Andreas Bischof, Leiter Berufsbildung der Bühler Gruppen und Initiator des Fernunterrichtskonzepts ClassUnlimited™, zwischen Uzwil und anderen Standorten weltweit.

Andreas Bischof, Innovationsförderung durch Vermittlung von Soft Skills und überfachlichen Kompetenzen
Andreas Bischof

Andreas Bischof ist seit 2009 Leiter der Berufsbildung der Firma Bühler AG in Uzwil (SG) und damit verantwortlich für die Ausbildung von rund 300 Lernenden in der Schweiz und weiteren 300 Lernenden weltweit. Zuvor hat er an der Berufsfachschule Arbon unterrichtet und in verschiedenen Firmen als Konstrukteur gearbeitet. Bei Bühler konnte sein Team und er in den letzten 10 Jahren die internationalen Einsätze für die Lernenden aufbauen. So können jährlich rund 20 Bühler Lernende für zwei bis sechs Monate an einen Firmenstandort für zwei bis sechs Monate nach China, den USA, Südafrika, England, Frankreich, Indien, Brasilien oder Vietnam entsandt werden. Um den Lernenden einen Auslandeinsatz von mehreren Monaten zu ermöglichen, ohne dabei den Unterricht an der Berufsfachschule zu verpassen, haben Andreas Bischof und Felix Tschirky (Prorektor der Berufsfachschule Uzwil) 2012 das multimediale Klassenzimmer «ClassUnlimited» entwickelt.

Was verstehen Sie unter dem Begriff «Learning Innovation» und wie wird er bei Bühler umgesetzt?

Aus betrieblicher Sicht erachte ich es als äusserst wichtig, dass wir innovative Wege finden das vorhandene Wissen der über 12’500 Bühler Mitarbeiter/innen zu teilen bzw. sich gegenseitig zur Verfügung zu stellen. Die Möglichkeiten des kollaborativen Zusammenwirkens über die Hierarchie- und Landesgrenzen hinweg, inklusiver der Einbindung von Kunden und Lieferanten, wird daher unser grösstes Bestreben sein. Dazu werden wir am Standort in Uzwil im Mai 2019 ein 50 Millionen Schweizer Franken teures Innovationszentrum eröffnen, welches diesen Ansprüchen gerecht werden wird. Die so geschaffene Umgebung bestehend aus idealen Räumen für konzentriertes Arbeiten, bietet Chancen zum persönlichen Austausch und ermöglicht das Bauen erster Prototypen in den Makerspace-Räumen.

Was sind für Sie Herausforderungen und Ziele – Strategien / Projekte und Programme im Bereich Lernen und Arbeiten?

Die Herausforderung besteht für uns darin, die Kraft der digitalen Technologien zu nutzen um nach Innovationen zu suchen. Mit dem Innovationszentrum bieten wir rund 300 mobile Arbeitsplätze an, wo innovatives Denken auf fruchtbaren Boden fallen wird, da unsere Mitarbeiter und Partner noch enger zusammenarbeiten können. Seien das nun Kunden, Zulieferer, Akademiker, Lernende oder Start-ups. Der CUBIC (Name des Innovationszentrums) wird ein Ort sein, wo Ingenieurwesen und Business aufeinandertreffen, wo Teams aus den verschiedensten Disziplinen zusammen an Ideen tüfteln. Um nun über die Grenzen hinweg optimal voneinander lernen zu können, werden wir den technologischen wie auch pädagogischen Erfahrungsschatz aus dem Projekt «ClassUnlimited» einfliessen lassen.

Mit dieser Art der Wissensvermittlung und der Art der Zusammenarbeit, können wir unsere Innovationskultur leben und die Arbeitspraktiken der Zukunft testen.

Was müssen Betriebe, Organisationen, Bildungsinstitutionen tun, um Lerninnovationen umzusetzen?

Die berufliche Grundbildung nimmt für Bühler seit über 100 Jahren eine wichtige Rolle ein. Sie sichert nicht nur den langfristigen Fachkräftebedarf des Unternehmens, sondern ermöglicht auch eine auf den Betrieb ausgerichtete Ausbildung, die sowohl qualitativ hochwertiges Fachwissen, als auch ein hohes Mass an Netzwerkfähigkeiten, interkulturellen Kompetenzen und sozialen Fähigkeiten beinhaltet. Diese Kombination aus fachlichen und überfachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen ist zentral für die Lerninnovationskraft des Betriebes, z. B. für die Geschwindigkeit des Innovationsprozesses.

