Das ist man ja gewöhnt: Zu jedem Jahresbeginn gibt es zahlreiche Neuerungen im Sozialversicherungsrecht. Dazu gehören natürlich insbesondere die neuen Rechengrößen, über deren neue Grenzwerte ab 2012 wir bereits berichtet haben (LohnPraxis 11/2011, Seite 10). Diese Änderungen sind zu Beginn jeden Jahres zu beachten. In manchen Jahren gibt es aber noch weitere Änderungen und Neuregelungen. So auch ist es auch 2012.

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Foto von Alesia Kazantceva

Das „Aus“ für das ELENA-Verfahren

Nur eine kurze Laufzeit war dem ELENA- Verfahren gegönnt, das in der Öffentlichkeit bereits bei seiner Einführung für Unruhe gesorgt hat. Als „Datenkrake“ wurde es bezeichnet. Tatsächlich wurden hier eine Unmenge von Daten gemeldet, die allerdings nur zu einem kleinen Teil Verwendung finden sollten. Zunächst mussten die Papiermeldungen, die das ELENA-Verfahren ersetzen sollte, weiter erstattet werden. Erst ab 1.1.2012 sollten sie entfallen. Die gemeldeten Daten sollten nur dann Anwendung finden, wenn eine Meldung, z. B. wegen dem Bezug von Eltern- oder Wohngeld, angefallen wäre. Monatlich mussten die Arbeitgeber neben den üblichen Meldungen für die SozialversiSozialversicherung und die Lohnsteuer auch die ELENA-Meldungen erstatten.

Das ist nun wieder vorbei. Die Bundesregierung hat sich entschlossen, das Verfahren zum Jahresende einzustellen. Ein entsprechendes Gesetz soll das „Aus“ für ELENA bringen. Die Arbeitgeberverbände beklagen die erheblichen Aufwendungen, die bereits gemacht wurden, nicht nur im Hinblick auf die angefallenen Arbeiten, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Die Bundesregierung will prüfen, ob nicht ein anderes Verfahren das ELENA-Verfahren ersetzen kann, so dass die gemachten Aufwendungen hierfür verwendet werden können.

Familienpflegezeit

Angesichts der Tatsache, dass die Menschen in Deutschland immer älter werden, ist die Pflege alter Menschen schon lange ein Problem. Seit 1.7.2008 versucht das Pflegezeitgesetz (PflegeZG), hier zu helfen. So haben Arbeitnehmer das Recht auf Freistellung von bis zu zehn Arbeitstagen, wenn sie kurzfristig eine Pflege ihrer nahen Angehörigen organisieren müssen. Außerdem sind Beschäftigte bis zu sechs Monate von der Arbeit vollständig oder teilweise freizustellen, wenn sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen (Pflegezeit).

Es hat sich allerdings herausgestellt, dass insbesondere die Pflegezeit nicht ausreicht, die hier bestehenden Probleme zu bewältigen. Deshalb hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf vorgelegt. Dieses Gesetz enthält als Artikel 1 das Gesetz über die Pflegezeit (Familienpflegezeitgesetz – FPfZG). Danach ist Familienpflegezeit die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit von Beschäftigten, die einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit muss mindestens 15 Stunden betragen und ist für die Dauer von längstens 24 Monaten bei gleichzeitiger Aufstockung des Arbeitsentgeltes durch den Arbeitgeber angelegt. Bezüglich des Begriffes „naher Angehöriger“ gelten die Regeln des PflegeZG.

FPfZG – Darlehen an Arbeitgeber

Die Aufstockung des monatlichen Arbeitsentgelts während der Familienpflegezeit erfolgt um die Hälfte der Differenz zwischen dem bisherigen monatlichen Arbeitsentgelt und demjenigen, das sich infolge der Verringerung der Arbeitszeit ergibt. Das aufgestockte Arbeitsentgelt wird nach der Pflege bei jeder Entgeltabrechnung wieder einbehalten. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gewährt dem Arbeitgeber auf Antrag ein in monatlichen Raten zu zahlendes zinsloses Darlehen im Umfang der erfolgten Aufstockung. Nehmen Sie als Arbeitgeber ein solches Darlehen in Anspruch, müssen Sie dem genannten Bundesamt unverzüglich jede Änderung in den Verhältnissen, die für seinen Anspruch erheblich sind, mitteilen. Insbesondere gilt dies für eine vorzeitige Beendigung der Familienpflegezeit. Mitteilungspflichten gelten aber auch für den Beschäftigten. Er muss die Beendigung der häuslichen Pflege des nahen Angehörigen unverzüglich mitteilen.

