00:00:06
Alexander Petsch: Glückauf und herzlich willkommen zu den heutigen HRM-Hacks, präsentiert von der TALENTpro, dem Expofestival für Recruiting, Talent Management und Employer Branding, das am 6. und 7. Juli nach einer Corona-Pause wieder live in München stattfindet. Unter www.talentpro.de könnt Ihr mehr zum Line-up und allem, was Euch erwartet, erfahren. Mein Name ist Alexander Petsch, ich bin der Gründer des HRM Instituts, Euer Gastgeber. In unserer heutigen Folge spreche ich mit Frank Breckwoldt über seine Tipps und Ansichten zum Thema “Hochleistung und Menschlichkeit als Führungskonzept”. Frank Breckwoldt kenne ich seit fast 20 Jahren. Ich habe schon mehrere Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen der Unternehmen, die ich gegründet oder mitverantwortet habe, zu ihm geschickt und war immer, wie auch die Teilnehmer, begeistert und hochzufrieden. Frank Breckwoldt ist ein besonderer Wanderer zwischen den Welten – aktiver Unternehmer auf der einen Seite, Führungstrainer auf der anderen Seite. Man kann sagen, er ist Vollblutunternehmer von Kindesbeinen an, denn er stammt aus einer Unternehmerfamilie. An Dralle-Haarprodukte kann sich der eine oder andere sicher noch erinnern. Dort war er mit 27 Jahren schon Geschäftsführer. Nach dem Verkauf des Unternehmens, ich glaube an Wella, hat er zusammen mit seinem Bruder die Friseurkette Ryf Coiffeur aufgebaut. Und seit 20 Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Hochleistung und Menschlichkeit. Ich freue mich außerordentlich, dass wir heute Frank Breckwoldt bei uns haben. Herzlich willkommen!

00:02:04
Frank Breckwoldt: Dankeschön. Gerne.

00:02:07
Alexander Petsch: Herr Breckwoldt, ich kann mich dunkel erinnern, Sie haben mir erzählt, wie Sie zu dem Thema kamen, dass Sie sich keinen Trainer leisten konnten. Wie kam es denn zu diesem Thema Hochleistung und Menschlichkeit?

00:02:23
Frank Breckwoldt: Ja, das Thema Hochleistung und Menschlichkeit im Inhalt hat mich natürlich schon von Anfang an unternehmerisch sehr gereizt. Und nach den sehr, sehr erfolgreichen Jahren in der Führung von Dralle und dem Verkauf an L’Oreal haben wir dann ja Ryf Coiffeur gegründet. Und wie das dann so läuft, dort habe ich unternehmerisch in den Anfangsphasen fast alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Das hat ein Schweinegeld gekostet und mir meine tiefste Krise des Unternehmens. Das wäre auch fast schief gegangen. Ich habe dann von außen eine Geschäftsführungskapazität dazu geholt und mit dem von außen geholten Geschäftsführer haben wir dann das Unternehmen gedreht. Schlüsselthema des Aufstiegs war der Wechsel von einer bis dahin sehr stark zentral geführten Unternehmung, was nie funktioniert hat, hin zu weitestgehender Dezentralität. Das heißt, die Entscheidungsgewalt so weit wie möglich in die Salons verlagert. Experten haben mir damals vorausgesagt, damit macht man das Unternehmen endgültig kaputt. Und das war der Beginn des Aufstiegs. Das war aber ein Kulturschock im Unternehmen, der begleitet werden musste mit Trainings, um die Führungskräfte vor Ort, insbesondere die Salonleitung, darauf vorzubereiten, damit sie in der Lage waren, wirklich 80 Prozent aller Entscheidungen, die den Salon vor Ort betreffen, selbst zu treffen und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen. Und das musste mit Trainings begleitet werden. Da musste man die Führungskräfte darauf vorbereiten. Und da wir fast pleite waren und uns keine Trainer leisten konnten, bin ich selbst jahrelang durch Deutschland getingelt und habe in kleinen Gruppen meine Salonleitungen, meine Führungskräfte vor Ort, trainiert. Und dort ist dann das Training „Hochleistung und Menschlichkeit“ entstanden. Und man konnte fast zugucken, wie mit einer enormen Geschwindigkeit sich das ganze Unternehmen dann gedreht und eine positive Entwicklung genommen hat. Aber wie gesagt, der Start waren dunkelste unternehmerische Zeiten.

00:04:41
Alexander Petsch: Was sind denn die Pfeiler, auf denen „Hochleistung und Menschlichkeit“ basiert? Wo geht’s denn da los?

