Langfristig gesehen haben HR-Verantwort­liche gute Karten: Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Job durch einen Computer ersetzt wird, liegt bei 0,6 Prozent – und ist damit ziemlich gering. Zu diesem Ergebnis kommt, wer auf einer Internetseite der Süddeutschen Zeitung die Profession „Personalmanager“ in die Suchmaske eingibt (gfx.sueddeutsche.de/pages/automatisierung). Die Einschätzungen des Tools basieren auf einer Oxford-Stu­die, welche die Zukunftsaussichten von 700 Berufsgruppen angesichts der Konkurrenz durch Roboter und Computer berechnet. Der Studie zufolge wird nur ein geringer Teil der Personalarbeit langfristig der Automatisie­rung zum Opfer fallen. HR ist demnach eine Profession mit Zukunft.

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Foto von Andrew Neel

Bewerberüberhang
bei Einstiegspositionen
Laut einer aktuellen Studie des Beratungs- und Forschungsunternehmens trendence machen sich dennoch 37 Prozent der HR-Studierenden Sorgen um ihre beruflichen Perspektiven. 42 Prozent geben an, dass es schwer sein wird, 2016 eine Arbeitsstelle im Bereich HR zu bekommen (Studienbericht S. 20). Berufseinsteiger müssen sich bei der Suche nach einer ersten Position gegen viele Mitbewerber behaupten. „Wir haben bei Nachwuchspositionen im HR einen Bewerberüberhang“, sagt Julian Maly von Muellbacher Personalberatung. Ein Studium sei schon beinahe ein „Hygienefaktor“.

 „Ohne akademischen Background geht fast gar nichts mehr“, bestätigt auch Claudia Lorber von hr personal, der bislang einzigen auf das HR-Wesen spezialisierten Personalvermittlung in Österreich. „Eine Ausnahme ist die Personalverrechnung. Hier stehen Ausbildung und Berufserfahrung im Vorder-grund“. Bei anderen Positionen sei eine Hochschulausbildung mindestens auf dem Bachelor-Niveau erwünscht. „Mit Sorge“ betrachte sie, dass gerade Fachhochschulen immer mehr Studienplätze im Bereich HR anböten. „Es gibt einen wachsenden Gap zwischen den Absolventenzahlen und den offenen Positionen“.

Der Blick auf die Stellenbörse HR-Jobs.at bestätigt diesen Eindruck. Rund 650 Stellenangebote sind in der auf HR-Positionen in Österreich spezialisierten Jobbörse verfügbar. Die große Mehrheit richtet sich an Personalisten mit Berufserfahrung. Nur vereinzelt finden sich Angebote für Berufseinsteiger – und die sind nach Erfahrung der Personalvermittler heiß begehrt. „Personalchefs bekommen schnell mehr als hundert Bewerbungen für Junior-Positionen“, berichtet Claudia Lorber. 

Wer sich im Pool der Bewerber positiv absetzen möchte, sollte sehr gute fachlich-methodische Kenntnisse nachweisen können, betont die Personalvermittlerin. Doch gerade in dieser Hinsicht fühlen sich viele Absolventen nicht sattelfest. 38 Prozent der HR-Studierenden geben in der trendence-Studie an, dass sie sich durch ihre Ausbildung nicht optimal auf ihre berufliche Laufbahn vorbereitet fühlen. Umso wichtiger erscheinen vor diesem Hintergrund Praktika und Nebenjobs während des Studiums. „Wenn jemand in einer HR-Abteilung gearbeitet hat – perfekt. Aber aus meiner Sicht zählt aber auch jede andere Praxiserfahrung“, so Lorber.

Personalberater Maly schaut bei der Auswahl von angehenden HR-Kräften auf eine Reihe persönlicher Skills wie „die Begeisterung für HR, die Bereitschaft zu lernen, Selbstmanagement und emotionale Stabilität“. HR-Verantwortliche sollten die Kompetenzen, die sie von Mitarbeitern erwarten – wie Belastbarkeit oder Kommunikationsfähigkeit – auch selbst mitbringen. Die Offenheit für Neues sei ebenso wichtig wie Initiative und Weitblick. „Insgesamt braucht man den Drang, sich weiterzuentwickeln und Herzblut in eine Sache zu stecken“, so Maly. 

Zudem sollten Absolventen die Erwartungen an ihre erste Stelle nicht zu hoch schrauben: „Der Einstieg funktioniert oft über Positionen in der Administration.
Die Leute verwalten 
Personaldaten, sie werten Zahlen aus, bekommen mit, wie es in der HR-Abteilung abläuft und wie die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen funktioniert“. Die Erwartung, generalistisch tätig zu sein, erfülle sich in den ersten Berufsjahren meist ebenso wenig wie die, einen direkten Impact auf die Steuerung und Entwicklung von Mitarbeitern zu haben. Erst im Lauf der Zeit oder in einem Folgejob gelinge es den meisten, sich inhaltlich breiter aufzustellen und vielseitigere 
Aufgabenfelder zu bearbeiten.

