Ein Junge steht vor seiner Mutter und fragt: „When and where have I been downloaded?“ („Wann und wo wurde ich downgeloaded?“) Mit diesem Cartoon startete Prof. Dr. Boris Nemšić, früherer CEO von Telekom Austria, Mobilkom Austria und VimpelCom Russia, seinen Vortrag über Mobilität und Digitalisierung. Der Nachwuchs, so seine Ausgangsthese, ist mit der Digitalisierung der Kommunikation groß geworden. Für Menschen unter 20 ist das Netz so real wie ihr Lieblingscafé – und es ist die zentrale Quelle für Wissen und Information. Damit lebt diese Generation eine Entwicklung, die viele Unternehmen erst allmählich nachvollziehen.

person using smartphone and MacBook
Foto von Christina @ wocintechchat.com
Schnell und flexibel vernetzen
Dass der Trend in Richtung Mobilität und Digitalisierung in der betrieblichen Weiterbildung unaufhaltsam ist, darüber waren sich die Teilnehmer des Executive Forums weitgehend einig. Rahul Varma, Chief Learning Officer bei Accenture Worldwide, beschrieb am Beispiel seines Unternehmens, warum gerade internationale Arbeitgeber immer stärker auf digitale Kommunikations- und Lernmedien setzen müssen:  „Wir benötigen Netzwerken über Ländergrenzen hinweg“, betont  Varma. „Kürzlich haben wir beispielsweise eine Accenture-Niederlassung in Vietnam eröffnet. Möglicherweise benötigen die Mitarbeiter aus Vietnam in der Startphase Expertise aus Singapur. Dann können sie sich online sehr schnell und flexibel vernetzen, um an aktuellen Fragestellungen zu arbeiten.“ Voraussetzung dafür seien natürlich stabile Internetverbindungen – eine große Herausforderung in vielen Ländern der Erde. 

Den richtigen Mix finden
Die Pluspunkte des digitalen Informations- und Wissenstransfers liegen auf der Hand: Mithilfe von Videokonferenzen, virtuellen Klassenzimmern und anderen Instrumenten entfallen langwierige Dienstreisen ebenso wie Hotel- und Flugkosten. Angesichts dieser Vorzüge wollten einige Teilnehmer gar gänzlich auf Präsenztrainings verzichten – „zu langwierig, zu teuer“, lauteten einige Urteile. Andere setzen auf einen Mix der Formate und halten weiterhin am Face-to-Face-Austausch fest. So will Accenture regionale Lernzentren aufbauen, um Mitarbeiter auch in Zukunft in der realen Welt zusammenzubringen. Das größte Wachstum sieht Chef-Personalentwickler Varma jedoch im Bereich des On-the-Job-Lernens mithilfe interaktiver virtueller Angebote. 

Wertewandel im Umgang mit Wissen
Arbeitsplatznahes Lernen – zum Beispiel in sozialen Netzwerken, Onlineforen und frei zugänglichen webbasierten Trainings – werde deutlich an Bedeutung gewinnen, so die einhellige Meinung der Teilnehmer. Dass diese Entwicklung unseren Umgang mit Wissen und Lernen grundlegend verändert, zeigten einige Stimmen: So beobachtet Marek Büttel von SAP Deutschland einen „Wertewandel – in Richtung Transparenz und Offenheit“. Gerade die junge Generation habe einen anderen Zugang zum Teilen von Wissen und Information, gab auch Prof. Nemšić zu bedenken und warnte zugleich: „Wer ihre Offenheit und ihr soziales Netzwerken unterdrückt, zerstört ein riesiges Asset im Unternehmen“. Ein offenerer Umgang mit Daten birgt jedoch auch die Gefahr des Kontrollverlustes – ein Thema, das in der Diskussion immer wieder anklang: „Unsere Mitarbeiter vernetzen sich schon jetzt in vielleicht mehr als 60 Netzwerken außerhalb unseres Unternehmens“, sagte beispielsweise Xavier Durochat, Head of Learning & Development bei der BNP Baribas International Retail Bank. Was sie dort tun, wem sie welche Informationen geben und was sie selbst von anderen lernen, ließe sich nicht einmal annähernd kontrollieren. Wissenstransfer findet längst über Firmengrenzen hinweg statt. Das war gewissermaßen immer so, wird aber durch das Internet deutlich befördert. „HR hat teilweise Angst, die Kontrolle zu verlieren“, kommentierte Moderator Norbert Büning, Gründer und Geschäftsführer von Taloon Solutions, einem Beratungsunternehmen, das sich auf die Begleitung betrieblicher Lern-, Bildungs- und Veränderungsprozesse spezialisiert hat.  

