Zuletzt haben wir über Bewerbungsprozesse und ihre Auswirkungen auf das Image des Unternehmens berichtet. Das Resultat: Einige Unternehmen müssen ihren Umgang mit Bewerbern unbedingt noch optimieren. Die Kommunikation ist häufig noch zu schleppend und nicht direkt und persönlich genug. Der Rekrutierungsprozess muss in eine aktivere und schnellere Kommunikation münden.

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Foto von Dose Media

In diesem Artikel wollen wir den Spieß einmal herumdrehen und genauer hinschauen, wie sich Unternehmen verhalten, wenn sie aktiv potentielle Mitarbeiter/innen ansprechen – sich also bei ihnen bewerben. Möglich machen dies u.a. neue Karriereplattformen im Internet.

„Gefunden werden statt bewerben“

Das ist das Motto der Karriereplattform „Absolventa“, die sich speziell an Studenten, Absolventen und Young Professionals richtet.

Die Idee hinter dieser Plattform ist nicht einzigartig, aber scheint zu funktionieren. Insgesamt gibt es noch drei Wettbewerbsplattformen, die ähnlich aufgebaut sind („Talential“, „yourcha“ und entfernt auch BusinessLive“).

Die Mitglieder hinterlegen auf der Online-Karriereplattform ihr Profil. Sie erreichen durch das einmalige Ausfüllen eines Bewerbungsprofils so eine Vielzahl an potentiellen Arbeitgebern. Die Unternehmen haben kostenlosen Zugriff auf diesen Pool. Sie können mit Hilfe einer Suchmaschine nach potentiellen Mitarbeitern/innen recherchieren, mit Hilfe eines Rankings eine Vorauswahl treffen und sich dann bei ihnen bewerben. Eine Gebühr wird erst bei einem Kontakt fällig.

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Doch was, wenn Sie ihren derzeitigen Arbeitgeber auch auf ihr Profil aufmerksam machen? Auch darüber haben die Anbieter nachgedacht. Es gibt eine Blacklist. Hier kann man angeben, welche Unternehmen einen nicht finden dürfen. Zudem bleiben die registrierten Mitglieder bis zu einem möglichen Interviewtermin noch anonym. Auch, ob es sich um eine männliche oder weibliche Person handelt, ist nicht zu erkennen. Damit sollen die Fähigkeiten und Kenntnisse der Mitglieder im Vordergrund stehen.

Eine neue Chance für das Employer Branding?

Davon zu sprechen, dass sich die Arbeitgeber bei den Kandidaten bewerben, scheint allerdings derzeit noch ein bisschen zu weit gegriffen. Denn schaut man genauer hin, dann handelt es sich meist um eine einfache Kontaktanfrage, eine eher „schlichte“ Einladung zu einem Vorstellungsgespräch.

Auch, wenn die Unternehmen aktiv werden oder gerade deswegen, ist im Anschluss an die „passive“ Bewerbungsform des Kandidaten wieder sein persönliches Engagement gefragt. Er muss mehr denn je beweisen, dass er motiviert ist. Und ganz so passiv ist auch diese Bewerbungsart nicht, betrachtet man einmal den folgenden Tipp eines Absolventa-Users an andere Kandidaten.

Gelungenes Anschreiben elementar wichtig

„Wenn ich anderen ABSOLVENTA-Usern einen Tipp geben darf, ist es der, ein kurzes aber prägnantes Anschreiben zu verfassen. Man sollte auf den Punkt bringen, warum man in dem bestimmten Bereich arbeiten möchte und warum man dafür geeignet ist. Ein Anschreiben sagt oftmals viel mehr aus als Studiengang, Note oder Sprachkenntnisse. Ein gelungenes Anschreiben ist somit der erste Schritt zur Kontaktanfrage.“

Im Sinne des Employer Branding ist dies sicher noch nicht. Aber man darf gespannt sein, wie sich die Unternehmen hier mit zunehmendem Wettbewerb auf der Plattform, weiterentwickeln und phantasievoller werden.

Ein sinnvolles Tool zum Kandidaten-Management

Zurzeit stellen diese Lebenslaufplattformen für die Unternehmen in erster Linie noch eine Arbeitserleichterung und Kostenersparnis dar. So können die Personalabteilungen Kandidaten und zu besetzende Stellen in einem intuitiven Workflow über die Plattform verwalten. Die Suche ist für Unternehmen kostenlos, Gebühren fallen erst an, wenn ein Kandidat kontaktiert werden soll. Dies macht den Einsatz dieser Lebenslaufdatenbanken zu Beginn einer Stellenbesetzung interessant, noch bevor Stellenanzeigen geschaltet oder Personalberatungen beauftragt und Kosten verursacht werden.

„Talential beschleunigt…“

Dieses Motto von Talential kommuniziert die Vorteile der Online-Plattformen auf den Punkt. So versprechen die verschiedenen Plattformen alle, dass der Bewerbungsprozess verkürzt wird. Die Unternehmen müssen nicht in einem Stapel von Bewerbungen nach dem richtigen Kandidaten fahnden. Damit sparen Sie im Idealfall nicht nur Zeit, sondern auch noch Recruitierungskosten für Anzeigen oder Personalberatungen.
Allerdings ist die Qualität und Ernsthaftigkeit der hinterlegten Profile derzeit noch auf allen Plattformen als kritisch anzusehen – auch, wenn die Quantität inzwischen zu stimmen scheint. Und auch die Suche nach passenden Kandidaten kostet bei allen Anbietern häufig noch zu viel Zeit trotz elektronischer Tools.

