Die Learning Scorecard basiert auf dem Modell der Balanced Scorecard von Robert S. Kaplan und David P. Norton. Doch während die Balanced Scorecard auf die strategische Unternehmenssteuerung zielt, ist die Learning Scorecard auf die spezifischen Anforderungen des Bildungsmanagements ausgerichtet. Mit ihrer Hilfe können Personalentwickler Visionen und Strategien für das Bildungsmanagement eines Unternehmens entwickeln und intern kommunizieren. Außerdem gibt die Scorecard allen Beteiligten geeignete Kennzahlen an die Hand, die zeigen, wie sich die strategischen Ziele des Bildungsmanagements praktisch umsetzen lassen.

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Foto von Priscilla Du Preez

Die Learning Scorecard besteht aus zwei Elementen: der „Strategy Card“, welche die strategischen Vorgaben festhält, und der „Scorecard“, die den Entwicklungsprozess verfolgt (Abbildung 1). Unternehmen, die eine Learning Scorecard aufbauen möchten, müssen sich zunächst mit der strategischen Ausrichtung ihrer Personalentwicklung beschäftigen, um dann geeignete Kennzahlen für das Bildungsmanagement ableiten zu können.

Doch wie entsteht eine Personalentwicklungsstrategie? Zunächst geht es darum, die Vision des Bildungsmanagements herauszuarbeiten, die sich aus den strategischen Unternehmenszielen ableiten lässt. Fragen, die bei der Formulierung helfen können, sind zum Beispiel: „Wollen wir Spezialisten oder Generalisten ausbilden?“, „Ist uns die Performance wichtiger als die Vision einer lernenden Organisation?“ oder „Hat für uns formelles Lernen Vorrang vor informellem Lernen?“

Abbildung 1: Die Entwicklung der Learning Scorecard

Wenn sich die Unternehmensvision an Effizienz und Wirtschaftlichkeit orientiert, könnte die Vision des Bildungsmanagements lauten: „Wir ermöglichen eine leistungsorientierte und effiziente Qualifizierung“. Wesentliche Treiber, die dieses Ziel forcieren, sind Faktoren, die den Nutzen und die Kosten betreffen, wie zum Beispiel „Kosten senken“ oder „Beitrag der Weiterbildung steigern“.

Lautet die Unternehmensvision dagegen, „Wir sind das beste Dienstleistungsunternehmen“, liegt der Fokus klar bei den (externen) Kunden des Unternehmens, denn sie definieren, ob das Unternehmen seine Weiterbildungsziele erreicht oder nicht. In einem guten Dienstleistungsunternehmen müssen die Mitarbeiter optimal geschult sein. Sie müssen die Produkte sehr gut kennen, mit den Prozessen vertraut sein und dem Kunden gegenüber kompetent und freundlich auftreten. Die Vision der Personalentwicklung könnte lauten: „Wir bieten das richtige Know-how zur richtigen Zeit am richtigen Ort“. Das Bildungsmanagement eines dienstleistungsorientierten Unternehmens muss sich vor allem auf die Träger des Know-hows konzentrieren: die Mitarbeiter. Sie sind die internen Kunden der Personalentwicklung. Wichtige Treiber des Bildungsmanagements sind Faktoren wie „selbstorganisiertes Lernen“ oder „bedarfsgerechtes Bereitstellen von Lerninhalten“.

Vier Perspektiven der Learning Scorecard

Die Beispiele zeigen: Unternehmen können ihre Personalentwicklung ganz unterschiedlich gewichten. Die Learning Scorecard unterscheidet vier grundlegende Perspektiven, nach denen Unternehmen ihr Bildungsmanagement ausrichten können: die Kunden-, Finanz-, Prozess- und Ressourcenperspektive.

