Warum schreibe ich diesen Artikel?
Da ich vor ca. einem Jahr meine Dissertation zu den Randbedingungen und Konsequenzen des Flow-Erlebens geschrieben habe und bereits seit mehreren Jahren Seminare zu Flow-Erleben im Beruf gebe, dachte ich mir, es wäre doch langsam an der Zeit zu diesem interessanten, wie auch nützlichen Thema eine Artikelreihe zu verfassen. Ein weitere Grund ist die Motivation zu diesem Thema neben den vielen pseudowissenschaftlichen Artikeln in verschiedenen populären Zeitschriften auch einmal einfach geschriebene Informationen bereitzustellen, die trotzdem nach momentanem Forschungsstand Hand und Fuß haben. Deshalb werden Sie in diesem Artikel auch immer wieder nützliche Literaturhinweise zu wissenschaftlichen Publikationen finden. (Ja, ich stehe dazu ich habe mir das nicht alles selbst ausgedacht) . Da der Begriff Flow inzwischen leider etwas inflationär gebraucht wird, ist es wichtig gleich vorab zu erwähnen, dass ich hier über das psychologische Phänomen des Flow schreibe. Im ersten Abschnitt des Artikels werde ich zunächst Vorstellen was man eigentlich definitorisch unter Flow-Erleben versteht und woher der Begriff kommt.

man sitting near window holding phone and laptop
Foto von bruce mars

Vorbemerkung für alle Zweifler
Es gibt immer wieder Menschen in meinen Seminaren, die den Begriff Flow hören und dann schnell meinen, dass es sich hier um irgendein neues Modewort oder einen esoterischen Schnickschnack handelt. Anders als der reißerisch klingende Begriff oder diverse populärwissenschaftliche Veröffentlichungen vielleicht vermuten lassen, ist die Flow-Theorie in der psychologischen Forschung seit Jahrzenten ein wichtiger Forschungsgegenstand, im Feld wie auch experimentell (Csikszentmihalyi, 1975; Nakamura & Csikszentmihalyi, 1989, Moller et al. 2009). Allein in meiner ehemaligen Forschergruppe um Prof. Dr. Johannes Keller wurden die Grundannahmen der Flow-Theorie bereits vielfach experimentell bestätigt und die Ergebnisse der Studien in namenhaften Journalen veröffentlicht (z.B. Blomann, 2013, Keller & Bless, 2008; Keller & Blomann, 2008, Keller et al. 2011).

Flow – Was ist das eigentlich?
Der Wissenschaftler Mihalyi Csikszentmihalyi ist bei seiner Forschungstätigkeit zu Motivation und Glück schon vor über 30 Jahren darauf gestoßen, dass Menschen Situationen in denen sie tiefe Freude und Glück erleben, mit sehr ähnlichen Worten beschreiben. Diesem Zustand hat Csikszentmihalyi (1975) aufgrund der häufigen Schilderung eines Gefühls des „Fortgetragenwerdens“ und der völligen Mühelosigkeit den Namen Flow (= fließen, strömen) gegeben.

Definitorisch kann man in einem Satz den Flow-Zustand als das reflexionsfreie, gänzliche Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit, die man trotz hoher Beanspruchung noch unter Kontrolle hat, beschreiben. Das klingt vielleicht etwas kryptisch, wird aber noch verständlich, wenn wir uns genauer mit diesem Erlebenszustand beschäftigen.

Wissenschaftlich betrachtet ist Flow ein Konstrukt aus der Motivationspsychologie und steht in engem Zusammenhang mit intrinsischer Motivation. Daher folgt im nächsten Abschnitt ein kurzer Exkurs zu intrinsischer vs. extrinsischer Motivation, bevor wir in weiteren Blogs richtig in den Flow einsteigen.

Da die Flow-Theorie in den Bereich der Motivationspsychologie einzuordnen ist und in engem Zusammenhang mit intrinsischer Motivation steht gibt es in diesem Artikel einen kleinen Exkurs zu diesem Thema.

Definition intrinsische vs. extrinsische Motivation

Verhalten ist entweder

von innen heraus, um seiner selbst willen (intrinsisch), oder

von außen (extrinsisch), durch Zuschreibung auf externe Verhaltensfolgen in Form von Anreizen (Belohnung oder Bestrafung)

motiviert.

