Unternehmen sollten ihr Employer Branding mit Kunst in die Aktivitäten von Personalmanagement, Marketing und Corporate Social Responsibility (CSR) integrieren, um ein allumfassendes Gesamtbild nach außen abzugeben. Damit wird ihr Engagement wirkungsvoller und glaubwürdiger, weil das Unternehmen auf allen Linien stringent zeigt, dass es das Engagement mit Ernst und Nachhaltigkeit verfolgt.

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Foto von Hunters Race

 

So sammelt das Karlsruher Beratungsunternehmen Secorvo seit vielen Jahren nur einen einzigen Künstler mit Namen Thitz aus Winterbach bei Stuttgart. Mit einer Leihgabe von fünfzehn Arbeiten anlässlich eines von Secorvo veranstalteten Kundenevents fing alles an: „Inzwischen gibt es nur noch wenige Wände im Unternehmen ohne die erfrischenden Bilder“, heißt es in einem Artikel des Karlsruher Wirtschaftsspiegels. „Und das nicht ohne Grund: `Erfolgreiche Künstler und Berater haben viele Gemeinsamkeiten. Beide leben von Kreativität, Ideen und Inspiration. Bei beiden sind die Arbeitsergebnisse immer ganz unmittelbar dem kritischen Blick des Betrachters ausgesetzt. Daher stellen beide an ihre Arbeiten hohe Qualitätsanforderungen. Und beide stehen mit jedem neuen Projekt, jeder neuen Arbeit vor einer neuen Herausforderung´, erläutert Dirk Fox, Geschäftsführer von Secorvo. `Bei den Arbeiten von Thitz kommt dazu, dass sie den Witz und die Lebensfreude des Künstlers ausstrahlen. Wer von solchen Bildern umgeben ist, kann nur gute Laune bekommen. Gelingt die Auswahl, kann das zudem die Bindung an das Unternehmen verstärken – eine Mitarbeiterin von Secorvo bringt es auf den Punkt: ‚Kündigen ist jetzt keine Option mehr – dann müsste ich ja auf meinen Thitz verzichten.´“ Die Kunst dient bei Secorvo somit dem Personalmanagement (insbesondere der Mitarbeiterbindung), der Corporate Social Responsibility (Förderung eines regionalen Künstlers) und dem Marketing (Schärfen der Arbeitgebermarke).

 

Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) ließen sich von dem chinesischen Künstler Liu Bolin anregen, durch Bodypainting Mitarbeiter in den Straßenraum zu stellen und zu fotografieren. Ihre Bemalung verband sich mit der Umgebung, sodass die einzelnen unsichtbar wurden. Auf der Microwebseite (www.unsichtbarevbztalente.ch) wurden die Mitarbeiter mit all ihren Fähigkeiten, Hobbys und Interessen vorgestellt. Damit wollte der Betrieb neue Mitarbeiter gewinnen. Für diese Personalmarketingkampagne erhielten die VBZ den HR Excellence Award 2015 in der Kategorie „KMU Employer Branding-Strategie“. Leider finden sich auf der Microseite keine Hinweise auf den Künstler, der die Kampagne inspiriert hat. Dabei wären diese Informationen für den Betrachter sicherlich interessant. Schon aus Gründen des Urheberrechts empfiehlt es sich, die Ideengeber direkt in vergleichbare Projekte einzubinden.

Wenn Unternehmen Kunst nicht nur als Dekoration oder Luxus betrachten, sondern als Medium für Inspiration und Emotion, Anschauung, Diskussion und Kreativität, kann sie ihre ganze Kraft entfalten. Denn nicht zuletzt ist Kunst eine sinnvolle komplementäre Ergänzung zur Digitalisierung und zunehmend virtuellen Welt.

Auch zur Teamentwicklung kann Kunst beitragen. So unterstützt eine gemeinsame Kunstbetrachtung das Kennenlernen und – in kulturell diversen Belegschaften – den interkulturellen Dialog. Im besten Fall lernen die Teilnehmer einer solchen Teamentwicklung, die Aussagen und Sichtweisen der anderen zu respektieren. Kunst eignet sich sehr gut dazu, mit anderen Gedanken zu teilen, zu überprüfen und zu ergänzen. Denn nicht alle Betrachter sehen alles und nicht alle sehen das Gleiche. Im Gespräch über ein Kunstwerk äußern alle ihre Einsichten, Ansichten und Überlegungen, teilen Fantasien und Gedanken. Insgesamt können Gespräche mit und über Kunstwerke, die in Fluren, Büros, Besprechungsräumen hängen, den Dialog der Mitarbeiter untereinander beleben und durch die Gewichtung, die Kunst im Unternehmen hat, zur mehr Identifikation mit dem Arbeitgeber führen.

