Ich bin introvertiert und das ist gut so!

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Foto von NeONBRAND

 

Ich bin introvertiert und das macht es mir nicht immer leicht. Ich brauche viel Zeit mit mir allein, um meine Batterien wieder aufzuladen und um ausgeglichen und glücklich zu sein. Nach der Arbeit gehe ich gerne in den Wald spazieren, um mich dort in der Ruhe und Stille entspannen zu können. Wenn ich unter Leuten bin, bin ich schnell erschöpft. In Gesprächen wundern sich Gesprächspartner schon mal über meinen ausweichenden Blick, wenn ich mit ihnen rede. Ich arbeite gerne konzentriert und alleine an einer Sache und komme in einem Großraumbüro nicht zurecht. Es fällt mir schwer, in Gruppensituationen überhaupt etwas zu sagen und wenn ich mich unter Druck gesetzt fühle, setzt mein Verstand schon mal aus. Oft komme ich gar nicht hinterher, denn ich brauche länger, um alles zu durchdenken, während andere große Reden schwingen. Ich gehe Partys aus dem Weg und nehme im Büro selten den Fahrstuhl, um dem Smalltalk auszuweichen. Ich bin anders. Und wenn man Statistiken glauben darf, dann sind das 20 bis 50 Prozent von Ihnen auch.

 

Wo bekommen Sie Ihre Energie her?

 

Der Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung hat die zwei Eigenschaften der „Introversion“ und „Extraversion“ in seine Persönlichkeitstypologie eingeführt.

 

Introvertierte Menschen beziehen ihre Energie aus sich selbst heraus. Sie betrachten das Alleinsein als Quelle ihrer Energie. Sie beschäftigen sich mehr mit der Innenwelt (Gedanken, Ideen). Introvertierte bevorzugen die Privatsphäre und geben dem Leben Tiefe.

 

Extravertierte Menschen hingegen beziehen andere Menschen als Quelle ihrer Energie. Sie sind leicht kennen zu lernen und sind mehr an der Außenwelt interessiert. Extravertierte fühlen sich einsam, wenn sie nicht mit anderen zusammen sind. Sie suchen die Interaktion und geben dem Leben Farbe.

 

Introvertierte haben auch eine niedrigere Reizschwelle, weil in ihren Köpfen einfach mehr passiert und sie somit ohnehin schon viele Reize im Inneren verarbeiten müssen. Demnach bevorzugen sie eher eine reizarme Umgebung. Ihre Hirnaktivität und die Blutzirkulation in den Hirnen sind komplizierter und sie nehmen selbst bei geringer Stimulanz von außen mehr wahr. Dadurch verbrauchen sie auch mehr Energie, sind schneller erschöpft und benötigen länger, um alle Daten zu verarbeiten. Sozial äußert sich das dann oft in Zurückgezogenheit und Schweigsamkeit. Anders als extravertierte Menschen benötigen sie auch nicht so viele Reize, um glücklich und zufrieden zu sein. Sie langweilen sich seltener und fühlen sich kaum einsam.

 

Der Beitrag von Introvertierten

Es scheint so, dass die heutige Welt den lautstarken extravertierten Machern, den redegewandten Netzwerkern, die auf den After-Work-Partys neue Partner und Klienten angeln, gehört. Nur wer ständig auf sich aufmerksam macht, ist angeblich erfolgreich. Angeblich – denn das stimmt so nicht. Extravertierte fallen lediglich mehr auf. Doch viele der erfolgreichsten Politiker, Geschäftsleute, Wissenschafter und die meisten Künstler und Schauspieler sind introvertiert, nutzen also die leisen Stärken. Barack Obama, Angela Merkel, Bill Gates, Hillary Clinton, Günter Jauch, Mark Zuckerberg, Albert Einstein, Loriot, Gandhi, Mutter Theresa, Woody Allen, usw. Das sind alles leise Erfolgsmenschen. Was sie auszeichnet ist, dass sie ihre eigenen Stärken nutzen und nicht auf die “Laut ist besser!“-Annahme hereinfallen.

Eine erfolgreiche Gesellschaft braucht aber beide, Intros wie Extros: risikofreudige und vorsichtige, tatkräftige und planende, eben extravertiere und introvertierte Menschen.

Eine Gabe, die es zu erkennen und zu nutzen gilt

Am allerwichtigsten ist jedoch, dass sich introvertierte Menschen selbst als das erkennen, was sie sind. Denn schnell wird man als Einzelgänger oder schüchtern abgestempelt und an den Rand gedrängt.

Introvertierte haben eine enorm gute Beobachtungsgabe, sind gute Zuhörer und haben eine hohe Wahrnehmung für äußere und innere Reize. So nehmen sie mehr Informationen auf als Extravertierte und spüren meist als erste eine ungesunde Stimmung am Arbeitsplatz. Extravertierte brauchen den Daten-Input von Introvertierten, um zu den richtigen Entscheidungen zu kommen. Introvertierte schreiben gut und lesen viel. Was sie tun, ist immer gut durchdacht. Ein wichtiger Vorteil von introvertierten Führungskräften gerade in unsere heutigen fordernden Zeit ist, dass sie ihre Mitarbeiter in deren Unabhängigkeit und Entscheidungsfähigkeit ermutigen. 

Autorin:
Mag. Irene Galler
www.ganzheitscoaching.at