Änderung im Sozialgesetzbuch

Das geplante Gesetz ist gewissermaßen ein Sammelbecken für eine Vielzahl von Regelungen, die geändert oder angepasst werden, um die Verfahren effizienter zu gestalten. Zusätzlich wird eine Reihe von Einzelfragen der Sozialversicherung geklärt. Zu nennen ist hier insbesondere die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von „dualen Studenten“. Diese Personen haben in der Vergangenheit mehrfach die Gerichte beschäftigt. Durch duale Studiengänge können Studenten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie absolvieren neben der Berufsausbildung gleichzeitig ein Studium.

Zukünftig (ab 1.1.2012) werden Teilnehmer an dualen Studiengängen sozialversicherungsrechtlich wie Auszubildende behandelt. Als solche unterliegen sie der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung. Die hier in den letzten Jahren immer wieder aufgetretenen Zweifel über die versicherungsrechtliche Stellung dieser Personen sind damit beseitigt. Die Neuregelungen erfolgen sowohl für die Kranken- und Pflegeversicherung als auch für die Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Eine weitere für Arbeitgeber wichtige Änderung erfolgt zum 1.1.2012 durch die Schaffung des § 172a SGB VI. Hier sind künftig Beitragszuschüsse des Arbeitgebers für Mitglieder berufsständischer Versorgungseinrichtungen vorgesehen. Es geht um Beschäftigte, die wegen einer Zugehörigkeit zu einer solchen Einrichtung von der Versicherungspflicht befreit sind. Sie haben künftig Anspruch auf einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des Beitrags zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Als Arbeitgeber müssen Sie aber maximal die Hälfte des Beitrags übernehmen, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden wären.

Durchführung des Sozialausgleichs

Der Sozialausgleich ist geschaffen worden, um zu hohe Beitragsbelastungen der Versicherten für die gesetzliche Krankenversicherung zu vermeiden (LohnPraxis 2/2011, Seite 6). Für Arbeitnehmer ist er von ihrem Arbeitgeber durchzuführen. Die Berechnung des Sozialausgleichs ist vom „durchschnittlichen Zusatzbeitrag“ abhängig. Für 2011 war dieser auf 0 Euro festgelegt worden. Deshalb gab es 2011 keinen Sozialausgleich. Für 2012 wurde erwartet, dass die Arbeitgeber einen Sozialausgleich für ihre Arbeitnehmer durchführen müssen. Allerdings hat der Schätzerkreis für den Gesundheitsfonds festgestellt, dass eine Durchführung des Sozialausgleichs nicht erforderlich ist.

GKV-Versorgungsstrukturgesetz

Das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG), das im wesentlichen am 1.1.2012 in Kraft tritt, beschäftigt sich mit leistungsrechtlichen Vorschriften. In erster Linie soll das Gesetz bewirken, dass auch künftig eine flächendeckende wohnortnahe medizinische Versorgung der Versicherten der GKV gesichert ist.

Eine der wesentlichen Änderungen ist die Übernahme des sog. Nikolausbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in das Gesetz. In diesem Beschluss vom 6.12.2005 hatte das BVerfG bestimmt, dass Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung auch über den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus Leistungen beanspruchen können. Das gilt für eine zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung ebenfalls. Voraussetzung für den Anspruch ist in allen Fällen, dass eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht. Weitere Voraussetzung für den Leistungsanspruch ist, dass durch die Inanspruchnahme der begehrten Leistung eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Diese Grundsätze des BVerfG-Beschlusses sind in der beschriebenen Form in das Gesetz übernommen worden (§ 2 Absatz 1a SGB V).

Künftig besteht auch ein Anspruch auf ambulante spezialärztliche Leistungen (§ 116b SGB V). Diese umfassen die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattung erfordern. Zu diesen Krankheiten gehören insbesondere HIV/ AIDS, Multiple Sklerose, Tuberkulose sowie die Versorgung von Patienten vor oder nach Organtransplantationen. Näheres wird durch den Gemeinsamen Bundesausschuss in einer Richtlinie geregelt. Die Bundesregierung plant mit dem GKV-VSG zudem eine Stärkung des Rechts der Versicherten, nach einer Kasseninsolvenz eine neue Krankenkasse zu wählen. Liegen der Aufsichtsbehörde Anhaltspunkte vor, dass eine Neumitgliedschaft rechtswidrig abgelehnt oder erschwert wird, „hat sie diesen Anhaltspunkten unverzüglich nachzugehen und die Krankenkasse zur Behebung“ zu verpflichten. Die Verpflichtung soll mit der Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 50.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung verbunden werden.

Quelle: LohnPraxis – Nr. 12 – Dezember 2011