Governance für das Lernen im Netz
Was passiert beispielsweise, wenn sich Mitarbeiter auf eigene Faust in sozialen Netzwerken austauschen, ohne dass HR und IT informiert sind? Wer steht für die Datensicherheit gerade und wer sorgt dafür, das in den Netzwerken gesammelte Wissen zu sichern? Diesen in der Praxis nicht so seltenen Fall spielte Dr. Matthias Görtz durch, der im Bereich Management Consulting/ Talent und Organisation für die Firma Accenture arbeitet. Gerade im Umgang mit Social Media sei Governance bezogen auf Prozesse und Zuständigkeiten erforderlich, lautete ein Ergebnis der Diskussion zu diesem Thema. So müsste die IT-Abteilung bestimmte Tools ausweisen, die Mitarbeiter frei nutzen können – und HR müsse über die Nutzung informiert sein, um den Wissenstransfer im Unternehmen gewährleisten zu können. 
Wissensmanagement gewinnt an Bedeutung 
Vor diesem Hintergrund gewinnt Wissensmanagement und Wissens-Scouting an Relevanz. Wer sorgt dafür, dass Mitarbeiter genau jenes Wissen finden, dass sich mit einer einfachen Google-Abfrage nicht aufspüren lässt? Wer programmiert die Filter, wer archiviert das gesammelte Wissen und sorgt dafür, dass es im Unternehmen wieder auffindbar ist und sinnvoll genutzt wird? Immer wieder klang in den Gesprächen an, dass der Trend in Richtung Digital Learning neue Aufgaben, Berufsbilder und – letztlich auch – Geschäftsmodelle mit sich bringt. 

Anreize für den Wissenstransfer bieten
Doch trotz aller Medieneuphorie: Längst nicht alle Menschen sind bereit für die neue digitale Welt des Lernens. „Wir bieten mittlerweile mobile Learning an, aber unsere Kunden nehmen das noch nicht an“, berichtete beispielsweise Stefan Hoffmann, Leiter der Viessmann Akademie, einer Einrichtung der Viessmann Werke. „Wir müssen bedenken, wo unsere Leute stehen. Ein großer Teil der Menschen ordert heutzutage noch per Fax“, so der Akademieleiter. Es gelte also Anreize für das Teilen von Wissen und die Nutzung digitaler Lernangebote zu schaffen. Von monetären Bonifizierungen riet Johannes Cruyff, Director Management Consulting and Head of Talent & Organization bei Accenture, allerdings ab. „Das hat bei uns nur zu einer Verstopfung des Intranets geführt“, warnte er. Hilfreicher seien nicht-monetäre Anreize wie Punktesysteme oder im Intranet publizierte Listen der Mitarbeiter, die besonders viel Wissen weitergeben. „Die Botschaft sollte sein: Wissen teilen ist nützlich“, so Cruyff. 

Mit gutem Beispiel voran
 „Macht es relevant für die Leute, holt sie dort ab, wo sie sind, und macht den Sinn und Zwecke der Lösungen klar“, formulierte Norbert Büning ein Fazit der Veranstaltung. Ein weiterer wichtiger Punkt laute: „Geht mit gutem Beispiel voran!“ Einige Teilnehmer haben das wörtlich genommen und ihre Eindrücke unter #LEF 13 getwittert.  
 
Weitere Informationen zum Professional Learning Executive Forum finden Interessierte auf www.ple-executive-forum.com.