00:04:53
Frank Breckwoldt: Ich würde es mal so sagen. Zunächst einmal eine ganz frühe oder rebellische Erkenntnis, die mich bis heute weiter verfolgt und die ich befolge, ist das Thema “Wer geht vor was?” Ich habe da einen Champions League-Anspruch, ich möchte unternehmerisch mit dem, was ich mache, zu den Besten im Markt gehören, ich möchte unternehmerisch erfolgreich sein. Das hängt aber ab von denjenigen, die das Geschäft betreiben, und das sind alle Mitarbeiter, egal an welcher Stelle des Unternehmens. Und deshalb ist aus meiner Sicht die wichtigste Entscheidung, die jede Führungskraft treffen muss: Sorge dafür, dass um dich herum handverlesen die richtigen Leute stehen! Mit den richtigen Leuten am richtigen Platz wirst du auf Dauer gewinnen. Mit denen kannst du eigentlich auf Dauer gar nicht mehr verlieren. Und das habe ich mir sehr zu Herzen genommen. Das ist meine wichtigste Entscheidung, finde die richtigen Leute. Dazu übrigens, und das ist ganz spannend, es gibt die richtigen Leute am falschen Platz. Dann muss man sehen, dass sie an den richtigen Platz kommen, damit sie voll zur Wirkung kommen können. Also nicht zu schnell den Stab über jemanden brechen, weil er an der Stelle, an der er jetzt ist, vielleicht nicht so tolle Leistung bringt. Aber, und das ist die Kehrseite an Erfahrungen, die ich unternehmerisch gesammelt habe, es gibt auch falsche Leute. Und falsche Leute sind an jeder Stelle des Unternehmens fehl am Platz. Falsch ist jeder, der nicht bereit ist, jeden Tag anzutreten und sich Mühe zu geben, auf hohem Niveau seinen Leistungsbeitrag zu leisten. Falsche Leute muss man möglichst schnell identifizieren und dann sehen, dass diese so schnell wie möglich das Unternehmen verlassen. Weil jeder, der falsch ist, streut dir irgendwie Sand ins Getriebe. Und das verhindert dann, dass du auf Dauer nicht zu Spitzenleistung kommst. Die nächste ganz wichtige Erfahrung, die ich dann gesammelt habe, das habe ich an mir selbst nachvollziehen können, ist die Grunderkenntnis, Hochleistung und Menschlichkeit, scheinbar ein Paar, das Gegensätze darstellt, sind aus meiner Sicht nur in der Zusammenfassung, nur in der Symbiose, dauerhaft für Spitzenleistung geeignet. Nur dann kommst du dauerhaft aus meiner Sicht zu Spitzenleistungen. Nämlich Hochleistung, das ist ein Leistungsanspruch, der hohe Anspruch, dauerhaft zu den Besten in deinem jeweiligen Markt gehören zu wollen und dafür auch alles zu tun, mit hohem Ehrgeiz ins Spiel zu gehen. Aber die klare Erkenntnis ist, ohne Leistungsdruck und den Leistungsforderungen wirst du auf Dauer nicht auf höchstem Niveau auch wirklich Leistungen erhalten. Aber immer dabei im Auge zu behalten, dass du mit deinen Mitarbeitern, das gilt aber natürlich auch für das Zusammenspiel mit Lieferanten, mit Kunden und allen, die mit dir zu tun haben, damit du dauerhaft erfolgreich bist, anständig umgehst. Das ist Thema Menschlichkeit. Und nur in dieser Kombination kommt es wirklich dauerhaft zum Erfolg. Und das ist für mich diese Waage-Situation, das heißt, das ist ein sehr, sehr sensibles Instrument mit hohem Gewicht auf beiden Seiten, um einigermaßen gleichgewichtig Hochleistung und Menschlichkeit in der Praxis auch wirklich umzusetzen. Und dabei bin ich zu der Erkenntnis gekommen, und das hat vielen meiner Seminarteilnehmer von vornherein sehr geholfen, deutlich klar zu machen, jeder von uns kommt von der Grundstruktur her entweder aus der einen oder aus der anderen Ecke. Keine der beiden Ecken ist die bessere oder schlechtere für dauerhafte Spitzenleistung. Aber mach’ dir bitte klar, aus welcher Ecke du kommst. Weil diejenige Ecke, aus der du kommst, wirst du in aller Regel übergewichtig in deiner Führungstätigkeit einsetzen. Wer aus einer Hochleistungsecke kommt, dem fällt es nicht schwer, Hochleistungsanforderungen auch wirklich umzusetzen. Dem fällt es auch nicht schwer, Druck aufzubauen. Dem fällt es aber eher schwer, was ich als Menschlichkeit bezeichne: anständiger Umgang mit den Mitarbeitern, Wertschätzung, Mitarbeiter mitzunehmen, begeistern für eine Sache. Da fällt denen auch nicht jeden Morgen wieder etwas Neues ein. Dem Hochleister fällt jeden Morgen wieder irgendetwas ein, womit er die Leistung vielleicht noch weiter steigern kann. Aber weniger zum Thema Menschlichkeit, damit muss er sich konkret und bewusst auseinandersetzen. Wer aus der Menschlichkeitsecke kommt, dem fällt jeden Tag morgens wieder etwas Tolles ein, was man mit den Mitarbeitern machen kann. Was man noch besser gestalten, wie man das Klima doch angenehmer machen kann. Alles richtig, alles gut. Die Gefahr ist dabei, dass der Leistungsgedanke und die Leistungsanforderung, ohne die du eben nicht zu Spitzenleistung kommst, auf der Strecke bleiben. Und noch einmal, es gibt keine gute oder keine schlechte Idee. Es ist nur wichtig, mache dir klar, aus welcher Ecke du kommst! Ich behaupte, jede Führungskraft weiß spontan, aus welcher Ecke sie kommt – wenn sie einigermaßen Zugang zu sich selbst hat. Und mache dir dann klar, dass du dich insbesondere um die Gegenseite deiner persönlichen Neigung, deiner persönlichen Entwicklung, kümmern musst. Wenn du das macht, dann merkst du plötzlich, wie das mit hohem Gewicht auf beiden Seiten in einen Ausgleich kommt. Gleichgewicht alleine reicht. Ich erlebe auch Führungskräfte, da ist links nichts drin und rechts nichts drin. Die fordern nicht viel von ihren Mitarbeitern, aber kümmern sich auch nicht um die Mitarbeiter. Das geht natürlich schief. Es geht nicht nur um Gleichgewicht, sondern darum, hohes Gewicht gleichgewichtig zu machen. Das ist eine wichtige Erkenntnis. Und wer sich das erst mal verinnerlicht, ist meist schon richtig gut unterwegs, weil er dann weiß, dass er sich bewusst und gezielt mit der Gegenseite seiner persönlichen Prägung auseinandersetzen muss.