Einige Unternehmer können den Mehrwert beschreiben, den ihre Sammlung für sie selbst, aber auch für Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner hat. Der Unternehmensberater Jochen Kienbaum sagt beispielsweise: „Dadurch entsteht eine intensive Kundenbindung, die nicht nur geschäftlich geprägt ist. Diese Verbindung von Kunst und Kienbaum prägt das Bild des Unternehmens nach innen und außen“ (siehe Literaturtipp). Und eine junge Mitarbeiterin berichtete ihm, wie sie die dort präsentierten Kunstwerke empfindet: als Inspiration, die die Gedanken beflügelt. Meiner Erfahrung nach sind Unternehmenssammlungen jedoch oft noch nicht hinreichend in den Arbeitsalltag integriert. Eine Auseinandersetzung mit den Werken, die zu kreativen Impulsen, interessanten Gesprächen und sogar einer Art von Weiterbildung führen könnte, findet in den meisten Firmen nicht statt. Dabei ist es für die Mitarbeiter ein Mehrwert, zu wissen, welche Kunstwerke in ihrem Büro und im Flur hängen. Ganz nebenbei fördert es die Identifikation mit dem Unternehmen.

 

Darüber hinaus lässt sich Kunst auch gezielt in der internen und externen Kommunikation einsetzen, zum Beispiel bei Mitarbeitergesprächen. Kunst ist ein „door opener“ für Gespräche, weil sie Gefühle weckt. Gerade introvertierte Menschen können sich durch Kunst unter Umständen besser öffnen. Eine gemeinsame Kunstbetrachtung fördert Nähe und Vertrauen.

 

Entwickeln Sie ein Kunstkonzept, das individuell auf Ihr Unternehmen abgestimmt ist.

 

– Das Kunstkonzept sollte langfristig angelegt werden, um glaubwürdig zu sein

– Integrieren Sie Ihre Kunstsammlung in möglichst viele Bereiche des Unternehmens, zum Beispiel in die Mitarbeitergespräche, in das Employer Branding und Marketing.

– Achten Sie die Autonomie und Freiheit der Kunst. Suchen Sie, wenn möglich, den Austausch mit den Künstlern.

– Informieren Sie Ihre Mitarbeiter über die Kunstwerke, die in ihren Räumen hängen, und fördern Sie das Gespräch über Kunst.

– Nutzen Sie Ihre Kunst auch in Teambuilding-Workshops oder Weiterbildungen.

 

Kreativität ist heute mehr denn je gefragt. Das zeigt auch die Studie „The Future of Jobs“, die das Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2016 veröffentlichte. Sie nennt zehn Skills, die notwendig sind, um in der Industriellen Revolution erfolgreich bestehen zu können. Stand 2015 die Kreativität noch auf Platz zehn, wird sie im Jahr 2020 auf Platz drei stehen. Kreativität gewinnt in der Wirtschaft an Bedeutung, weil Innovationen über den Erfolg im Wettbewerb entscheiden. Kreativität ist somit die neue Währung – sowohl für Mitarbeiter als auch für Unternehmen.

 

Wenn Kreativität immer wichtiger wird, müssen aber auch Unternehmen und Mitarbeiter in dieser Hinsicht zusammenpassen. Ein konservatives Traditionshaus wird es schwer haben, kreative Mitarbeiter anzuziehen und zu halten. Die große Frage ist daher, wie Unternehmen selbst Kreativität im Sinne einer modernen Unternehmenskultur entwickeln und leben können, um im nächsten Schritt kreative und talentierte Menschen für sich gewinnen und längere Zeit binden zu können.

 

Kunst hat die Kraft, Kreativität nicht nur zum Ausdruck zu bringen, sondern auch zu befördern. Sie ist ein besonders geeigneter Kreativmotor, weil sie alles zeigt und fordert, was Menschen benötigen, um in der neuen Arbeitswelt kreativ zu werden – zum Bespiel Toleranz, kritisches, komplexes Denken und differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit. Kunst eignet sich hervorragend für Kreativtrainings, zum Beispiel in der Forschung und Entwicklung.

