Das Konzept der 5 Erfolgsfaktoren

Nachhaltigkeit in der Weiterbildung – das klingt nicht sexy, sollte aber ein wichtiges Ziel der Personalentwicklung sein. Einige Unternehmen erreichen diese Nachhaltigkeit bereits, aber es sind immer noch wenige. Weil die Messungen der Trainingserfolge nicht genau genug sind? Oder weil wir andere Kennzahlen benötigen? Meine Erfahrung zeigt: Wir sollten unser Tun vor der Evaluierung optimieren. Denn wir haben uns eine andere Form der Weiterbildung verdient.

three men laughing while looking in the laptop inside room
Foto von Priscilla Du Preez
  1. Nachhaltigkeit durch stringente Strategieorientierung. Wofür bieten wir Weiterbildung für Führungskräfte an? Um die Strategie des Unternehmens optimal zu leben. Wenn Leadershiptrainings erfolgreich sein sollen, müssen Organisationen damit ihre Ziele erreichen. Passiert das nicht, sollten sie das Mittel zum Zweck verändern – also das Training. Sie sollten nicht, wie es manchmal geschieht, den Zweck in Form ihrer Ziele revidieren. Damit ersparen wir uns die Erfindung vieler neuer Kennzahlen, die uns vom Wesentlichen ablenken: dem Auftrag des Leadershiptrainings.
  2. Nachhaltigkeit durch die konsequente Einladung zum Denken. Wer Rezepte bekommt, kocht diese nach. Auf diese Weise entsteht keine Nachhaltigkeit. Beim „Nachkochen“ gehen Eigentümerschaft, Kreativität und Leidenschaft weitgehend verloren. Aber nicht nur das: Wer ein Rezept erhält, kann nach diesem zwar kochen. Was aber, wenn die Eier ausgegangen sind oder der Dampfgarer den Geist aufgibt? Führungskräfte erleben heute eine mannigfache Vielfalt von Situationen und Herausforderungen, von denen keine der anderen gleicht – und in denen schon gar keine Standardrezepte und –methoden passen. Wer heute Führungskräften die „Methode xy“ verpassen will, hat meines Erachtens schlicht die Pointe verpasst. Wir brauchen ein Leadershiptraining, das Fragen stellt und damit bisherige Denkweisen und Grundannahmen in Frage stellt. Es sollte Führungskräfte anregen, in ihrem Alltag selbst die passenden Fragen zu stellen und ihr persönliches Herangehensund Handlungspotenzial zu erweitern, um in der konkreten Situation flexibel handeln zu können. Damit geht es nicht (mehr) um das Vermitteln von Wissen, sondern vielmehr um das Anregen von Denkprozessen.
  3. Nachhaltigkeit durch die Konzentration auf den Aufbau einer einzigartigen Haltung. DISG, MBTI oder andere Verfahren der Potenzialanalyse ermöglichen es uns, die Milliarden von Führungskräften auf dieser Welt in einige wenige Persönlichkeitsprofile einzuteilen. Diese Tests erleichtern das Leben. Aber sie können auch Entwicklung behindern und bergen die Gefahr, einen Tunnelblick zu erzeugen. Denn mit ihnen weisen wir Führungskräften bestimmte Eigenschaften zu, mit denen sie anschließend weiterleben müssen. Oder sie selbst weisen sich bestimmte Eigenschaften zu und fi xieren damit ihr eigenes Profi l. Wer jedoch Angst vor Einzigartigkeit hat, wird es im kommenden Jahrzehnt schwer haben. Unser Markt, unsere Gesellschaft, unsere ganze Welt ist so vielfältig, dass wir einzigartige Führungskräfte benötigen, die aus verschiedenen Perspektiven möglichst unterschiedliche Lösungen suchen und damit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich das Unternehmen „passend“ verhält. Leadershiptraining kann hier einen enormen Beitrag leisten.
  4. Nachhaltigkeit durch Praxis statt Rollenspiele. Wer hat das noch nicht erlebt: Im Training wirkten Rollenspiele überzeugend, klar und einfach. Dummerweise passen sie nicht zu den Situationen, die wir im Führungsalltag erleben. Und damit sind sie plötzlich wertlos. Wenn sich Leadershiptrainings an der Praxis orientieren und einen sinnvollen Beitrag zur Lösung anstehender Herausforderungen leisten sollen, dann sind Rollen-, Plan- und Unternehmensspiele passé. Stattdessen sollte jede Führungskraft anstehende und noch nicht bewältigte Herausforderungen mit ins Training bringen und Mittel, Wege und Alternativen erarbeiten, diesen zu begegnen. Dabei geht es hauptsächlich darum, ein anderes Denken zu entwickeln, um Probleme vielfältiger Art erfolgreich meistern zu können. Es geht also um eine andere Form der Herangehensweise – und nicht (nur) um ein verändertes Handeln.
  5. Nachhaltigkeit durch simultanes, multiples Erreichen von Zielen. Wir erleben die Welt als kurzlebig und multitaskingorientiert – nicht etwa, weil sie „so ist“, sondern weil wir sie uns genau so geschaffen haben und quasi immer wieder „die Früchte“ dessen ernten, was wir gesät haben. Zugleich spüren wir die wachsende Bedeutung von Vernetzung und Zusammenarbeit. Wer vor diesem Hintergrund mehr als zwei oder drei Jahre das gleiche Leadershiptraining anbietet und damit die Unternehmensziele erreicht, muss völlig abgekoppelt vom aktuellen Wirtschaftskreislauf agieren. In einer kleinen Branchennische mag das funktionieren. Aber für alle anderen gilt: Öffnen Sie die Augen und gestalten Sie Ihr Leadershiptraining entsprechend der Wirklichkeit, die Sie sehen.

