Die Rolle der Führungskraft

selective focus photography of people sits in front of table inside room
Foto von Annie Spratt

 

Auf der Suche danach, worauf es bei der Führung wirklich ankommt, hat sich der profilierteste Führungsexperte Deutschlands Dr. Reinhard. K. Sprenger noch einmal auf die Praxis eingelassen. Für dreieinhalb Jahre übernahm er erneut operative Verantwortung in einem großen internationalen Unternehmen. Während dieser Zeit lernte Sprenger viel darüber, was Führungskräfte tun. Mehr aber noch davon, was sie nicht tun. Was sie unterlassen, weil sie es für unwichtig halten oder einfach nicht wollen oder können. Führungskräfte sehen ihr Handeln in keinem größeren Zusammenhang, sie „managen“ halt, das heißt „sie wursteln sich durch“. Das Nachdenken über Aufgaben stört da nur.

 

Sprenger definiert in seinem aktuellen Buch „Radikal führen“ fünf Kernaufgaben von Führung: Zusammenarbeit organisieren, Transaktionskosten senken, Konflikte entscheiden, Zukunftsfähigkeit sichern und Mitarbeiter führen.

 

Selbstreflexion

Man sollte meinen, die eigene Rolle als Führungskraft zu reflektieren gehört zu den allerersten Aufgaben einer Führungskraft. Denn das, was wirklich zählt und wirkt, ist nicht nur das, was Führungskräfte tun bzw. was sie nicht tun, sondern auch, wie sie ihre eigene Rolle definieren, welches Menschenbild sie haben und mit welcher „inneren Haltung“ sie ihre Aufgaben erfüllen.

 

Die Entwicklung und Stärkung der Selbst- und Sozialkompetenz gehört deshalb zu einem lebenslangen Lernprozess, denn erst mit zunehmendem Bewusstsein steigt auch die Fähigkeit, Verantwortung zu tragen, Selbstvertrauen zu entwickeln und sich selbst und andere Menschen zu führen.

 

Es macht eben einen Unterschied aus, mit welchen inneren Filtern und Glaubenssätzen Sie als Führungskraft ihren Mitarbeitern begegnen. Stehen Sie ihren Mitarbeitern misstrauisch gegenüber, sehen Sie sie als Befehlsempfänger oder Ausübungsgehilfen oder als freiheitsliebende und selbstverantwortliche Wesen, die fähig sind, selbst zu bestimmen und ihrem Leben Sinn und Ziel zu geben?

 

Dementsprechend anders wird Ihr Führungsstil sein und Ihr Führungsverhalten aussehen!

 

Der tiefere Grund für die Krise liegt in dem herrschenden Verständnis von Führung. Es wird erst dann einen Unterschied machen, wenn wir unser Menschenbild überprüfen, das dem Führen zugrunde liegt.

 

Jedes Zeitalter hat seine eigenen Wertvorstellungen

 

Im Industriezeitalter des 19. Jahrhunderts (bis 1980) waren „Handarbeiter“ gefragt. Es zählten Kraft, Ausdauer, Arbeitsplatz, Sicherheit und Männlichkeit.

 

Im Informationszeitalter des 20. Jahrhunderts (bis 2010) waren „Wissensarbeiter“ gefragt. Es zählte vor allem das analytische Denken, das Streben nach Status und Macht, Position, Kontinuität, Pflichterfüllung, Rationalität und ein Streben nach einer Karriere, die sich an rein äußerlichem Erfolg ausrichtet.

 

Im Inspirationszeitalter oder Dienstleistungszeitalter (seit 2010)sind „Kreativarbeiter“ gefragt. Es zählt Kreativität, Spaß, Entwicklung Selbstverwirklichung, Selbstverantwortung, emotionale Intelligenz, holistische Denken, Spiritualität, Empathie, Weiblichkeit sowie die Suche nach dem individuellen sowie nach dem übergeordneten Sinn und Bedeutung. 

Dabei meint Kreativität mehr als nur künstlerische Schöpferkraft. Kreatives Denken und Handeln ist die Fähigkeit, ständig neue Zusammenhänge herzustellen, unterschiedlichste Perspektiven zu integrieren und Bestehendes immer wieder neu zu hinterfragen – auch sich selbst und den eigenen Lebens- und Arbeitsplan.“

 

Die Arbeit im 21. Jahrhundert

 

Basierend auf der Studie „Creative Work – Business der Zukunft, 2007“ (Imke Keicher und Kirstin Brühl vom Zukunftsinstitut) wird sich die Arbeit grundlegend ändern und dieser Wandel  unsere gesamte Gesellschaft berühren. Eine neue Arbeitskultur wird sich verbreiten. Die Zeiten der sicheren Vollzeit-Lebensanstellungen, Ärmelschoner, Stechkarten sind längst vorbei. Arbeiten wird mehr und mehr selbstverantwortliches Agieren, Planen und Konzipieren auch außerhalb fester Bürozeiten und Bürogebäude.

 

Die Umwälzungen sind enorm und erzeugen viel Unsicherheit. Denn während die ALTE Arbeit schwindet, was unüberhörbar beklagt wird, sind die Konturen der NEUEN Arbeit noch unklar. Nicht länger sind nur Randgruppen von (temporärer) Arbeitslosigkeit und dem Zwang zur persönlichen Neuorientierung betroffen.

