Nach Schätzungen arbeiten allein in Deutschland mehr als 17 Millionen Menschen in Büros. Im gesamten Wirtschaftsraum der Europäischen Union dürften mehr als 100 Millionen Menschen tagtäglich Büroarbeit in ihren unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen verrichten und dabei Energien für die Ausstattung, die Informations- und Kommunikationstechnologien, für den Weg zum Arbeitsplatz oder Geschäftsreisen in Anspruch nehmen.

laptop computer on glass-top table
Foto von Carlos Muza

Zukunftsorientierte Unternehmen haben dieses Potenzial erkannt und damit begonnen, Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Wert- und Zielesysteme zu integrieren. Immer mehr Entscheidungsträgern wird bewusst, dass dies auch zu klaren Wettbewerbsvorteilen gegenüber Mitbewerbern führt. So zeigen etwa Studien von BITKOM (2009), Ernst & Young (2009) und dem Fraunhofer IAO (2010), dass Unternehmen durchaus bereit sind, höhere Investitionen für entsprechende Produkte zu akzeptieren – auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Die Motive dafür sind vielfältig. Laut einer Befragung des IAO sind für Geschäftsführer Kosteneinsparungen und Imagesteigerungen die beiden wichtigsten Motive für die Umsetzung ökologisch nachhaltiger Maßnahmen. Der Gesamtüberblick in Abbildung 1 zeigt, welche Wichtigkeit die unterschiedlichen Motive insgesamt für die Befragten aufweisen.

Abbildung 1: Motive für die Umsetzung ökologisch nachhaltiger Maßnahmen

Quelle: Fraunhofer IAO, Studie Green Office, 2009

Im Fokus zahlreicher Aktivitäten für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen stehen häufig Ansätze zur Energieerzeugung, der Produktion und Herstellung von Gütern, der Mobilität von Personen und Gütern oder dem Umgang mit Abfällen. Den direkten und indirekten Auswirkungen aus der Organisation und Gestaltung von Büroarbeit schenken die Unternehmen im Vergleich noch deutlich weniger Aufmerksamkeit. Dabei können gerade wirtschaftliche und soziale Aspekte für die nachhaltige Arbeits- und Bürogestaltung eine wichtige Rolle spielen.

Gestaltungsfelder für ein „Green Office“

Büroarbeit ist vielfältig: Das Spektrum reicht von Tätigkeiten, die überwiegend stationär am eigenen Schreibtisch stattfinden, über Arbeiten, für die Mitarbeiter häufig zwischen unterschiedlichen Arbeitsplätzen (z. B. Büro, Besprechungsraum, Labor, Werkstatt oder Frontoffice) wechseln müssen, bis hin zu Aufgaben, die ein höchstes Maß an zeitlicher und räumlicher Flexibilität und Mobilität erfordern.

Wer eine nachhaltige Arbeits- und Bürokonzeption im Sinne eines „Green Office“ verfolgen möchte, muss deshalb eine organisationsindividuelle Strategie entwickeln (Motivation, Zielsetzung, Kosten, Ausgangsituation), die einen integrierten Maßnahmenplan mit Aktivitäten aus den Gestaltungsfeldern Green Building, Green IT und Green Behaviour umfasst (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Gestaltungsfelder nachhaltiger Arbeits- und Bürokonzepte

Der Begriff „Green Office“

Bislang existiert für den Begriff „Green Office“ keine eindeutige Definition. In diesem Beitrag ist „Green Office“ (oder synonym „nachhaltige Arbeits- und Bürogestaltung“) als eine organisationsindividuelle, gleichermaßen an ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielsetzungen ausgerichtete Gestaltung von Arbeits- und Bürokonzepten zu verstehen. Das beinhaltet, dass Unternehmen sich dafür aufeinander abgestimmter, vernetzter Aktivitäten aus den drei Gestaltungsfeldern Gebäude und Raum („Green Building“), Informations- und Kommunikationstechnologie („Green IT“) und Nutzerverhalten („Green Behaviour“) bedienen.