Und jetzt noch mal auf Deutsch:

Wenn der Grund für mein Handeln darin besteht, dass ich etwas einfach gerne mache, weil es mir Spaß bereitet oder Zufriedenheit verschafft, dann bin ich intrinsisch Motiviert dies zu tun. Der Anreiz etwas zu tun liegt also nicht in einer externen Belohnung (z.B. Bezahlung oder Lob), sondern in der Ausführung der Tätigkeit selbst. Der Wissenschaftler Rheinberg (1989) spricht deshalb anstatt von intrinsischer Motivation auch von tätigkeitszentrierten Anreizen (siehe Schematische Darstellung oben links).

Beispiele wären Fußballspielen, Wandern, Musizieren, Klettern, Skifahren, usw. Gerade das Skifahren ist in meinen Seminaren eines meiner Lieblingsbeispiele für eine intrinsisch motivierte Tätigkeit. Wir Skifahrer bezahlen einen haufen Geld dafür nur um von einem Berg ins Tals zu schliddern. Und warum? Einfach weil das Fahren den Berg hinunter Freude macht.

Bei extrinsisch motivierten oder in den Worten Rheinbergs (1989) zweck(folge)zentrierten Tätigkeiten handeln wir, weil wir etwas dafür bekommen. Das kann z.B. ein Lohn für Arbeit, Anerkennung durch andere, aber auch die Vermeidung von Strafe sein. Z.B. geht ein Kind evtl. in die Schule, weil es negative Folgen hat, wenn es dies nicht tut.

Wichtig ist, dass eine Tätigkeit natürlich nicht zwingend entweder intrinsisch oder extrinsisch Motiviert sein muss und dass für den einen etwas intrinsisch und für den anderen extrinsisch motiviert ist. Z.B. kann mir meine Arbeit für die ich Geld bekomme trotzdem auch häufig Spaß machen. Oder ein professioneller Skifahrer fährt mit Sicherheit nicht immer nur aus Freude Ski, sondern manchmal auch nur um Geld zu verdienen. Genauso kann ich Joggen gehen, weil ich dabei toll abschalten kann und sich bei mir ein Gefühl von Zufriedenheit einstellt oder einfach nur aus gesundheitlichen Gründen um abzunehmen (extrinsisch im Sinne der Vermeidung von Schäden oder auch um besser auszusehen).

Ich hoffe in diesem Exkurs ist klar geworden was man in der Psychologie unter extrinsischer und intrinsischer Motivation versteht, denn dies ist wichtig um die Flow-Theorie besser einordnen zu können. Im nächsten Abschnitt wird es darum gehen, was man praktisch unter einem Flow-Erlebnis versteht und warum der Flow ein erstrebenswerter Zustand ist.

Im letzten Abschnitt gab es einen kleinen Exkurs in die Motivationspsychologie. Hier wurde geklärt, dass man zwei unterschiedliche Formen der Motivation unterscheiden kann – intrinsische vs. extrinsische Motivation. Es ist wichtig diese Begriffe zu kennen, da das Flow-Erleben in Zusammenhang mit der intrinsischen Motivation steht. In welchem Zusammenhang kläre ich jetzt:

Wir haben gelernt, wenn wir irgendeine Handlung (z.B. Musizieren, Skifahren) um ihrer Selbst willen ausführen liegt unser Anreiz zur Handlung in der Tätigkeit selbst – wir sind als intrinsisch motiviert. Eine Frage die dabei auftaucht ist: Wie entsteht intrinsische Motivation eigentlich bzw. warum bin ich zu manchen Handlungen intrinsisch motiviert und zu anderen nicht? Die meisten Leute in meinen Seminaren sagen „na ja, weil es halt Spaß macht“, worauf ich meist die Frage stelle: „und warum macht es Spaß“? Hier wird es dann spannend, es ist häufig gar nicht so leicht zu beantworten, warum einem eigentlich etwas Spaß, Freude oder Zufriedenheit bereitet. Stellen Sie dich diese Frage mal selbst!

Eine Antwort darauf bietet an dieser Stelle die Flow-Forschung. Wie im ersten Abschnitt schon kurz beschrieben, ist Flow-Erleben ein besonders positiver affektiver (gefühlsmäßiger) Erlebenszustand der mit Freude, Mühelosigkeit und Zufriedenheit einhergeht. So konnte inzwischen vielfach experimentell nachgewiesen werden (z.B. Blomann, 2006; Keller & Bless, 2008, Keller & Blomann, 2008, Blomann, 2013), dass Flow-Erleben in bestimmten Tätigkeiten (bzw. Handlungen) intrinsische Motivation erzeugt. Sprich man erlebt z.B. Flow beim Skifahren, das führt dazu, dass man wieder Skifahren möchte. Oder man erlebt Flow beim Gitarre spielen, also will man immer wieder Gitarre spielen – und das ohne dafür besonderes Lob oder Belohnungen (ohne externen Anreiz).