Um diesen Innovationsprozess vorantreiben zu können müssen wir zukünftig dem arbeitsplatzbezogenen Lernen einen hohen Stellenwert beimessen. Daher nimmt das zeit- und ortsunabhängige Lernen in der Personalentwicklung einen fixen Platz ein.

Die so ausgebildeten Mitarbeiter/innen werden dadurch befähigt einen kreativen Austausch zu pflegen um gemeinsam neue Geschäftsmodelle für Bühler zu entwickeln.

Um Innovationen voranzutreiben werden Lernende von Beginn an in F&E-Prozesse involviert. So sind bspw. Lernende der Berufe Automatiker, Informatiker und Konstrukteur direkt dem F&E-Bereich zugeordnet und arbeiten dort unter anderem auch in der Grundlagenforschung mit. In den Bühler Forschungslaboren arbeiten sie beispielsweise mit ETH-Ingenieuren zusammen, installieren u. a. Messsonden und tragen so zur Analyse der Trocknungsprozesse von Pasta bei. Aber auch Lernende der Berufe Anlagen- und Apparatebauer, sowie Polymechaniker tragen zur innovativen Leistungsfähigkeit des Unternehmens bei; dies vor allem dort, wo es um eher mechanische Lösungsansätze geht. Dies manifestiert sich beispielsweise auch im Rahmen der jährlich stattfindenden Innovation Challenge, die unter der Leitung des Bühler Chief Technology Officer, Ian Roberts stattfindet. Dabei können sich weltweit sämtliche Mitarbeitende von Bühler (inklusive Lernende) in Projektteams zusammenschliessen und Innovationsprojekte vorschlagen. Nach einer betriebsinternen Vorselektion der Innovationsprojekte werden 20 an der ETH Zürich evaluiert; am Ende des Evaluationsprozesses werden sechs Projekte umgesetzt. Eines der sechs im Rahmen der Innovation Challenge 2018 ausgewählten Teams besteht vollständig aus Berufslernenden. In diesem Team haben sich Lernende des Anlagen- und Apparatebaus, der Polymechanik und der Konstruktion zu einem länderübergreifenden Innovationsprojekt zusammengeschlossen.

Ziel des Projektes ist es zu helfen, massiv die Staubemissionen beim Röstungsprozess von Kaffeebohnen in Ländern ohne stabiles Stromnetz zu reduzieren. Die Projektgruppe hat es sich zum Ziel gemacht, eine mechanisch (d. h. ohne Strom) betriebene Maschine für die Entfernung der Haut von gerösteten Kaffeebohnen mittels Mörser zu entwickeln, die eine geringe Staubentwicklung aufweist und somit Gesundheitsschäden wie beispielsweise Erblindung verhindert. Die Berufslernenden übernehmen die Projektleitung, entwickeln Prototypen und bringen die Maschine – so geplant – innert zwei Jahren zur Serienreife.

Was fordert Sie aktuell heraus? Mit was wollen Sie sich in den nächsten Jahren beschäftigen?

Das Erbauen eines neuen «Lerncampus», welcher es ermöglicht auch zukünftig bestens qualifizierte MEM- Berufsleute für unser Unternehmen auszubilden.Wir werden uns darin nebst den fachlichen Fähigkeiten weiterhin auch sehr stark den überfachlichen Kompetenzen den sogenannten «soft skills», wie Führungsfähigkeiten, Netzwerkfähigkeiten, interkulturelle Kompetenzen oder Projektmanagement widmen. All diese Kompetenzen werden ab dem ersten Ausbildungstag gezielt aufgebaut. So werden beispielsweise Berufslernende von Anfang an auf dem gesamten Spektrum des betrieblichen Innovationsgeschehens in die Arbeiten einbezogen; dadurch können sie frühzeitig und aktiv an der Innovationsfront Erfahrungen sammeln und an dieser mitwirken. Systematisch gefördert werden auch Fähigkeiten im Bereich des Projektmanagements. Rund ein Viertel der Lernenden nimmt während der beruflichen Grundbildung an einer viermonatigen Ausbildung zum Projektleiter teil. In gemischten Teams generieren die Lernenden Lösungen für reale Kunden und lernen, wie man ein Projekt leitet, dokumentiert oder präsentiert, aber auch wie sich die Arbeit mit Kunden aus fremden Kulturkreisen, wie beispielsweise aus China, gestaltet. Interkulturelle Kompetenzen werden durch Auslandeinsätze systematisch aufgebaut. So können Berufslernende im letzten Lehrjahr für mehrere Monate an ausländische Standorte von Bühler gehen und sich so beispielsweise in China, Vietnam, Südafrika, Indien, England, Brasilien, Frankreich oder in den USA bereits während der beruflichen Grundbildung ein internationales Netzwerk, aber auch ein Verständnis für andere Kulturen und Arbeitsweisen aneignen.