Um dies verwirklichen zu können und die möglichen Potenziale freizusetzen, sollten die Verantwortlichen im Unternehmen in einem multidisziplinären Team zusammenarbeiten. Hierzu gehören neben dem oberen Management vor allem das Real Estate Management, das IT-Management und das Personalmanagement (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Multidisziplinäre Zusammenarbeit als Erfolgsvoraussetzung

Fokus – Green Behaviour

Vor allem wenn es um das Verhalten der Mitarbeiter geht, sind Personalverantwortliche gefragt. Um die individuellen und kollektiven Verhaltenspotenziale zu nutzen, sollten Prinzipien des nachhaltigen Handelns implizit (z. B. Führungsverhalten) und explizit (z. B. Corporate Social Responsibility Strategy) in der Unternehmenskultur verankert sein. Die Verantwortlichen können Nachhaltigkeitsziele noch besser erreichen, wenn sie entsprechende Bewertungskriterien in Zielvereinbarungen, Leistungsbewertungen, das innerbetriebliche Vorschlagswesen und das Innovationsmanagement aufnehmen.

Damit ein entsprechendes Klima im Unternehmen entsteht und die Beschäftigten – auch auf den Führungsebenen – für Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert werden, ist es wesentlich, konkretes Wissen zu vermitteln. Dabei bestärken sich das nachhaltige Unternehmensklima und die Wissensvermittlung gegenseitig.

Informationsveranstaltungen, Broschüren und ein gut aufbereitetes Intranet oder auch die Einrichtung eines Sustainability Boards sind wirkungsvolle Optionen. Themen für entsprechende Informationen sind zahlreich und können von umweltfreundlicher Mobilität über umweltinnovative Büroprodukte bis hin zur Gebäudenutzung reichen.

Um Green-Behaviour-Konzepte erfolgreich zu implementieren, bedarf es jedoch nicht nur Experten, die ihr Wissen vermitteln. Die Arbeitnehmer sollten in die Entwicklung, Aufbereitung und Kommunikation entsprechender Informationen aktiv eingebunden sein (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4: Wirkungskreis zum umweltfreundlichen Verhalten

Abbildung in Anlehnung an: Kuckartz, U: Umweltbewusstsein und Umweltverhalten,

In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung, Heft 288, 2008.

Die Potenziale von Green-Behaviour-Konzepten liegen vor allem in der Kurzfristigkeit und den hohen Wirkungsgraden, die Unternehmen mit einem vergleichsweise geringen Investitionsaufwand erreichen können.

Neben Informationen zur Sensibilisierung sind Erfolg und Freude essenzielle Mittel, um ein umweltgerechtes Verhalten und nachhaltige Arbeitsformen im Büro wirksam zu etablieren. Zu häufig bringen Beschäftigte jedoch entsprechende Aktivitäten wie beispielsweise Video- oder Webkonferenzen mit rein ökonomischen Zielsetzungen und Verzicht in Verbindung. Daher sollten Personalverantwortliche vor allem positive Elemente mit dem Thema in Verbindung bringen – wie etwa Spaß an Modernität oder an neuen Technologien, der Gewinn an persönlichem Gestaltungsspielraum oder an Autonomie, bessere Work-Life-Balance oder persönliche Produktivität.

Beispiele: Ergebnisse regelmäßig zurückspielen

Welche einfachen Instrumente ausreichen können, um positive Assoziationen zu erzeugen, zeigt das Beispiel eines skandinavischen Baukonzerns: Mithilfe humorvoller Illustrationen zum Thema Aufzug (z.B. ewige Wartezeiten, typische Beklemmung oder gesteigerte Fitness) regte das Unternehmen Mitarbeiter an einem Standort dazu an, häufiger Treppen zu nutzen. Diese Illustrationen waren in ein ganzes System von Maßnahmen eingebunden, zu dem die Beschäftigten regelmäßig eine Rückmeldung erhielten. Dadurch konnte der Betrieb im Vergleich zu früher mehr als 20 Prozent des Stroms für die entsprechenden Aufzuganlagen einsparen.

Ein weiteres Beispiel zum hohen Wirkpotenzial des Nutzerverhaltens in Verbindung mit einer entsprechenden Rückspiegelung an die Mitarbeiter zeigt das Monitoring des Papierverbauchs innerhalb einer Arbeitsgruppe am Fraunhofer IAO. Die Druckaufträge wurden dort nicht nur regelmäßig ausgelesen. Die Beschäftigten erhielten auch Einblick in die Auswertung. Das Ergebnis: Die Druckaufträge gingen innerhalb von drei Monaten um rund fünfzehn Prozent zurück.