Die Kundenperspektiveist das Herzstück der Learning Scorecard. Sie beschäftigt sich mit dem Mitarbeiter als Adressaten der Weiterbildung. Unternehmen, die diese Perspektive ernst nehmen, analysieren die Anforderung der Beschäftigten an das Lernangebot und untersuchen die Lernleistungen der Mitarbeiter. Um die Werte- oder Leistungstreiber der Kundenperspektive zu identifizieren, kann sich die Personalentwicklung zum Beispiel folgende Fragen stellen:

  • „Ist die betriebliche Weiterbildung als Profit-Center organisiert?“
  • „Gehören zu unserer Zielgruppe auch externe Kunden, die Bildungsmaßnahmen am Markt nachfragen?“
  • „Welches sind die wichtigen Zielgruppen für Lernen im Unternehmen?“
  • „Bei welchen Zielgruppen bieten sich E-Learning oder Blended Learning als Ergänzung oder Ersatz überhaupt an?“
  • „Welche kulturellen Aspekte sind bei dem Einsatz von E-Learning zu berücksichtigen?“

Die Finanzperspektivehinterfragt, ob die Bildungsmanagement-Strategie wirtschaftlich ist. Außerdem untersucht sie, welchen Beitrag der Bildungsbereich zu den geforderten Umsatzsteigerungen und Kostensenkungen liefern kann. Sie achtet darauf, dass die Personalentwicklung ihre Budgets einhält, und macht Vorgaben zur Effizienz. Bei allen Werteoder Leistungstreibern der Finanzperspektive ist es besonders wichtig, die Verantwortlichkeiten festzulegen: Wer senkt die Kosten der Trainings? Und wer trägt dazu bei, die Produktivität der Weiterbildungen zu steigern?

Die Prozessperspektiveidentifiziert die wesentlichen Prozesse des Bildungsmanagements und stellt sie in einen Zusammenhang. Typische Fragen zu den Wertetreibern dieser Perspektive sind: „Welches sind die Kernprozesse des Bildungsmanagements?“

„Welche Rolle spielen Kundenbetreuung, Contenterstellung, Einkauf, Skillmanagement, Veranstaltungsmanagement oder Genehmigungsworkflows?“

„An welchen Stellen und wie können wir den Workflow verbessern?“

Die Ressourcenperspektiveist die Basis der Strategie und das Fundament sämtlicher Aus- und Weiterbildungsaktivitäten. Zu den Ressourcen gehören die IT-Infrastruktur inklusive des Lernmanagement-Systems, der Content sowie die Mitarbeiter im Bildungsmanagement. Fragen, die die Identifikation von Leistungs- und Wertetreibern dieser Ebene unterstützen, sind zum Beispiel: „Welche Ressourcen (Mitarbeiter, Content, Technik) benötigen wir für eine erfolgreiche Bildungsmanagement- Strategie?“ „Wie kann die notwendige Integration mit dem Wissensmanagement erfolgen?“

Abbildung 2: Beispiel einer Strategy Card

Strategy Card

Diese vier Perspektiven haben in Unternehmen jeweils unterschiedliche Stellenwerte. Die Learning Scorecard sollte diese individuelle Gewichtung widerspiegeln. Abbildung 2 zeigt die Strategy Card eines Unternehmens, das seine Personalentwicklung vor allem an den Faktoren der Leistungsorientierung und Effizienz misst. Die Finanzperspektive dominiert und ist daher ganz oben angesiedelt, während die anderen Ebenen (Kunden, Prozesse und Ressourcen) weiter unten angeordnet sind.

Die Strategy Card beschreibt außerdem die erfolgskritischen Leistungs- oder Wertetreiber, die das Unternehmen auf den jeweiligen Ebenen definiert hat. Diese Treiber stehen in engen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. So kann das Lernmanagement-System des Unternehmens (Ressourcenebene) die Qualität der Weiterbildungsprozesse (Prozessebene) deutlich steigern. Beispiel Bildungscontrolling: Ein gutes Evaluierungssystem sorgt für eine zeitnahe und umfassende Auswertung der Weiterbildungen. Diese Evaluationen sind Teil der Dienstleistungen, die die Personalentwicklung zur Verfügung stellt (Kunden-Ebene). Sind diese Dienstleistungen nützlich und gut, steigt die Effizienz der Personalentwicklung (Finanz-Ebene). Die Seminare entsprechen den Lernbedürfnissen der Teilnehmer, die Mitarbeiter sind zufrieden mit dem Lernangebot und motivierter, im Sinne der Unternehmensphilosophie zu agieren. Die Folge: höhere Produktivität und niedrigere Kosten.

