Von Horst Kraemer

144 Seiten, 14,99 Euro
Verlag Kösel 2012
ISBN 978-3-466-30955-9

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Foto von Sean Pollock

Würde ich eine völlig neue Methode der Selbsthilfe – also eine Art „Wundermittel“ – kennen lernen oder hängt es auch hier letztendlich von einzelnen selbst ab, inwieweit die intensivere Beschäftigung mit einem bestimmten Thema Einfluss auf das eigene Verhalten nimmt?

Horst Kraemer, Psychotherapeut mit langjähriger Erfahrung und in der Vergangenheit selbst von einem Burn-out betroffen, liefert auf knapp 140 Seiten eine Selbstanleitung, sein Leben zu überdenken und eigenständig die notwendigen Schritte zum erfolgreichen Umgang mit den Folgen von Stress zu initiieren. Im Mittelpunkt steht hierbei ein eigenverantwortliches Selbststeuerungskonzept, welches in Kombination mit zahlreichen Übungen thematisch Interessierte oder Betroffene zur Reflexion des eignen Lebens, Verhaltens und der persönlichen Wünsche auffordert.

„Neuroimagination“ ist eine geschützte Coaching-Methode, die vom Autor selbst und seinem Team entwickelt wurde. Mehrere tausend Male durchgeführt und eine wissenschaftlich belegte Wirkungsweise lassen vermuten, dass es sich um ein neues, wirklich funktionierendes Konzept handelt. Ein Blick hinter die Kulissen (sprich: in das Buch) macht jedoch schnell deutlich, dass es sich bei der Methode weniger um eine Revolution, sondern vielmehr um die Kombination unterschiedlichster, durchaus bewährter Verfahren handelt, die bereits seit vielen Jahren bekannt sind.

Horst Kraemer verwendet für die Erläuterungen der Neuroimaginations- und Körperpulsationsübungen Visualisierungen, die gut nachvollziehbar sind und leicht umgesetzt werden können. Gleichzeitig die Anleitungen zu lesen und zu praktizieren, ist jedoch fast unmöglich. Hilfreich ist daher das im Internet (mittels eines Passwortes auf der letzten Seite im Buch) abrufbare Download-Material, das nicht nur die vom Autor gesprochenen Neuroimaginationsübungen beinhaltet, sondern auch kurze Hörstücke zu den Themen Stress und Lebensbalance anbietet. Erst die gesprochenen Übungen ermöglichen es, sich auf diese konzentrieren und zeitgleich praktisch anwenden zu können.

Allerdings ist es m.E. individuell unterschiedlich, inwieweit man sich auf diese Methode einlassen kann und möchte. Hier spielen vor allem die Stimme des Sprechers und die Vortragsweise eine wichtige Rolle (sind diese für meine Empfindung angenehm?). „Vielleicht ist es möglich …“ – mit diesen Worten lädt der Autor den Zuhörer zu den unterschiedlichen Anleitungen ein. In mindestens jedem zweiten Satz wiederholt, stellte sich bei mir jedoch recht schnell ein gewisser Unmut ein, der mich von der eigentlichen Übung ablenkte.

Generell stellt sich die Frage: Bis zu welchem Stresslevel gelingt es dem Leser, sich die Zeit zu nehmen und die Ruhe zu finden, dieses Buch zu lesen und den Anweisungen zu folgen? Aus meiner Sicht kann dies nur in den Anfängen einer Stresssituation geschehen und zwar, noch bevor die biochemischen Vorgänge in unserem Körper die Gefühls- und Verhaltenssteuerung maßgeblich beeinflussen. Einmal mit den Übungen vertraut und diese regelmäßig durchgeführt, ist es vielen Anwendern sicherlich möglich, eine nachhaltige Wirksamkeit in ihrem Sinne zu erzeugen.

Mein Fazit: Wie häufig bei Ratgebern dieser Art, wird auch hier der Erfolg des Buches von jedem Leser selbst gesteuert. Die angebotenen Übungen bieten bei Bedarf gute Möglichkeiten zur Reflexion der eigenen Situation. Inwieweit es allerdings im Ernstfall, also in einem bereits fortgeschrittenen Stadium von Stress und Burn-out helfen kann, ist im Einzelfall abzuwägen. Unter Umständen sollte der akut betroffene Leser besser umgehend professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, anstatt es mit diesem Selbsthilfebuch zu versuchen. Doch für den Umgang mit dem eigenen Leben und der individuellen Wahrnehmungen von Signalen des Geistes und Körpers ist das Buch sicherlich ein guter Impulsgeber – allerdings ohne grundlegend neue Erkenntnisse.

 

Praktischer Nutzwert * * * * *
Lesbarkeit/Schreibstil * * * * *
Verständlichkeit * * * * *
Gliederung/Übersichtlichkeit * * * * *
Meine persönliche Empfehlung für Personalverantwortliche * * * * *