Damit sich Büroarbeiter ein umweltgerechtes und nachhaltiges Nutzerverhalten aneignen, ist es wichtig, dass sie sich gegenseitig Hinweise und Feedback geben und das Büro als Ganzes zu einem lernenden System wird. Denn das Verhalten von Menschen ändert sich nicht schlagartig durch punktuelle Information oder Einzelerfahrung, sondern durch wiederkehrende Rückmeldungen, multiple Lernerfahrungen und Erfolgserlebnisse. Auch die Freude am Wettbewerb – ohne dass dieser explizit ausgeschrieben sein muss – ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg von Green-Behaviour-Maßnahmen.

Nachhaltige Arbeits- und Bürokonzepte konkret umsetzen

Bereits heute existieren zahlreiche ausgereifte Konzepte, um die Nachhaltigkeit von Büroarbeit zu steigern und daduch die Produktivität und Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, die Work-Life-Balance und das Wohlbefinden der Mitarbeiter sowie die ökologische Bilanz zu verbessern. Abbildung 6 zeigt die wesentlichen Maßnahmen im Überblick.

Abbildung 5: Maßnahmen für nachhaltige Arbeits- und Bürokonzepte

Ein wichtiger Ansatz besteht in Arbeitskonzepten, die den Beschäftigten eine höhere zeitliche und räumliche Autonomie zugestehen. Dies trägt dazu bei, den Individualverkehr insbesondere vom und zum Büro zu reduzieren. Außerdem haben Arbeitnehmer dadurch weniger unproduktive Zeiten der An- und Abreise, sie sparen Mobilitätskosten und können die Work-Life-Balance (z. B. Vereinbarkeit von Beruf und Familie) verbessern.

Die Flexibilisierung von Büroarbeitern können Unternehmen zudem verstärken, indem sie Systeme zur virtuellen Kommunikation und Kooperation (z.B. Webkonferenzen, Videokonferenzen oder Telepräsenz) einsetzen. Ergänzend können Betriebe Reisen, die etwa aus Gründen der Geschäftsanbahnung, Konfliktlösung oder Produktpräsentation nicht technologisch substituierbar sind, mittels eines an Nachhaltigkeitsprinzipien orientierten Reisemanagements in ökologischer Hinsicht optimieren – indem sie:

  • Leistungsanbieter bewusst auswählen (z.B. wie Hotels, Fluglinien oder Mietwagen),
  • den Ressourcenverbrauch dabei zu reduzieren versuchen
  • und entsprechende Reisemittel bereitstellen (z. B. Car-Sharing).

Auch die räumlichen Bürostrukturen sollten Organisationen überdenken und adaptive und flexible Raum- und Arbeitsplatzkonstellationen schaffen. Damit unterstützen sie eine optimale Arbeitsleistung, indem sie beispielsweise spontane und geplante Kommunikation und Interaktionen zulassen, Rückzug und Konzentration ermöglichen oder dynamische Organisationsveränderungen in Echtzeit räumlich abbilden.

Ausblick – Zentrum für Virtuelles Engineering

Nachhaltige Büros tragen also dazu bei, Flächen synergetisch und effizient zu nutzen, um Ressourcen, Energie und Kosten für Erstellung und Betrieb zu reduzieren – ohne dabei die Motivation der Mitarbeiter zu schmälern. Doch die Potenziale und möglichen Synergien sind noch längst nicht hinreichend erforscht.

Mit dem Zentrum für Virtuelles Engineering ZVE entsteht deshalb am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO eine Arbeits- und Forschungsumgebung für Wissens- und Büroarbeit der nächsten Generation. In dem von innen nach außen und entlang der zukünftigen Arbeitsprozesse und Arbeitsanforderungen entwickelten Gebäudekomplex werden mehr als neunzig Arbeitsplätze auf Büro- und Laborflächen geschaffen.

Foto: Zentrum für Virtuelles Engineering – Haus der Wissensarbeit am

Fraunhofer IAO in Stuttgart. Quelle: Fraunhofer IAO

In dieser von Erkenntnissen konsequent nach Kriterien der Nachhaltigkeit und Ökologie gestalteten Arbeitsumgebung und Forschungsplattform entwickeln ab 2012 Wissenschaftler des IAO und gemischte Projektgruppen aus Wirtschaft und Forschung in physischer Co-Location und in verteilten virtuellen Teams in einer hochflexiblen Arbeitsumgebung Innovationen für die Zukunft. Personalverantwortliche dürfen also gespannt sein, welche Inspirationen sich für sie daraus in punkto Green Office noch ergeben.