00:11:40
Alexander Petsch: Viele unserer Zuhörerinnen und Zuhörer sind aus dem HR-Bereich, da ist doch meistens die menschlichere Seite die schwergewichtige.

00:11:54
Frank Breckwoldt: Das ist ganz spannend, aus meiner Erfahrung aus ganz vielen Trainings mit tausenden von Führungskräften. Ich frage immer diese Frage, jeder macht sich bitte klar, aus welcher Ecke er kommt. Nicht melden, dass nur jeder für sich selbst weiß, ich komme aus der Ecke, ich muss mich auf die Gegenseite konzentrieren. Und dann kreuzen die das an, anonym, und ich sammele die Karten ein. Und ich habe kaum eine Gruppe, in der es eine Mehrheit von Führungskräften gibt, die sich selbst einschätzen, aus der Hochleistungsecke zu kommen. Ich habe immer deutliche Mehrheiten von Führungskräften, die sagen, ich komme aus der Menschlichkeitsecke. Ob das stimmt, das weiß ich nicht. Aber ich glaube schon, dass ganz viele Führungskräfte tatsächlich aus der Menschlichkeitsecke kommen. Und für mich ist es nur wichtig, dass sie bei aller Menschlichkeit, und sie sollen auch gar keine Abstriche machen, nicht aus den Augen verlieren, dass wir auch leisten müssen, dass eine hohe Leistung erbracht werden muss, wenn wir Spitzenleistung haben wollen. Und das fällt denen nicht immer leicht. Aber wenn man es mal erkennt, geht es auch leichter. Es gibt diesen schönen Begriff der Meerschweinchen-Kultur: Alle haben sich lieb, aber kein Schwein bewegt sich. Da müssen Führungskräfte, die sehr stark aus der Menschlichkeitsecke kommen, unheimlich aufpassen. Nicht immer nur auf Stimmung gehen, auf gutes Klima, super Umgang, alles Wertschätzung. Alles ganz wichtig, aber bitte immer im Kontext der Leistungsanforderung. Erst wenn dieser Kontext hergestellt wird, wird es wirklich Spitzenleistung.

00:13:35
Alexander Petsch: Aus welcher Ecke kamen Sie, bevor Sie das ins Gleichgewicht gebracht haben?

00:13:40
Frank Breckwoldt: Ich frage das übrigens meine Seminarteilnehmern gegen Ende: Was meinen Sie, aus welcher Ecke ich komme? Das ist ganz spannend, ganz häufig wird gesagt, Sie sind doch der klassische Hochleister. Ich komme dezidiert aus der Menschlichkeitsecke. Und ich habe sehr viel Lehrgeld bezahlen müssen, um diese Erkenntnis zu haben und auch umzusetzen. Mir fällt für jeden Tag irgendetwas Neues ein, was man noch superpositiv mit den Mitarbeiten machen kann. Ich muss mich schon sehr bewusst auf das Hochleistungsfeld begeben, um die Leistungsanforderungen und den in positiver Weise gemachten Leistungsdruck nicht zu vernachlässigen. Ich habe natürlich Erfahrung genug und bin alt genug und lange genug im Geschäft, dass man nicht mehr unbedingt erkennt, dass ich sehr dezidiert aus der Menschlichkeitsecke komme. Das ist aber Führungserfahrung. Heute lebe ich relativ gut hohes Gewicht auf beiden Seiten, aber ich habe eben auch Jahrzehnte Führungserfahrung hinter mir. Im Positiven wie im Kritischen.

00:14:51
Alexander Petsch: Ich würde mich wahrscheinlich eher der Hochleistungsseite zuordnen.

00:14:58
Frank Breckwoldt: Noch einmal, es gibt keine gute oder schlechte Seite. Nur dann ist es für Sie wichtig, sich nicht von morgens bis abends zu überlegen, wie sie noch mehr Leistung fordern und durchsetzen können. Sondern Sie müssen sich eben mit den weicheren Themen stärker auseinandersetzen. Weil die Gefahr, dass das untergewichtig gelebt wird in der Führungsarbeit, ist relativ hoch.

00:15:20
Alexander Petsch: Jetzt haben Sie vorhin davon gesprochen, falsche Leute zu identifizieren. Wie gehen Sie da vor?