 

Die Nachfrage nach Fachkräften und gut ausgebildeten Personen wird zunehmen, während ungelernte Kräfte es schwer haben werden, Arbeit zu finden.

 

Die Charakteristika der NEUEN Arbeit:

 

1.    Kreativität als zentrales Persönlichkeitsmerkmal (=Zukunftskompetenz)

2.  Flexible Arbeitszeiten (eigene Zeiteinteilung, keine Störung durch Kunden oder Kollegen)

3.  Flexibler Arbeitsort (Ort der Ruhe und Inspiration)

4.  Bezahlung nicht mehr nach Anwesenheit, sondern nach Leistung

5.  Arbeit als Sinnstifter

6.  Life Balance: Arbeiten und Leben kommen wieder zusammen

 

Der Führungsstil im 21. Jahrhundert

 

Qualifizierte Mitarbeiter bevorzugen heute Unternehmen, die einen modernen Führungsstil und eine gesunde Unternehmenskultur aufweisen. Die bisher vorherrschende Fokussierung auf Unternehmenszahlen und -erfolg haben unter anderem zu einem rapiden Anstieg arbeitsplatzbedingter Erkrankungen wie Burnout geführt, der immer häufiger auch Führungskräfte selbst betrifft. Es ist an der Zeit, eine Veränderung einzuleiten.

 

Der rein konzeptionelle Planer, der nach Kompetenz und Wissen strebt wird vom kreativen und kollegialen Katalysator, der auf das Wachstum des Unternehmens und der Förderung der Mitarbeiter abzielt, abgelöst. Der Katalysator ist eine innovative Führungspersönlichkeit, bemüht sich um humanitäre Aspekte, kann Menschen begeistern, bemüht sich um Sinnzusammenhänge, vermittelt Anerkennung und lebt nach der Maxime: Motivation der Mitarbeiter steigert die Produktion.

 

Was ist „gesunde Führung?“

 

In den Hernstein-Reports werden regelmäßig 300 Führungskräfte in Unternehmen ab 100 Beschäftigten in Österreich, Deutschland und der Schweiz befragt. Im Hernstein Management Report Nr. 2/2013 zum Thema „Aufgaben und Grenzen von gesundheitsorientiertem Führen“ bestätigten 73 Prozent der befragten Führungskräfte den hohen Stellenwert von Gesundheit und Führung in ihren Unternehmen (82 % in Schweizer Unternehmen). Das Thema Gesundheit ist in Großunternehmen bereits sehr gut verankert, aber in „kleineren“ Unternehmen besteht noch deutlich Aufklärungs- und Informationsbedarf.

 

Zu den „Gesundmachern“ gehört laut Hernstein-Umfrage:

 

  • Anerkennung und Wertschätzung (56 %)
  • Klare und eindeutige Zielsetzung (17 %)
  • Freiräume für selbstbestimmtes Arbeiten schaffen (12 %)
  • Konflikte kompetent lösen (11 %)

 

Auffallend ist, dass in Österreich „Anerkennung und Wertschätzung“ mit 56 Prozent am häufigsten genannt wird, dafür wird insbesondere „Freiräume für selbstbestimmtes Arbeiten schaffen“ mit 12 Prozent eher niedrig bewertet. In der Schweiz ist es umgekehrt: 42 Prozent für „Anerkennung und Wertschätzung ist im Ländervergleich vergleichsweise sehr niedrig, dafür wird „Freiräume für selbstbestimmtes Arbeiten schaffen“ mit 20 Prozent deutlich höher bewertet.

 

Die strategische Bedeutung der „Betrieblichen Gesundheitsförderung“ (BGF)

 

Auch wenn im Hernstein Management Report Nr. 1/2013 zurBetrieblichen Gesundheitsförderung“ für 80 % aller befragen Unternehmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sehr bzw. eher hohe Bedeutung für die Strategie zugemessen wird, so wurden bisher in einem Drittel aller Unternehmen keine entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Die Bedeutung des Themas scheint zwar angekommen zu sein, aber konkrete Maßnahmen fehlen jedoch zum Teil. Hinzu kommt, dass es vor allem in Österreich gesetzliche Bestimmungen zur Gesundheitsförderung gibt und diese von vielen Unternehmen als Maßnahme zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit gesehen werden.

 

Als Hauptmotiv für Investitionen in die BGF wird mit 40 % die Eindämmung der Kosten für Krankenstandstage angegeben. Die Erhöhung der Produktivität der Mitarbeiter steht mit 28 % an zweiter Stelle, 14 % der Befragten geben die demografische Entwicklung und somit das älter werden der Belegschaft an und 15 % sehen die gesellschaftliche Verantwortung als Aufgabe ihres Unternehmens.

 

Kennzahlensysteme für BGF

 

Während in Österreich nur 36 % der Unternehmen angeben, über ein Kennzahlensystem für BGF zu verfügen, sind es in Deutschland 42 % und in der Schweiz sogar 65 %. Es drängt sich der Verdacht auf, dass in österreichischen Unternehmen eher ein Lippenbekenntnis zur BGF abgegeben wird, denn in der Umsetzung hinken österreichische Unternehmen klar hinter den Schweizer Unternehmen hinterher.

Autorin:
Mag. Irene Galler
www.ganzheitscoaching.at