Sachverhalt

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Der Kläger Herr Römer war bei der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigt gewesen und erhielt seit Längerem aufgrund seiner Erwerbsunfähigkeit eine Rente aus der öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgung der Stadt Hamburg. Die nach den Vorschriften der Zusatzversorgung zu errechnenden Versorgungsbezüge sind für Ehepartner höher als für unverheiratete Versorgungsberechtigte. Herr Römer lebte mit seinem Partner seit dem 15. Oktober 2001 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Dennoch zahlte die Freie und Hansestadt Hamburg für ihn keine höhere Versorgungsleistung. Herr Römer erhielt auch nach der Eintragung der Lebenspartnerschaft weiterhin die im Vergleich zu einem Ehepartner um monatlich € 302,11 niedrigere Erwerbsunfähigkeitsrente.

Die Entscheidung

Der EuGH sieht darin eine unzulässige Diskriminierung, allerdings nur, wenn einige weitere Bedingungen erfüllt sind.

Eine Diskriminierung könne nur dann vorliegen, wenn das nationale Recht neben der Ehe auch eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft anerkenne und wenn der Lebenspartner hinsichtlich der Versorgungsbezüge rechtlich und tatsächlich mit einer verheirateten Person gleichgestellt sei. Ob dies tatsächlich der Fall sei, entscheide nicht der EuGH, sondern die nationalen Gerichte. Dennoch macht der EuGH in seinen Ausführungen sehr deutlich, dass er aufgrund des deutschen Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG) eine weitgehende Gleichstellung im Hinblick auf die Witwen- und Witwerrente sieht. Denn durch dieses Gesetz werde es Personen gleichen Geschlechts ermöglicht, in einer formal auf Lebenszeit begründeten Fürsorge- und Einstandsgemeinschaft zu leben.

Der EuGH führt weiter aus, dass Herr Römer daher grundsätzlich eine Gleichbehandlung verlangen könne, allerdings erst für den Zeitraum ab dem 3. Dezember 2003. Erst ab diesem Zeitpunkt gelte die Richtlinie 2000/78/EG, die die vorliegende Diskriminierung verbiete, unmittelbar zugunsten von Herrn Römer. Herr Römer wird daher im Ergebnis frühestens ab dem 3. Dezember 2003 die erhöhte Erwerbsunfähigkeitsrente geltend machen können. Hierüber hat formal allerdings noch das nationale Gericht zu entscheiden.

Fazit

Auch wenn die Entscheidung für Schlagzeilen gesorgt hat, so kommt sie doch alles andere als überraschend. Vielmehr reiht sie sich ein in eine Reihe anderer Entscheidung deutscher Gerichte und des EuGH selbst.

So hat der EuGH bereits am 1. April 2008 (Rechtssache C-267/06) entschieden, dass aus Gründen der Gleichbehandlung sowohl dem überlebenden Lebenspartner als auch dem überlebenden Ehepartner eine Hinterbliebenenleistung gewährt werden müsse, wenn in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung die Lebenspartnerschaft nach nationalem Recht mit der Ehe vergleichbar sei. Das Ergebnis und die Begründung in der aktuellen Entscheidung überraschen daher nicht.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung am 7. Juli 2009 (1 BvR 1164/07) für das deutsche Recht bereits bestätigt, dass nach dem deutschen Recht Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft hinsichtlich der Hinterbliebenenregelungen vergleichbar seien. Das Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass eine Ungleichbehandlung von Ehepartnern und eingetragenen Lebenspartnern bei der Zahlung von Hinterbliebenenrenten gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstoße.

Das BVerfG legt aber noch weitergehend dar, seit wann diese Vergleichbarkeit von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft gegeben ist. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2005 ist im LPartG geregelt, dass bei Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft ein Versorgungsausgleich zwischen den Lebenspartnern stattfindet. Daher profitiere ein Lebenspartner auch von der betrieblichen Altersversorgung des anderen Lebenspartners. Die eingetragene Lebensgemeinschaft sei daher spätestens ab dem 1. Januar 2005 auch eine Versorgungsgemeinschaft wie die Ehe und dieser daher hinsichtlich der Versorgungsbezüge vergleichbar. Der BGH (v. 7. Juli 2010 – IV ZR 17/09 und IV ZR 267/04) hat sich genau ein Jahr später dem BVerfG unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung angeschlossen.

Das BAG (v. 14. Januar 2009 – 3 AZR 20/07; v. 15. September 2009 – 3 AZR 294/09) hat ausdrücklich dargelegt, dass die Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft noch nicht am 1. August 2001 erfolgt sei. Zu diesem Zeitpunkt ist zwar das LPartG in Kraft getreten. Es fehlten jedoch noch gleichstellende Regelungen sowohl zur betrieblichen Altersversorgung als auch zum Versorgungsausgleich bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft. Erst ab dem 1. Januar 2005 berechtigen eingetragene Lebenspartnerschaften auch zum Bezug einer gesetzlichen Witwen- oder Witwerrente.

Dies bedeutet, dass Herr Römer nicht schon ab dem 3. Dezember 2003 – dem vom EuGH angegebenen Zeitpunkt – eine Gleichbehandlung verlangen kann, sondern aufgrund der konkreten Ausgestaltung des deutschen Rechts erst ab dem 1. Januar 2005.

Auf Grundlage dieser Rechtsprechung muss jeder Arbeitgeber jedenfalls davon ausgehen, dass ab dem 1. Januar 2005 auch an eingetragene Lebenspartner dieselben Leistungen zu erbringen sind wie an Eheleute. Dies betrifft sowohl die Frage bei der Kalkulation der Versorgungsbezüge wie im aktuellen Fall des EuGH wie auch die Frage der Zahlung von Hinterbliebenenleistungen in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft. Versorgungsordnungen sind daher so zu lesen, dass die Begriffe der “Witwen-/Witwerrente”, der “Hinterbliebenenversorgung” oder auch ähnliche Formulierungen immer den gleichgeschlechtlichen Lebenspartner mit einbeziehen. Rückwirkend kann der Versorgungsberechtigte eine Gleichstellung ab dem 1. Januar 2005 einfordern, wobei gegebenenfalls Verjährungsregelungen zu beachten sind.