00:15:28
Frank Breckwoldt: Jeder hat seine Chance verdient und man darf auch nicht zu schnell seinen Stab brechen über Mitarbeiter. Aber ich glaube, wenn man hinguckt, wenn man ehrlich ist und sich nichts vormacht, erkennt man doch relativ schnell, wen du da vor dir hast. Ich meine, es gibt dann auch immer die Blender, es gibt auch die Schauspieler, und die können sich eine gewisse Zeit sicher auch ein bisschen verstellen. Damit habe ich eigentlich relativ wenige Probleme gehabt. Wenn du dann merkst, da ist kein wirkliches Engagement dahinter. Wichtig ist allerdings auch, und das möchte ich sehr betonen, nicht gleich den Stab zu brechen. Aber bitte den Mumm haben, in die Auseinandersetzung zu gehen und deutlich zu machen, dass es nicht reicht, so wie du dich hier aufstellt. Das ist übrigens eine spannende Frage, die ich immer wieder habe. Sie haben manchmal Leute, die in eine relativ anspruchsvolle Position kommen, entsprechend auch Geld verdienen, für die du auch ordentlich bezahlen musst, damit sie zu dir kommen. Aber das ist eben so, je höher du dann beim Gehaltsniveau angesiedelt bist, desto höher sind auch die Ansprüche, denen du gerecht werden musst. Und ich habe schon Fälle erlebt, und die sind auch mir schwergefallen, da war menschlich und engagementmäßig alles in Ordnung. Aber der hohen Latte, die sich die Leute selbst gelegt haben, sind sie nicht gerecht geworden. Dann bist du eigentlich nicht falsch im Unternehmen, aber in der Funktion wirst du dem nicht gerecht. Das sind die sehr unangenehmen Situationen, in denen du dann aber auch den Mumm haben musst, darauf zu reagieren.

00:17:24
Alexander Petsch: Sie haben eingangs gesagt, einer der vielen Schlüssel zum Erfolg war das Thema Dezentralität. Das ist auch heute topaktuell. Das Homeoffice hat ja in vielen Organisationen Dezentralität geradezu über Nacht ins Unternehmen geprügelt. Was sind denn da die Schlüssel?

00:17:45
Frank Breckwoldt: Das fängt natürlich damit an, dass du von Dezentralität und ihrer Wirksamkeit überzeugt sein musst. Ich war das am Anfang ja auch nicht unbedingt, deswegen haben wir ein unglaublich zentralistisches System gemacht, was nie funktioniert hat. Wenn Sie die Großunternehmen sehen, fast egal welcher Branche, die meisten kämen nie auf die Idee, sehr dezentralisiert zu arbeiten. Sondern die sind in aller Regel sehr zentral aufgestellt. Deswegen haben kleine und mittlere Unternehmen im Wettbewerb gegen die überhaupt Chancen, weil die lassen schon Lücken offen bei dieser Zentralität, die gelebt wird. Und Zentralität heißt, dass du Verantwortung von der Basis, vom Mitarbeiter wegnimmst und ganz viel vorschreibst, wie es sein soll, weil du weißt, wie es am besten geht. Und verdammt nochmal, die Leute sollen nicht mitdenken, sondern einfach machen. Das steht ja häufig hinter so einer Zentralitätsgeschichte. Und damit kriegst du das wahnsinnige Wachstumspotenzial, das die Gemeinschaft aller Mitarbeiter in jedem Unternehmen hat, egal ob klein, mittel oder groß, natürlich nicht, wenn du zentral vorgehst. Weil du gehst über die Mitarbeiter hinweg, du beziehst sie nicht mit ein, du hörst nicht auf sie. Mein Grundsatz, den in gelernt und verinnerlicht habe: So dezentral wie möglich, damit nimmst du gerade gute Leute super mit, weil die sich ernstgenommen und wertgeschätzt fühlen und spüren, dass sie Einfluss auf das haben, was da gemacht wird. Aber natürlich auch so zentral wie nötig. Das ist jetzt ganz klar, dass bestimmte Funktionen im Unternehmen, wie IT, zentral besser aufgehoben sind. Aber überlege dir jedes Mal, und das ist eine spannende Übung, die wir immer wieder gemacht haben in unserem Unternehmen, bevor du eine Organisationsänderung in Richtung Zentralisierung machst, überlege dir bitte sehr genau, was du damit gewinnst. Das lässt sich häufig relativ schnell ausrechnen, was man dabei sparen könnte. Aber guck’ dir am Ende auch das Ergebnis an, das rauskommt. Ob das enorme Leistungspotenzial, das bei Dezentralität in aller Regel wirksam wird, geweckt und gefördert wird, ob dich das am Ende nicht mehr kostet als der vordergründige Vorteil von Zentralität.

00:20:27
Alexander Petsch: Wie schaut es denn mit Verantwortung aus?

00:20:33
Frank Breckwoldt: Das ist es eben. Dezentralität heißt Übertragung von Verantwortung. Für mich ist ein großer Grundsatz, und ich habe immer mehr Unternehmen, die mit mir zusammenarbeiten, die das auch umsetzen und die mir immer wieder berichten, das war vielleicht der Nukleus, aus dem dann der besondere Erfolg hervorgegangen ist, jeder Mitarbeiter, und das gilt für mich bis an die Basis der Mitarbeiter, egal an welcher Stelle der Mitarbeiter am Unternehmen mitwirkt, ist für die Qualität und Quantität seiner Leistung selbst verantwortlich. Bedingungslos. Und wer das nicht akzeptieren kann, der ist in aller Regel auch nur mit halber Kraft dabei. Wer sich jedes Mal immer wieder rückversichern will oder muss, schöpft sein Potenzial nicht aus. Die richtigen Leute blühen dabei auf und sagen, verdammt noch mal, ich kann hier richtig etwas bewegen, egal an welcher Stelle ich stehe, aber ich muss für das, was ich tue, auch einstehen. Und deshalb sage ich auch, die Führungskraft ist nicht für die Leistung des einzelnen Mitarbeiters in seinem Führungsbereich verantwortlich. Das ist jeder Mitarbeiter selbst, und zwar bedingungslos. Für die Gesamtleistung eines Bereiches ist der jeweilige Bereichsleiter für mich bedingungslos qualitativ und quantitativ verantwortlich. Und so geht es hoch, dass man in der Geschäftsführung für alles verantwortlich ist, am Ende für das Gesamtergebnis. Das ist auch klar. Aber diese Dezentralisierung ist für mich die bedingungslose, konsequente Übertragung von Verantwortung auf jeden einzelnen Mitarbeiter. Und dann kriegst du aus der großen Mehrheit aller Mitarbeiter wirklich das Leistungspotenzial, das in ihnen drinsteckt. Und es macht für die Mitarbeiter enorm Spaß, an so einer Veranstaltung dabei zu sein.