So werden in den meisten Fällen die klassischen Rekruitierungselemente nicht ersetzt werden. Stattdessen werden die Lebenslaufdatenbanken sicher vielmehr ergänzend eingesetzt.

Der Bedarf scheint da zu sein

Networking-Plattformen oder auch Dating-Plattformen haben gezeigt, wie Online-Matching funktionieren kann. Warum soll da nicht auch ein Matching zwischen potentiellen Mitarbeitern und Unternehmen funktionieren?

Und die Online-Plattformen verzeichnen gute Zuwachsraten. Absolventa.de konnte in den ersten vier Monaten seit seinem Start im April 2008 bereits Rund 50.000 Akademiker und 350 Unternehmen vom Konzept begeistern. Und auch „yourcha“ vermeldet: „Unser erstes Etappenziel haben wir bereits erreicht. Die aktuell mehr als 150.000 registrierten Arbeitnehmer und über 4.000 Unternehmen beweisen, dass unsere Recruiting-Lösung genau die Bedürfnisse des Marktes trifft,“ so Sven Reuter, Chief Executive Officer des Unternehmens. Auf jeden Topf passt ein Deckel – Die Plattformen sprechen unterschiedliche Zielgruppen an

Der Bedarf scheint groß genug zu sein. Dennoch, um sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen, haben alle Plattformen eine etwas andere Zielgruppe definiert. Richtet sich „Absolventa“ nur an Young Professionals, so hat sich „Talential“ exklusiv auf Fach- und Führungskräfte spezialisiert. Weiter noch: Die Voraussetzung zur Teilnahme ist eine Empfehlung von einem anderen Mitglied sowie mindestens drei Jahre Berufserfahrung, ein Jahresbruttogehalt von mehr als 60.000 EUR und eine nachgewiesene Expertise beziehungsweise ausgeprägtes Managementpotenzial. „Talential“ prüft hierzu alle CVs und Zeugnisse. „yourcha“ geht dagegen in die breite Masse. Geworben wird hier mit dem Slogan „yourcha ist für alle da!“ Die Online-Plattform bezeichnet sich selber als „Das Karriere-Portal für Jedermann.“

„Fisch sucht Fahrrad“

Einen etwas anderen Weg geht die Karriereplattform „BusinessLive“, ein Venture der Holtzbrinck eLAB GmbH, eine Tochter der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck.

Hier findet eine Art automatisches Matching statt. Die Unternehmen füttern die Datenbank so zu sagen mit Ihrem Stellenprofil und Ihrer Stellenanzeige. Diese Stellenanzeige wird dann mit den vorhandenen Profilen der Bewerber in der Datenbank abgeglichen und nur passenden Kandidaten gezeigt, die für die zu besetzende Stelle in Frage kommen.

Die Plattform ähnelt fast ein bisschen einer „Datingplattform“ (vgl. zum Beispiel „Parship“). Denn es werden auch weiche Faktoren wie die Persönlichkeit und die Karriereziele der Kandidaten mit einbezogen. Und das Karriereportal geht noch einen Schritt weiter. Auf Basis eines Persönlichkeitstest wird ein Stärken- und Schwächen-Profil erstellt. Ergänzend erhalten die Kandidaten methodisch qualifizierte Vorschläge für ihre weitere Karriereentwicklung und Handlungsempfehlungen, die sie konkret bei ihren nächsten beruflichen Schritten unterstützen sollen.

“Im Gegensatz zu anderen Portalen wird hier nicht nur auf die berufliche Erfahrung
sondern auch auf die persönlichen Skills und deren Entwicklung wert gelegt. Das ist gut so, denn letztlich entscheidet die Persönlichkeit darüber, ob jemand zu seinem Team und Chef passt,” so Andreas Frintrup, CEO von HR Diagnostics.

Neben aufwendigen Persönlichkeitstests ergänzen individuelle Stellenangebote und Experten-Foren das Angebot. Für Unternehmen eine weitere Möglichkeit sich im Rahmen einer Employer Branding Strategie möglichst umfassend zu präsentieren.

Unser Fazit:

Die Karriereplattformen stellen aus unserer Sicht ein interessantes Modell mit Zukunftsaussichten dar, wenn eine kritische Masse und Qualität bei den Kandidaten erreicht wird. Dann werden automatisch auch mehr Unternehmen von den Plattformen angezogen. Interessante Arbeitgeber steigern wiederum den Zulauf an potentiellen Kandidaten. Also ein nicht einfaches Spiel. Doch wir sind uns sicher: Diese Karriereplattformen werden in der Zukunft ganz sicher zunehmend ein wichtiges Online-Instrument innerhalb der Employer Branding Strategie darstellen, wenn sowohl Quantität als auch Qualität der Kandidatenprofile stimmen