganze psychologische Theorie ist in meinen Augen noch kaum umgesetzt und nutzbar gemacht – zum Beispiel zum Reaktanzprinzip: Wenn in der Kaffeeküche ein Schild hängt „Bitte räumt Eure Tassen GEFÄLLIGST in die Spülmaschine!“, führt das nicht dazu, dass Menschen ihre Tasse in die Spülmaschine stellen – im Gegenteil. Das heißt, wenn Sie unter einen Fragebogen der Personalabteilung schreiben „Bitte beantworten Sie diese Fragen offen und wahrheitsgemäß“, ist die Quote der zutreffenden Antworten geringer als bei der Formulierung „Ob Sie die Fragen offen und wahrheitsgemäß beantworten, überlassen wir Ihnen“. Damit geben Sie den Mitarbeitern ihre Macht zurück.

Sollten wir also immer das Gegenteil von dem behaupten, was wir meinen?

Es geht eher darum, nicht zu übertreiben. Wenn Sie zum Beispiel auf der Website zu positiv über ihre eigene Firma sprechen und behaupten, dass alle Mitarbeiter immer mit Begeisterung mitarbeiten, dann weckt das Widerstand und provoziert die Frage: Sind die alle so begeistert? Sie können Mitarbeiterfeedback online stellen oder Fakten veröffentlichen. Aber der König bietet sich nicht an wie sauer Bier. Dieses psychologische Wissen ist vorhanden, Unternehmen nutzen es jedoch zu selten.

Interview: Stefanie Hornung