00:22:44
Alexander Petsch: Wie schaut es mit Vertrauen aus? Das ist ja sozusagen die Basis.

00:22:52
Frank Breckwoldt: Da sind wir natürlich wieder bei meinen berühmten vier Vs, also Verantwortung haben wir schon, jetzt gehen wir zum Vertrauen. Schlüssel, Schlüssel, Schlüssel ist genau wie Verantwortung auch Vertrauen. Und da sind natürlich misstrauische Führungskräfte ein Riesenproblem, weil sie nicht wirklich Verantwortung oder Entscheidungskompetenz weitergeben. Oh Gott, was kann da alles passieren! Auch mal im Kleineren betrachtet, als wir bei Ryf Coiffeur dezentralisiert haben, haben die gesagt, Herr Breckwoldt, wie wollen Sie die da entscheiden lassen, ob etwas eingekauft wird oder nicht! Und wenn die dann noch Kaffee kaufen oder Bier. Meine Mitarbeiter vor Ort sind mit unserem Geld viel sensibler und sparsamer umgegangen. Wenn die selbst wissen, das hängt jetzt von mir ab, ich bin dann nachher auch verantwortlich für die Ergebnisse. Ohne Vertrauen macht sich kein Mensch auf den Weg. Ich sage Ihnen, das hat jemand anderes Mal gesagt, und das kann ich absolut nachvollziehen, Vertrauen führt. Davon bin ich tief überzeugt. Vertrauen führt. Vertrauen setzt enorme Ressourcen frei, Kraft frei bei dem Mitarbeiter, der geführt wird und der das Vertrauen seines Chefs deutlich spürt. Ich habe das so häufig erlebt, der setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um diesem Vertrauen, das er deutlich übertragen bekommt, gerecht zu werden. Ich bin übrigens ein bekennender Anhänger von Vertrauen im Vorgriff, also einem Vertrauensvorschuss. Deswegen habe ich diese Person ja eingestellt, wenn ich ihr nicht vertrauen würden, hätte ich sie nicht eingestellt. Da gab es natürlich welche, die haben mich aufs Kreuz gelegt. Das musst du ertragen, das tut weh. Aber dann hast du diesen ganzen positiven Effekt, von all denen, die sich wirklich einsetzen, die sich durch das Vertrauen enorm verpflichtet fühlen. Vertrauen führt, Vertrauen verpflichtet. Gerade die Richtigen, die fühlen sich von Vertrauen besonders angefasst, ermuntert und ermutigt. Aber auch in einer gewissen Weise verpflichtet, diesem Vertrauen gerecht zu werden. Und deshalb sage ich es immer wieder: Ohne einer Vertrauenskultur im Unternehmen ist aus meiner Sicht eine dauerhafte Spitzenleistung nicht möglich. Eine Misstrauenskultur ist tödlich. Nicht dass du damit gleich pleitegehst, aber dann holst du das Potenzial, das im Unternehmen steckt, auch Ergebnispotential, nicht hervor.

00:26:09
Alexander Petsch: Ja, das kann ich voll unterstützen und nachvollziehen. Das ist auch meine Erfahrung. Zu Beginn gibt es das Vertrauen auch erstmal zu hundert Prozent geschenkt.

00:26:25
Frank Breckwoldt: Dazu gehört auch, dass man angstfrei Fehler machen kann. Dass man weiß, ich setze mich ein, und dabei fallen auch manchmal Fehlentscheidungen. Dass man angstfrei Fehler machen kann. Das gehört auch zu einer Vertrauenskultur. Wobei ich sage, es muss nicht immer wieder der gleiche Fehler sein. Aber daraus wird gelernt. Wenn erstmal Angst entsteht, oh Gott, wenn ich jetzt einen Fehler mache, hat das große Nachteile für mich, dann schalten wir auf halbe Kraft. Das Potential, das in dieser Person drinsteckt, kommt nicht mehr komplett zum Tragen.

00:27:04
Alexander Petsch: Sie haben vorhin von vier Vs gesprochen? Ich habe jetzt zwei auf dem Zettel – Verantwortung und Vertrauen.