Zur Stärkung der überfachlichen Kompetenzen rotieren Berufslernende schon früh in der Ausbildung durch verschiedene Abteilungen und Fachbereiche. So erhalten sie einen Einblick auch in benachbarte Berufsfelder, was ihr überfachliches Wissen systematisch verstärkt. Lernende in der Konstruktion gehen beispielsweise auch in die Automation, damit sie lernen zu programmieren oder Schaltschränke in Betrieb zu nehmen, oder sie gehen in die Schlosserei, wo sie lernen einfache Konstruktionen mittels Schweissen, Kleben, Nieten oder Löten umzusetzen, oder sie gehen in die Mechanik, um zu erlernen wie Ersatzteile maschinell hergestellt werden.

Diese überfachlichen Kompetenzen, insbesondere Vernetzungsfähigkeiten über verschiedene Fachbereiche oder Landesgrenzen hinweg, werden von uns als Schlüsselkompetenz für die Innovationskraft des Unternehmens angesehen. Da technische und unternehmerische Probleme immer komplexer werden und kaum mehr von Einzelpersonen gelöst werden können, sind einerseits ein breiter Mix an unterschiedlichsten Fähigkeiten und Fachwissen, andererseits Fähigkeiten, die erlauben auf diese Wissensquellen zuzugreifen – z.B. Teamorientierung und interkulturelle Kompetenzen – zentral.

Gibt es ein spezielles Leuchtturmprojekt, an dem Sie aktuell arbeiten?

Ja, zu nennen wäre da das «KV4.0» – ein Leuchtturmprojekt der beruflichen Bildung. Im Zuge der Digitalisierung und des Offshoring vollzieht die Dienstleistungsbranche gegenwärtig einen intensiven Strukturwandel. Repetitive Tätigkeiten werden ins Ausland ausgelagert oder automatisiert, klassisch kaufmännische Arbeitsplätze werden abgebaut, Menschen durch Maschinen ersetzt. Vor diesem Hintergrund erschufen 7 regionale Lehrbetriebe aus unterschiedlichen Branchen, unter der Leitung des Berufs- und Weiterbildungszentrum Wil-Uzwil das innovative Ausbildungsmodell KV4.0.

Wir möchten dadurch die Kaufmännische Lehre möglichst attraktiv und marktfähig machen. Wir werden darin vermehrt zeitüberdauernde und zukunftsfähige Inhalte betonen. Kompetenzen wie Problemlösefähigkeit, Vernetztes Denken, Projektmanagement, aber auch Kommunikationsfähigkeit und Sozialkompetenz müssen aktiv geschult werden.

Dabei wollen wir auch methodisch andere Wege gehen. Die Ausbildung soll neue Technologien bewusst nutzen und dadurch individueller, orts- und zeitunabhängiger werden.

Beeindruckend, was in Sachen Berufsbildung umgesetzt wird. Wir wünschen Ihnen und der Bühler AG in dieser Sache viel Erfolg.

Andreas Bischof, Keynote Swiss eLearning Conference 2013

Interview: Bruno Steurer

Quelle:
Dieses Interview erschien zuerst in dem Sammelband “10 Jahre Learning Innovation Conference – 22 Interviews”. Hrsg. von Alexander Petsch und Dr. Daniel Stoller Schai, HRM Research Institute 2019.

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