 

So haben sich Apple-Mitarbeiter von einer Picasso-Serie inspirieren lassen, die einen gezeichneten Stier von der realistischen Darstellung bis hin zu höchster Abstraktion zeigt. Die Mitarbeiter hatten die Aufgabe, eine neue Fernbedienung zu entwickeln. Am Ende kam ein Gerät mit nur vier Tasten heraus. Reduktion und Abstraktion lässt sich durch Kunst lernen, ebenso Farbgebung. So haben die Expressionisten blaue Pferde, gelbe Kühe und grüne Gesichter gemalt. Sie bewiesen Mut und probierten Neues.

 

Manche Kunstwerke stehen für die Transformation von Materialien beziehungsweise die Nutzung von Material in ungewohnter Weise. Hierfür sind Künstler absolute „Forscher“, die Materialien „stressen“, erproben und sie auf neue Weise einsetzen, um mit ihnen neue Formen zu erfinden.

 

Beat Zoderer zum Beispiel ist bekannt für seine Bilder aus Büromaterialien wie Hefter, Aktenordner oder Postlets. Er zeigt, wie diese Materialien eine neue Einsatzmöglichkeit erhalten und in einen ästhetischen Kontext transformiert werden. So hat bereits 1914 Marcel Duchamp erstmals einen Gebrauchsgegenstand, einen industriell hergestellten Flaschentrockner vom Kaufhaus, auf einen Sockel gestellt und es als „Readymade“ zur Skulptur erklärt. Der Surrealist René Magritte stellte in einem Bild eine Giraffe in ein Glas und das Glas in eine Landschaft. Oder er ließ Männer vom Himmel regnen. Kunstwerke wie diese regen die Fantasie an und animieren, „out of the box“ zu denken. Sätze wie „Das haben wir immer schon so gemacht“ werden hiermit ad absurdum geführt. Und man beginnt, sich was zu trauen, Mut zu entwickeln, Neues auszuprobieren.

 

Kunst in oder für Unternehmen kann somit das Ansehen der Firmen heben. Aber der Einwand ist berechtigt, dass Kunst zu sammeln oder auszustellen alleine noch kein Alleinstellungsmerkmal für einen Arbeitgeber ist. Nahezu alle Großunternehmen wie Siemens, Daimler, BMW, SAP, diverse Banken, die Frankfurter Börse und auch der dm-Markt sammeln oder engagieren sich für Kunst.

 

Doch nicht alle haben ein ausgereiftes, unverwechselbares Kunstkonzept. So sammelt Daimler reduktive Kunst, Minimal Art und Zero. Die Deutsche Bank sammelt – aufgrund der Banknoten und Aktien – künstlerische Arbeiten auf Papier (so das Grundkonzept, das inzwischen ausgebaut wurde). Der ADAC sammelt alles, was mit Autos zu tun hat, und die Telekom trägt Werke zusammen, die sich im Storytelling, in narrativen Bildgeschichten, hervortun. Das Metzinger Unternehmen Hugo Boss stiftet einen hochdotierten Kunstpreis in Kooperation mit dem Solomon Guggenheim Museum in New York und stellt den Mitarbeitern einen Art Pass zum freien Eintritt in die Museen zur Verfügung.

 

Aber noch weniger Firmen stellen das Kunstkonzept, sofern eines vorhanden ist, in den Fokus ihrer internen und externen Unternehmenskommunikation, geschweige denn in den Kontext von Employer Branding. Dabei liegt hierin eine große Chance, sich als kreativer Arbeitgeber zu positionieren und durch das Kunstengagement Mitarbeiter anzusprechen. Wichtig ist, dass dieses Konzept unverwechselbar ist und sich von anderen Mitbewerbern um Talente unterscheidet.

 

Der unterscheidende Faktor könnte am Ende eine Form sein (das Museum Ritter sammelt – analog zur Schokolade – quadratische Kunst) oder auch eine Farbe, ein Thema oder nur ein Künstler oder eine Kunstrichtung, eine bestimmte Epoche oder Stilrichtung, ein bestimmtes Medium wie Fotografie, Grafik oder virtuelle Kunst. Unternehmen können junge Künstler aus der Region oder einer Akademie sammeln beziehungsweise ausstellen. Wer ein Kunstwerk als System begreift (siehe Abbildung), kann sich hier einzelne Aspekte herausgreifen und sie für das eigene Kunstkonzept nutzen.