00:27:10
Frank Breckwoldt: Das dritte V ist für mich das Thema Verbindlichkeit. Das ist eine ganz spannende Geschichte. Um ehrlich zu sein, habe ich auch an mir persönlich sehr stark daran arbeiten müssen. Das ist fast ein Thema, an dem ich bis heute arbeite. Verbindlichkeit. In meinen Führungstrainings habe ich 35 einzelne Themen zu erstklassiger Führung und zum Thema, wie Hochleistung und Menschlichkeit zu Spitzenleistungen führen. Ein Punkt ist das Thema “Sorgen Sie für Verbindlichkeit von Absprachen”. Und keiner meiner anderen 34 Punkte im Training hat derartig schnell und nachhaltig Auswirkung auf die Ergebnissituation eines Unternehmens oder eines Bereiches wie das Thema Verbindlichkeit. Selbst in Spitzenunternehmen gibt es in aller Regel doch noch blinde Flecken, wo man das noch weiter steigern kann. Und da bin ich mit mir selbst sehr ins Gericht gegangen. Ich denke sehr verbindlich und konsequent, ich wäre auch so, aber ich handele nicht immer so. Und letztlich kommt es auf das Handeln an. Und da versandet es dann häufig. Mangelnde Verbindlichkeit ist einer der größten Hemmschuhe auf dem Weg zu Spitzenleistung. Mit Steigerung von Verbindlichkeit dafür sorgen, dass im Unternehmen verbindlich zusammengearbeitet wird. Das steckt aber auch wieder das Thema Verantwortung übernehmen, Vertrauen schenken mit drin, das ist alles am Ende doch ein Thema. Das ist für mich der Schlüssel schlechthin. Fast jedes Unternehmen, mit dem ich trainiere, und ich trainiere überwiegend mit sehr starken, sehr guten, sehr erfolgreichen Unternehmen, sagt im Training, da haben wir noch Bedarf. Und viele Unternehmen nehmen sich genau den Punkt hinterher vor und berichten mir nach dem Training, nach sechs Monaten kriege ich ein Feedback, wir haben uns das Thema Verbindlichkeit auf die Fahne geschrieben, wir haben es gesteuert, wir waren ja vorher schon nicht schlecht, die Ergebnisse waren ja auch vorher gut, aber wir sind noch stärker geworden, wir haben eine noch bessere Stimmung im Unternehmen, es macht noch mehr Spaß und wir sind noch erfolgreicher geworden. Und das ist ein Thema, dem sich aus meiner Sicht alle Führungskräfte widmen sollten. Welchen Beitrag leiste ich dazu, um hohe Verbindlichkeiten im Unternehmen zu schaffen? Und das fängt immer bei dir selbst an, als Führungskraft. Wenn du verbindlich bist, hast du in aller Regel keine große Schwierigkeit, Verbindlichkeit auch durchzusetzen. Auch nach links und rechts, in andere Bereiche.

00:30:09
Alexander Petsch: Da sind wir dann ja bei der Vorbildfunktion.

00:30:12
Frank Breckwoldt: Und damit sind wir beim vierten V, teilweise sehr umstritten: Haben eigentlich Führungskräfte eine Vorbildfunktion? Müssen die Vorbild sein? Da gibt es ja ganz unterschiedliche Äußerungen. Das ist alles Quatsch, das sind keine Übermenschen, das sind auch nur Menschen. Richtig verstanden aus meiner Sicht ist die Vorbildfunktion von Führungskräften unverzichtbar für erstklassige Führungsarbeit. Vorbild heißt nicht, ich bin der Beste, Größte, Schönste. Ich muss alles besser können als meine Mitarbeiter. Vorbildfunktion heißt für mich, wir haben Spielregeln im Unternehmen und ich als Chef bin der Erste, der sich an diese Spielregeln hält. Es gibt in jedem Unternehmen Spielregeln für Mitarbeiter, die teilweise unterschiedlich sind, und Spielregeln für Führungskräfte, was sachlich aus der Funktion heraus mitunter gar begründet ist, keine Frage. Aber es gibt so ein paar Spielregeln, die gelten für alle. Je mehr Macht du hast, desto vorsichtiger musst du damit umgehen. Wenn du an der Spitze eines Unternehmens stehst, musst du in bestimmten Dingen dich vorbildlich verhalten, wenn du das als wichtiges Element deiner Organisationsstruktur verstehst. Ich sage Ihnen ehrlich, daran sind bei mir durchaus wirtschaftlich erfolgreiche Führungskräfte am Ende gescheitert, die offensichtlich die Vorbildfunktion nicht ernst genommen haben. Und ich habe leider immer wieder die Erfahrung gemacht, das geht eine Zeit lang gut, weil sie vielleicht auch eine besonders positive Ausstrahlung haben. Aber dann merkt man irgendwann, die Vorbildfunktion spielt für die keine Rolle. Und irgendwann folgen denen die Mitarbeiter nicht mehr, dann halten sich die Mitarbeiter auch nicht mehr an die Spielregeln. Und dann brauchen sie an Spitzenleistungen und Champions League nicht mehr denken.

00:32:21
Alexander Petsch: Was ist denn der Kern bei Ihnen für Spielregeln?