Die Entwicklung der Strategy Card bringt Unternehmen dazu, die wichtigsten Wertetreiber ihrer Personalentwicklung zu identifizieren und deren Zusammenhänge zu analysieren. Im nächsten Schritt gilt es, den Wertetreibern Kennzahlen zuzuordnen und diese in eine Rangordnung zu bringen. Anschließend muss das Unternehmen die Kennzahlenwerte auf regelmäßiger Basis erheben. Dabei sollte es die Frequenz der Datenerhebung so wählen, dass die Personalentwicklung auf zu große Abweichungen von den Planwerten problemlos reagieren kann.

Abbildung 3: Kennzahlen einer Learning Scorecard

Kennzahlenwerte verbessern

Doch wie können Organisationen ihre Kennzahlenwerte gezielt verbessern? Dazu zwei Beispiele: Unser Beispielunternehmen ordnet dem Wertetreiber „Kosten senken“ die Kennzahl „Kosten für externe Trainer“ zu (Abbildung 3). Die Organisation legt fest, die Kosten innerhalb von zwei Jahren von derzeit durchschnittlich 1.200 Euro pro Tag auf 1.000 Euro pro Tag zu senken. Jetzt ist der Einkauf gefragt, neue Konditionen auszuhandeln. Denn auch wenn die Learning Scorecard primär von der Personalentwicklung vorangetrieben wird, liegen die einzelnen Verantwortlichkeiten durchaus in unterschiedlichen Abteilungen.

Dem Wertetreiber „Beitrag der Weiterbildung steigern“ lassen sich ebenfalls Kennzahlen zuordnen. Ein Beispiel ist die Auslastung eines Helpdesks nach EDV-Schulungen. Stichproben haben ergeben, dass nach Kursen zu einem bestimmten EDV-Thema 25 Prozent der Teilnehmer die Servicestelle mit Fragen kontaktieren. Ziel des Unternehmens ist es, diese Quote innerhalb der nächsten beiden Jahre von 25 Prozent auf zehn Prozent zu senken. Um diesen Wert zu erreichen, sollen Trainer oder qualifizierte Autoren die besonders häufig gestellten Fragen (FAQs) zum Kurs sammeln und in das Schulungsmaterial einarbeiten.

Abbildung 4: Ausschnitt aus einer Learning Scorecard am Beispiel der Kennzahl „Verhältnis von internen zu externen Trainings“

In der Learning Scorecard hält das Unternehmen regelmäßig fest, wie sich die Kennzahlenwerte entwickeln. Einen Ausschnitt daraus zeigt Abbildung 4 am Beispiel der Kenngröße „Verhältnis von internen zu externen Trainings“. Die Scorecard nennt das Ziel und gegebenenfalls die Formel, nach der der Kennzahlenwert berechnet wird. Wichtig ist es, genau festzulegen, zwischen welchen Werten das Ergebnis liegen sollte. Auch die Definition von Toleranzbereichen ist sinnvoll. Bewegt sich die Kenngröße aus dem Toleranzbereich, muss das Unternehmen die Ursache der Abweichungen untersuchen, um gegensteuern zu können.

Auf diese Weise unterstützt die Learning Scorecard gezielt die Planung, Steuerung und Kontrolle der Personalentwicklung im Unternehmen. Sie schafft Transparenz über Ursache-Wirkungs-Mechanismen und verdeutlicht so gezielt die zentralen Steuerungshebel des Bildungsmanagements. Außerdem belegt sie den Nutzen der Personalentwicklung und Weiterbildung – bis hin zur plakativen Darstellung des Human Capital. Die Learning Scorecard schließt damit die Lücke zwischen Personalentwicklung und Unternehmensmanagement.

Quelle: personal manager 1/2008