 

Dabei muss Kunst nicht teuer sein, sondern eben zum Unternehmen passen. Sie muss nicht gekauft, sondern kann auch geliehen, gemietet oder geleast werden. Auch Wechselausstellungen sind möglich.

 

Kunst kann diese Unterscheidbarkeit fördern. Unternehmen, die moderne Kunst sammeln oder ausstellen und sich für sie engagieren, setzen damit ein Statement und unterscheiden sich von ihren Mitbewerbern. Gerade das Engagement für zeitgenössische Kunst kommt gut an, weil es auch den direkten Kontakt zu lebenden Künstlern ermöglicht.

 

So fördert die BEST GRUPPE in Düsseldorf pro Jahr einen Künstler aus der Kunstakademie. Er stellt seine Werke in den Büroräumen aus und erhält ein monatliches Stipendiatengeld. Die Mitarbeiter helfen bei der Vernissage und lernen den Künstler über das Jahr hinweg kennen. Ein Ziel des Projekts sei es, die „Akzeptanz von anderen Lebensentwürfen“ zu fördern, so die Leiterin der Unternehmenskommunikation Petra Rieke. Die Mitarbeiter können Fragen an die Bilder und den Künstler stellen, um zu verstehen, welche Gedanken er oder sie sich gemacht hat. „Der Blick auf Dinge ändert sich.“ Zudem erhielten die Mitarbeiter durch die originalen Kunstwerke am Arbeitsplatz eine „wertige Umgebung“, so Rieke.

 

Dass Kunst heute für viele „hip“ ist, zum „Lifestyle“ dazugehört und immer mehr Menschen anspricht, belegen auch die steigenden Besucherzahlen in den Museen, Großausstellungen und Messen. So verzeichneten die 706 Kunstmuseen in Deutschland zusammen im Jahr 2015 fast 20 Millionen Besucher. Im Jahr 2017 zählte die internationale Kunstmesse Art Basel 95.000 Besucher, die documenta in Kassel erlebte mit 891.500 Gästen einen Rekord.

 

Wer Kreativität fördern möchte, muss vor allem den physischen, mentalen und zeitlichen Raum bieten, Neues auszuprobieren und Fehler zu machen. Klassische Arbeitszeiten im „Nine to five“-Rhythmus passen damit schlecht zusammen. Stattdessen brauchen Mitarbeiter Räume und Zeiten, in denen sie frei arbeiten, assoziativ denken, scribbeln, zeichnen und entwerfen können. Die Firmen Otto und Bosch haben inzwischen große Kreativräume mit Unterstützung von Künstlern geschaffen, um diese Möglichkeiten zu schaffen.

 

Das Problem: Unternehmenskulturen, die der Kreativität den Boden ebnen, mögen von Firma zu Firma etwas unterschiedlich ausfallen, aber dennoch sind sie vergleichbar. Als Unterscheidungsmerkmal, das dem Schärfen der Arbeitgebermarke dient, eignen sie sich somit nur bedingt.

 

Wir befinden uns heute in einem großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel. Die Digitalisierung und die industrielle Revolution 4.0 schreiten voran, Maschinen sind zunehmend intelligent vernetzt und auch unsere Art zu interagieren verändert sich. Parallel dazu entsteht eine Arbeitswelt, in der Führungskräfte und Mitarbeiter Aufgaben neu verhandeln müssen, weil Hierarchien flacher und Prozesse agiler werden. Personalmanager stehen vor der Herausforderung, mit verschiedenen Generationen und ihren Auffassungen von Leben und Arbeit umzugehen.

 

Jede Zeit hat ihren „idealen Mitarbeiter“. In der „VUCA-Welt“ von heute, die viele als unbeständig, unsicher, komplex und ambivalent Polkowskierleben, scheint es der „Smart Creative“ oder „Cultural Entrepreneur“ zu sein, der einen gewissen „Start-up-Spirit“ mitbringt – eine Mischung aus Kreativität, Ideenreichtum, Flexibilität, Neugier und Unternehmergeist. Diese Eigenschaften zeichnen besonders Künstler aus.

Wirtschaft trifft Kunst: Warum Kunst Unternehmen gut tut. Von Ulrike Lehmann. Springer Gabler 2017.