00:32:26
Frank Breckwoldt: Eine Spielregel ist bei uns zum Beispiel: Du musst selbst dafür sorgen, dass du immer besser wirst! Stichwort lebenslanges Lernen. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, erstklassige Dienstleistung, Spitzendienstleistung zu erbringen. Und wir wissen, dass wir im Markt auf Dauer nur eine Chance haben, wenn wir wirklich erstklassige Leistungen erbringen. Und dazu gehört dann, dass die Mitarbeiter bereit sein müssen, Weiterbildung zu machen, sich speziell auch auf verschiedene Punkte konzentrieren können. Aber wenn dann Führungskräfte offensichtlich nicht an sich selbst arbeiten und selbst nicht mehr weiterkommen, wie wollen die das entsprechend bei ihren Mitarbeitern durchsetzen! Wir haben ganz profane Geschichten, ich bin ein Pünktlichkeitsfetischist, das muss ich zugeben. Aber Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit kriegst du nicht durchgesetzt werden, wenn du es nicht selbst vorlebst. Ein ganz spannendes Beispiel: Wir haben die Spielregel, du darfst als Mitarbeiter anziehen, was du willst, nur keine blauen Jeans. Dafür werde ich auch sehr gehasst von den Mitarbeitern. Und ich bin derjenige, der das im Unternehmen noch durchhält. Was haben Sie gegen blaue Jeans? Ich habe gar nichts gegen blaue Jeans, in meiner Freizeit trage ich auch blaue Jeans. Aber in einem Friseursalon, welcher erstklassige, auch höherpreisige Dienstleistung zu verkaufen hat, sehen blaue Jeans nicht unbedingt gut aus. Keine blauen Jeans. Dann kann doch die Salonleitung nicht dreimal in der Woche in blauen Jeans erscheinen, aber bei ihren Mitarbeitern durchsetzen, dass keine blauen Jeans getragen werden. Wenn du Spielregeln nicht ernst meinst, dann erlasse sie nicht. Wenn du Spielregelverstöße durchwinkst, dann nimm lieber die Spielregeln vom Tisch. Damit nicht jeder zugucken kann, wie gegen Spielregeln verstoßen wird, ohne dass es Konsequenzen hat. Also da bin ich unerbittlich. Du musst dann in der Führungsrolle an so einer Stelle auch Flagge zeigen.

00:36:03
Alexander Petsch: Hat sich denn Führung verändert in den letzten 20 Jahren, in denen Sie das begleiten und vorleben?

00:36:15
Frank Breckwoldt: Also, es gibt zwei Antworten, oder zwei Teile. Auf der einen Seite ist es unglaublich und fast unwahrscheinlich, wie wenig sich in den letzten 20 Jahren verändert hat. Die Grundsätze des Trainings, die sich bei mir entwickelt haben, mein eigenes Führungsleben umgesetzt in Führungstraining, haben sich kaum verändert. Die ersten Führungstrainings habe ich Ende der 90er Jahre gemacht. Richtig an den Markt bin ich Ende der 90er Jahre gegangen. Es scheint, es gibt eine Art “Grundwahrheit” für gute Führung. Und diese Grundsätze sind im Prinzip die 35 Punkte. Deshalb haben die sich kaum verändert. Kaum etwas ist neu dazugekommen und es ist kaum etwas weggefallen. Also das ist schon sehr erstaunlich. Das ist die eine Seite, und deshalb sage ich auch immer wieder, wenn gesagt wird, neue Zeit, das brauchen wir alles nicht mehr – das ist absoluter Quatsch. Führung wird immer gebraucht. Führung ist notwendig, ist unverzichtbar und muss auf hohem Niveau geleistet werden. Zwei Dinge haben sich aus meiner Sicht in den letzten Jahren, in den letzten zehn Jahren, aber doch verschoben. Und darauf muss jedes Unternehmen und jede Führungskraft auch achten. Das ist zum einen die Sinnfrage bei Mitarbeitern. Das spielt aus meiner Sicht inzwischen eine viel größere Rolle als noch vor 20 Jahren. Da ging es nicht um Sinn in der Arbeit, ich übertreibe das jetzt ein bisschen, um es deutlich zu machen, da musste der Arbeitsplatz vernünftig sein, da musst das Geld stimmen und so weiter. Und wenn das alles gut war und auch ein vernünftiger Umgang gewährleistet war, dann waren die Mitarbeiter auch zufrieden. Das ist aus meiner Sicht, und das ist keine schlechte Entwicklung, anspruchsvoller geworden. Die Menschen heute wollen einen Sinn darin sehen, wollen auch einen Sinn sehen im Unternehmenszweck, was eigentlich ein Unternehmen macht, wie ein Unternehmen auftritt. Das setzt Unternehmer, Führungskräfte unter Druck, diesen Sinn auch wirklich zu generieren und den auch wirklich deutlich werden zu lassen. Und ich habe die Erfahrung gemacht, wenn dieser Sinn da ist, wenn am Ende Mitarbeiter stolz darauf sind, in einer solchen Veranstaltung dabei zu sein, dann sind sie genauso loyal wie die früheren Generationen, genauso fleißig, genauso ehrgeizig, genauso leistungsfähig. Es wird ja heute gesagt, so mit Work-Life-Balance wollen die nicht mehr so viel arbeiten. Im Grundsatz widerspreche ich dieser These. Die heutigen jungen Leute, die ins Unternehmen kommen, sind aus meiner Sicht am Ende genauso ehrgeizig, genauso leistungsfähig, auch genauso leistungswillig, wenn sie Sinn vermittelt bekommen. Das war früher einfacher. Das sind besondere Herausforderungen, die man heute hat. Und eine zweite Sache beobachte ich, und auch die setzt Führungskräften manchmal zu. Ich bin nach wie vor mit dabei, dem hierarchischen Prinzip das Wort zu reden, weil ich glaube, dass klare Linien wichtig sind. Deshalb sind ja auch manche Organisationsformen, etwa die Matrix-Organisation, hochgelobt. Ich habe bisher kaum ein Unternehmen getroffen, wo die Mitarbeiter und die Führungskräfte sagen, Matrix, das ist aber toll! Alle stöhnen, weil von links, von rechts und quer und alles Mögliche, manche haben drei Chefs. Und dann wundert man sich, dass es am Ende nicht funktioniert. Ich bin davon kein Anhänger. Es braucht schon eine klare Struktur und es muss auch geführt werden, in Anführungsstrichen von oben nach unten. Aber es ist ein anderer, wunderbarer Effekt dazu gekommen: Führung findet heute auch in gewisser Weise von unten nach oben statt. Die Durchlässigkeit der Ideen der Mitarbeiter, auch der Befindlichkeiten, der Vorstellung der Mitarbeiter, die einzubeziehen in das eigene Handeln als Führungskraft, das ist heute eine Herausforderung. Und wer das nicht macht, wer das nicht will, der geht auch sehr schnell an seinen Mitarbeitern vorbei. Und das sind wir sehr schnell wieder bei der Frage von Wertschätzung, wo die Mitarbeiter das Gefühl haben, nimmt der mich eigentlich ernst? Arbeitet der gerne mit mir zusammen? Oder erwartet der nur, dass ich Befehle empfange und die dann sauber durchführe? Das sind eigentlich die beiden Dinge, Sinngebung und dieses gegenseitige Führen. Das ist ein Element, und gute Unternehmen haben das längst begriffen, um das wahnsinnige Potenzial, das in der Gesamtheit der Mitarbeiter in einem Unternehmen vorhanden ist, wirklich wirksam werden zu lassen. Und das macht am Ende den außergewöhnlichen Unternehmenserfolg aus, auch wirtschaftlich.