Flow kann also intrinsische Motivation erzeugen, doch wie fühlt sich so ein Flow-Zustand überhaupt an? Was macht es aus, dass wir eine Aktivität im Flow als so toll empfinden, dass wir sie immer wieder ausführen wollen?

Wissenschaftlich betrachtet hat ein Flow-Erlebnis sechs Hauptkomponenten (z.B. Csikszentmihalyi, 1975). Diese Hauptkomponenten, oder man könnte auch sagen Merkmale des Flow-Erlebens, konnten in jahrelanger Forschung herausgefunden werden, indem eine Vielzahl von Personen zu ihrem Erleben und ihren Gefühlen in bestimmten flow-typischen Situationen befragt wurden. Aus den Beschreibungen der Untersuchungspersonen ließen sich dann die folgenden sechs Merkmale herauskristallisieren, die von den meisten Befragten immer wieder genannt wurden.

Ein Flow-Zustand äußert sich bei einer Aktivität in reinster Form durch folgendes Erleben (Csikszentmihalyi, 1975; Rheinberg, 2002):

  1. Handlungsanforderungen und Rückmeldungen werden als klar und interpretationsfrei erlebt, so dass man jederzeit und ohne nachzudenken weiß, was jetzt zu tun ist.
  1. Man fühlt sich optimal beansprucht und hat auch bei hohen Anforderungen das sichere Gefühl, das Geschehen noch unter Kontrolle zu haben.
  1. Der Handlungsablauf wird als glatt erlebt. Ein Schritt geht flüssig in den nächsten über, als liefe das Geschehen gleitend wie aus einer inneren Logik ab (= Flow).
  1. Man muss sich nicht willentlich konzentrieren, vielmehr kommt die Konzentration wie von selbst (wie die Atmung). Alle Kognitionen, die nicht unmittelbar auf die jetzige Ausführungsregulation gerichtet sind, werden ausgeblendet.
  1. Das Zeiterleben ist stark beeinträchtigt; man vergisst die Zeit und weiß nicht, wie lange man schon dabei ist. Stunden vergehen wie Minuten.
  1. Man erlebt sich nicht mehr abgehoben von der Tätigkeit, sondern geht vielmehr gänzlich in der eigenen Aktivität auf (Verschmelzen von Selbst und Tätigkeit). Es kommt zum Verlust von Reflexivität und Selbstbewusstheit  (es gibt keine ablenken Gedanken, wie z.B. „Ich schaffe das vielleicht nicht…“.)

Wenn man eine Aktivität in dieser Art erlebt, kann man davon sprechen, dass man im Flow ist/war. Ein Zustand der diese Erlebensaspekte beinhalten macht uns Menschen Glücklich und Zufrieden und Motiviert uns (intrinsisch) ihn immer wieder erleben zu wollen.

Wichtig ist es an dieser Stelle zu erwähnen, Flow ist kein “Entweder-oder-Zustand”! Man kann stark  oder auch ein bisschen im Flow sein, je nachdem wie stark die einzelnen Erlebensmerkmale gerade vorhanden sind (genau wie eine Tätigkeit auch nicht nur extrinsisch oder intrinsisch motiviert sein muss – siehe letzter Abschnitt). Treffen die oben genannten Merkmale über eine längere Zeitspanne alle zu 100% zu, kann man von einem „Deep Flow“ Erlebnis sprechen (oft z.B. bei Bergsteigern, Musikern, Chirurgen oder auch beim Sex anzutreffen). Es gibt aber auch Flow-Erlebnisse die bei ganz normalen Alltagsaktivität auftreten, wie z.B. beim Lösen eines Rätsels, beim Bügeln, beim Erstellen einer Präsentation oder beim Handwerken und und und ….

Flow-Erleben ist im Grunde in fast jeder Aktivität möglich, wenn bestimmte (Rand-) Bedingungen gelten. Das heißt eine Aktivität für mich bestimmte Rahmenbedingungen bietet, die mir ein Flow-Erleben ermöglicht. Wenn mir also bekannt ist, welche Bedingungen eine Tätigkeit bieten muss, damit ich darin Flow-Erleben kann, bin ich jederzeit in der Lage entweder meine Aktivitäten so zu wählen, dass ich Flow-Erlebe oder bei bereits vorhandenen, evtl. auch verpflichtenden, Aktivitäten (z.B. Arbeit) die Bedingungen so zu ändern, dass mir ein Flow-Erleben möglich wird. 

Was die Bedingungen des Flow-Erlebens sind und wie man einen Flow herbeiführen kann, verrate ich im nächten Abschnitt in kürze.