Leadershiptrainings sind heute zunehmend kurz. Wir bewegen uns defi nitiv weg von der Idee, eine allumfassende Ausbildung zu bieten, die langfristig ausreicht. Vielmehr geht es darum, Führungskräften Anstöße zu geben, wie sie mit den sich stets verändernden Ausrichtungen des Unternehmens umgehen, alternative Herangehensweisen entwickeln und neue Herausforderungen souverän meistern können. Darüber hinaus sollten die Trainings Vernetzungen fördern: Wichtige Kompetenzen in diesem Zusammenhang sind Intervision, also das gegenseitige Unterstützen bei anstehenden Herausforderungen, Teamarbeit – auch über nationale Grenzen hinweg –, eine reibungslos funktionierende Arbeit an Schnittstellen sowie Wissensmanagement.

Leadershiptrainings müssen mehrere Ziele gleichzeitig erreichen. Es geht darum:

  • simultan die Haltung, das Denken und das Verhalten von Führungskräften in Frage zu stellen und hier eine Neuorientierung zu ermöglichen,
  • im Seminar an konkreten, anstehenden Aufgaben zu arbeiten,
  • Vernetzung, Zusammenarbeit und Wissensmanagement bereits im Seminar, aber auch darüber hinaus, gezielt zu fördern und fordern
  • und immer gleichzeitig Team- beziehungsweise Organisationsentwicklung anzuregen, die damit verbundene Führungskultur im Unternehmen aufzubauen und die Unternehmensziele zu erreichen.

Einige Beispiele

Eine nachhaltige Weiterbildung lässt sich auf unterschiedliche Art und Weise umsetzen. Der folgende Abschnitt stellt neue Trainingsformate vor, die das Institut für Systemisches Coaching und Training einsetzt – als Gedankenanstoß, selbst kreativ zu werden.

Team-Development und Leadership- Development

Welches Trainingsformat passt, wenn Unternehmen im Zuge eines Veränderungsprojektes ihre Teams neu formieren und zugleich neue Führungsleitlinien etablieren wollen? In einem solchen Fall können Sie mit Großgruppen arbeiten. Sie fassen alle Führungskräfte einer Ebene zusammen – seien es 15, 100 oder 400 – und beschreiben den neuen Rahmen, in dem sich das Unternehmen bewegt, also seine Ausrichtungen, Strategien und Ziele. Innerhalb dieses Rahmens, den der unmittelbare Vorgesetzte vorgibt, entwickelt die gesamte Hierarchieebene eine neue Führungsidentität. Noch in derselben Veranstaltung bilden die Führungskräfte regionale oder produktgruppenbezogene Kleingruppen, die sich individuell überlegen, was die erarbeiteten Ergebnisse für sie bedeuten. In der Folge erhalten sie in der Großgruppe Methoden an die Hand, die sie dann in der Kleingruppe maßgeschneidert auf ihren Kontext und ihre anstehenden Themen anwenden. Dieses Trainingsformat bedarf der Erfahrung, ist aber ein perfektes Design, wenn Veränderungen – wie in so vielen Unternehmen – rasch umgesetzt werden sollen.

Short-Cut-Format

In der Kürze liegt die Würze, haben wir durch die Anwendung des Short-Cut-Formats nach Oliver Bartels erfahren. Mit diesem Modell betreiben Unternehmen Führungskräfteentwicklung auf Raten und in ganz kleinen Dosen. Die Rede ist von sorgfältig zusammengestellten, über das Jahr verteilten Gedankenanstößen, die sich zum Beispiel an internationale Meetings einer Führungsebene anhängen lassen. Drei bis vier Stunden reichen – und vermögen sehr viel zu bewirken. Diese Short-Cut-Trainings vermitteln zunächst einen Gedankenanstoß, den die Teilnehmer dann in Kleingruppen reflektieren und gegebenenfalls auf eine aktuell bestehende Situation beziehen. Sie üben konkrete Praxisfälle anhand der angebotenen Konzepte und erhalten Anregungen für die Umsetzung im Führungsalltag. Das kleine Format lässt sich auch in „traditionelle“ Events – etwa Weihnachtsfeiern oder Betriebsversammlungen – integrieren und kann dort echte Veränderungen bewirken.