00:42:21
Alexander Petsch: Herr Breckwoldt, jetzt haben wir ein ganzes Set von Themen und Grundsätzen zu Hochleistung und Menschlichkeit gehört. Mir hat das gut gefallen, ich fand das sehr spannend. Gibt es zum Schluss noch etwas, wo Sie sagen würden, das fehlt noch?

00:42:38
Frank Breckwoldt: Ja, das Thema Loslassen. Einer meiner 35 Punkte besagt, lassen Sie los! Wenn du als Führungskraft alles getan hast, damit es in deinem Bereich wirklich gut laufen kann, alles wunderbar vorbereitet, kannst du nur noch eines machen, damit es einigermaßen sicher auch richtig gut wird: Loslassen! Und Führungskräfte, die das nicht beherrschen, die immer noch ängstlich weiter begleiten, Gott oh Gott, wenn ich nicht immer dazwischen gehe, kann unheimlich viel schiefgehen, schaffen die beste Voraussetzung dafür, dass etwas schiefgeht. Weil keiner der Mitarbeiter übernimmt wirklich Verantwortung, setzt sich wirklich ein, wenn er merkt, dass sein Chef ihm ständig im Nacken sitzt und ihm doch nicht das Vertrauen entgegenbringt. Das ist wirklich wichtig, dass er das Vertrauen hat. Loslassen, deutlich werden lassen, ich traue es Dir zu, ich vertraue Dir und wir haben alles wunderbar vorbereitet. Und der Beste, der das jetzt umsetzen kann, das bist Du! Und ich setze auf Dich! Ich habe Fälle gehabt, wo beste Voraussetzungen kläglich gescheitert sind, weil nicht losgelassen worden ist. Und ich sage immer wieder, die beste Voraussetzung, damit etwas schiefgeht, ist nicht loslassen. Du musst es erstklassig vorbereiten, das heißt nicht, auf Laissez-faire machen, jeder macht, was er will. Aber wenn du dich gut vorbereitet hast, wenn man eine Übereinstimmung hat, wie in welcher Form vorgegangen werden soll, wer dann was entscheidet, dann bitte loslassen.

00:44:17
Alexander Petsch: Ja, das ist doch eine schöne Abrundung des Ganzen. Lieber Herr Breckwoldt, herzlichen Dank für Ihren Input, der hat mich sehr inspiriert.

00:44:27
Frank Breckwoldt: Bei diesem Thema können Sie mich auch nachts um drei wecken, das ist inzwischen derartig in mir drin, weil ich eben rundum erlebe, was möglich ist, wenn sich Unternehmen und Führungskräfte so auf den Weg machen. Das kann fast nicht schief gehen, wenn die grundsätzliche Unternehmensidee in Ordnung ist. Wenn ich etwas versuche, das nicht geht, dann hilft dir auch nichts mehr, auch gute Führung nicht.

00:45:08
Alexander Petsch: Das gilt bestimmt auch für viele Personalabteilungen. Ich glaube, wir können viel von Ihren Thesen mitnehmen. Herzlichen Dank noch mal!

00:45:20
Frank Breckwoldt: Sehr gerne, vielen Dank.

00:45:21
Alexander Petsch: An alle, die die Thesen von Herrn Breckwoldt nochmal nachlesen wollen, einfach bei HRM.de in der Suchfunktion „Hochleistung und Menschlichkeit“ beziehungsweise Frank Breckwoldt eingeben, und wann werdet Ihr das finden. Ich freue mich über Euer Feedback. Glückauf, bleibt gesund und denkt daran, der Mensch ist der wichtigste Erfolgsfaktor für Euer Unternehmen.