
![]() Frank Schirrmacher, FAZ “Frankfurter Allgemeine Zeitung“ |
1. Das Internet hat unser tägliches Leben so stark verändert, wie die Industrialisierung das Arbeitsleben.
2. Mobiltelefone und Computer zwingen zu einem Multitasking, das den modernen Menschen überfordert und krank macht.
3. Die überbordende Fülle und die Unkontrollierbarkeit der sozialen Netzwerke sind eine Art "Körperverletzung".
4. Multitasking hindert den Menschen an der Ausübung seiner eigentlichen Fähigkeiten wie kreativ sein, spontan sein und etwas beurteilen zu können.
Veranstaltungstipp: Professional Learning Europe, Keynote-Vortrag Dienstag, den 12. Oktober, 14.30 – 15.30 Uhr "Die Zukunft des Lernens – zwischen digitaler Überforderung und souveränem Wissensgebrauch" Veranstaltungsort: Koelnmesse |
Die Kritiker sind sich einig: Schirrmacher hat kein abwägendes Sachbuch, sondern eine Streitschrift gegen das Internet veröffentlicht. Er betrachtet die digitale Welt ausschließlich aus dem Blickwinkel einer Person, die das Geschehen als Beobachter erlebt. Wer sich selbst nicht in den Netzwerken bewege, der fühle sich eben schnell überfordert. „Mit seinem Buch outet sich Herr Schirrmacher als fremdelnder Netzwerk-Besucher, als Zaungast, der einer wilden Party gleichermaßen neugierig wie irritiert aus der Ferne zuschaut“, urteilt Dr. Peter Kruse, der bekannte Bremer Psychologieprofessor und Experte für Komplexitätsverarbeitung.
In der Süddeutschen Zeitung wirft Kruse Schirrmacher vor, er konstruiere einen überflüssigen Gegensatz zwischen den Netzen und den Nutzern. Mit der sozialen Software des Web 2.0 habe ein derartiger Gegensatz seine Gültigkeit aber eingebüßt. „Das Netz ist kein schrilles Informationsmedium mehr, das man vorsichtig nutzen sollte, sondern es ist selbst zu einem faszinierenden Kommunikations- und Lebensraum geworden, den es zu erkunden und mitzugestalten gilt“, erklärt Kruse. „Das Internet ist nur dann eine Zumutung, wenn man versucht, es im Griff zu haben. Ansonsten ist es ein echter Turbolader für überindividuelle Prozesse.“ Eine Verweigerung, am Geschehen in den Netzen teilzunehmen, ist laut Kruse so töricht, wie jede Verweigerung der Teilnahme an sozialer Gemeinschaft.
Kruse empfiehlt bei einer Diskussion über das Internet Folgendes zu beachten: Das Internet ist ein Gehirn aus vielen Gehirnen - sehr dynamisch und komplex, unkontrollierbar und überraschend, aber auch mit einer immanenten Tendenz zur stabilen Musterbildung. Die überbordende Fülle und die Unkontrollierbarkeit der Netze sind ein wünschenswerter Schutz vor Manipulation und keineswegs eine "Körperverletzung".
Ein Interview zum Thema hat Frank Schirrmacher im Mai 2010 dem Journalisten Peter Voß auf 3Sat gegeben.