Praxistag-Konzept

Der Praxistag ist ein Potpourri von zehn bis 20 Praxis-Kurzworkshops, die sich inhaltlich an den Kernkompetenzen orientieren, die ein Unternehmen benötigt, um seine Ziele zu erreichen. Die Führungskräfte wählen selbst die Workshops aus, die für ihre Praxis besonders relevant sind. In den Veranstaltungen treffen sie auf immer neue Kollegen und haben Gelegenheiten, sich auszutauschen. Der Praxistag eignet sich vor allem für Unternehmen mit vielen Führungskräften, auch unterschiedlicher Hierarchie, die es zu vernetzen gilt. In den Workshops sollten möglichst viele persönliche Fragestellungen aus der Führungspraxis der Teilnehmer zur Sprache kommen.

Selfservice im Leadership-Development

Basis dieses Formats ist eine Kick-off-Veranstaltung, die zunächst die Unternehmensstrategien und –ziele definiert. Anschließend arbeiten die teilnehmenden Führungskräfte selbst daran, das Leadership-Development entsprechend auszurichten. Sie definieren Kernkompetenzen, die notwendig sind, um die geplanten Veränderungen zu erreichen, und gehen der Frage nach, wie sich diese vermitteln lassen. Dafür beschreiben sie inhaltliche und methodische Anforderungen an Lernsettings, die der Kompetenzvermittlung dienen. Im nächsten Schritt konzipieren sie in Zusammenarbeit mit der Personalentwicklung beziehungsweise den externen Beratern passende Seminare, Workshops und Kurzinputs. Die fertigen Programmteile stellen sie in Absprache mit HR und ihren direkten Vorgesetzten zusammen und buchen sie. Ein wichtiges „Nebenprodukt“ dieses Selfservice-Konzepts: In der Konzeptionsphase tauschen sich die Führungskräfte intensiv aus und haben Gelegenheit zum Networking.

Inhouse-Akademie

Null Budget, aber dennoch steht Leadership- Development an? Mit der Inhouse-Akademie ist das kein Problem. In diesem Konzept kommt den internen HR-Experten eine tragende Rolle zu: Sie erheben zunächst in Gesprächen und Workshops mit der Unternehmensleitung jene Kernkompetenzen, über welche die Führung zukünftig verfügen sollte. Im zweiten Schritt macht sie sich auf die Suche nach Personen oder Teams im Unternehmen, die bereits über diese Kompetenzen verfügen. Möglicherweise hat sich die Marketingabteilung in den vergangenen Jahren profunde Kenntnisse im Projektmanagement angeeignet – und erklärt sich auch bereit, diese zu vermitteln. Aufgabe der HR-Abteilung ist es jetzt, passende Methoden der Vermittlung zu definieren und den Know-how-Gebern nahezubringen, zum Beispiel Kurzseminare, Workshops, Mentoring, kollegiale Beratung, Coaching oder Jobrotation. Auf diese Weise entsteht meist eine reichhaltige „Inhouse- Akademie“.

Fazit

Leadership-Weiterbildung nachhaltig zu gestalten, erfordert Kreativität und eine strikte Orientierung an der Unternehmensstrategie. Woran lässt sich diese Nachhaltigkeit messen? An Kennzahlen, die sich nur auf die Inhalte der einzelnen Trainings beziehen? Nein, keinesfalls. Denn dann fehlt der Blick auf das Ganze. Weiterbildung ist lediglich ein Mittel zum Zweck – und zielt darauf ab, die Unternehmensziele umzusetzen. Erst wenn Leadership- Development-Trainings Führungskräfte nachweislich in die Lage versetzen, die Ziele des Unternehmens zu erreichen, dann sind sie nachhaltig und erfolgreich.

Literaturtipps

Management Development Programme – Entscheidungen über die Grundfesten der Organisation.

Von Oliver Bartels, LO – Lernende Organisation, Nr. 50 – Juli/August 2009, S. 12–31.

Beratung ohne Ratschlag.

Von Sonja Radatz, 7. Aufl., Verlag Systemisches Management 2007.

Erlebte Erfolgsfaktoren in Inhouse-Trainings.

Von Sonja Radatz, LO – Lernende Organisation, Nr. 42 – März/April 2008, S. 6–15.

Das 1 x 12 der Leadership Development Formate.

Von Sonja Radatz, LO – Lernende Organisation, Nr. 42 – März/April 2008, S. 6–15.

Strictly CEO – der Entwurf eines Leadership Development Programms für das Top Management.

Von Sonja Radatz, LO – Lernende Organisation, Nr. 50 – Juli/August 2009, S. 12–31.

Quelle: personal manager 5/2009