Zahlenmenschen gefragt
Etwas einfacher kann die Jobsuche ausfallen, wenn sich Nachwuchskräfte von vornherein auf die zahlenlastigen Bereiche des Personalmanagements konzentrieren. „Personalverrechner und Personalcontroller sind gefragt“, berichtet Lorber, die angehende HR-Kräfte ohnehin zu mehr Zahlenfreude ermutigt: „Die meisten Personalisten sagen ja, dass sie gerne mit Menschen arbeiten und es nicht so mit Zahlen haben“, berichtet die Personalvermittlerin. „Ich sage dann immer: Dann sind Sie in HR nicht richtig, denn HR hat ganz viel mit Zahlen zu tun – in jeder Funktion.“ Viele Personalmanager verstünden es noch nicht, den Wert ihrer Arbeit zu beziffern und intern darzustellen. Dabei sei das dringend notwendig – nicht nur im Personalcontrolling.


Recruiting-Wunderwuzzis gesucht
Abgesehen von den zahlenorientierten Funktionen habe sie seit rund einem Jahr eine verstärkte Nachfrage nach Recruitern, weil sich dieser Bereich so stark wandle. Oft hätten Unternehmen hier jedoch Wunschvorstellungen, die sich noch nicht mit dem Angebot des Marktes deckten. „Sie suchen Recruiting-Spezialisten, die von Active Sourcing und Social Recruiting über klassische Gesprächsführung bis hin zum Employer Branding alles abdecken“. Am Markt gebe es aber kaum Fachkräfte mit entsprechenden Erfahrungen. „Am ehesten findet man sie in der Personalvermittlung, denn wir arbeiten mit diesen Methoden natürlich schon länger“, so Lorber.

 

HR-Generalisten und Gestalter
Schwer sei es auch, erfahrene HR-Generalisten für bestimmte Branchen zu finden – beispielsweise für Produktionsbetriebe, berichtet Personalberater Maly. „Eine Blue-Collar-Workforce zu managen, mit unterschiedlichen Menschentypen umzugehen, dabei hands-on mitzuarbeiten, aber auch mit der Unternehmensführung strategische Themen gestalten zu können: Diese Mischung findet man selten“, so Maly. Ebenfalls gefragt: Personalleiter, die schwierige Unternehmensphasen wie Abbau- und Restrukturierungsprozesse professionell managen könnten, sowie HR-Leiter, die Innovationen anstoßen und umsetzen.

Quereinsteiger: ja, aber
HR-Manager sollten das Geschäft des Unternehmens kennen. Dieses Mantra hören Personalverantwortliche seit Jahren. Doch wie gefragt ist ein Wechsel aus dem Business in die HR-Funktion? „Gerade für die Position des HR-Businesspartners stelle ich gerne Leute aus dem Business ein. Die müssen dann natürlich noch viel im Bereich HR lernen“, sagt Sabine Bothe, HR-Leiterin der A1 Telekom Austria (siehe Interview S. 15). Auch Hansjörg Tutner, Executive Director Human Resources bei Magna Steyr, hat bereits Kollegen aus dem Management für die Arbeit als HR-Businesspartner fit gemacht – und dabei positive Erfahrungen gesammelt (siehe Interview S. 16).

„Wenn ein Kandidat intern aus Marketing oder Finanzen in die HR-Abteilung kommt, ist das oft gerne gesehen, weil er bereits die Strukturen, die Unternehmenskultur und die Stakeholder kennt“, beobachtet auch Personalberater Maly. Bei externen Bewerbungen sehe das oft anders aus. „Der Wunsch, sehr stringente Lebensläufe zu bekommen, ist nach wie vor verbreitet. Wir müssen teilweise sehr viel Überzeugungsarbeit leisten für CVs, die das auf den ersten Blick nicht hergeben“. 

Auch Personalvermittlerin Lorber hat Probleme, Quereinsteiger in die HR-Funktion zu bringen. „Ich betreue gerade einen Kandidaten aus einem Produktionsunternehmen, der aus eigenem Antrieb begonnen hat, sich mit HR-Themen zu beschäftigen und gerne in das Personalwesen wechseln würde. Die Resonanz seitens der Unternehmen ist – ja, interessant, aber er hat ja noch nicht in HR gearbeitet“. Hier würde sie sich mehr Offenheit von Seiten der Arbeitgeber wünschen.

Was die Karriere befördert
Ist der Einstieg in die HR-Funktion geschafft, stellt sich spätestens nach einigen Jahren die Frage, wie es weitergeht. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften befördern eine Karriere im HR-Management? „Eigendisziplin und Eigenverantwortung sowie die Fähigkeit, sich abzugrenzen“, so Lorber. „Denn in HR gibt es ja nicht nur glückliche Tage, im Gegenteil.“ HR-Verantwortliche müssten auch in der Lage sein, Mitarbeiter zu kündigen und Abbauprozesse zu begleiten.

Maly sieht den Schlüssel für die Karriere in der Nähe zum Business: „HR sollte das Unternehmensgeschäft kennen und sich mit Business-Prozessen beschäftigen.“ Erst dann könne das Personalmanagement „Vordenker sein, Stellung beziehen und sich eine Stimme im Management erarbeiten“. Die Kür bestehe dann darin, nicht nur nach Normen zu entscheiden, sondern auch unkonventionelle Lösungen zu etablieren, die das Unternehmen voranbringen.

Wie sich die Arbeitsinhalte verändern
Zukünftig seien HR-Mitarbeiter zunehmend gefragt, den Spagat zwischen Individualisierung und Standardisierung zu schaffen, prognostiziert Lorber. „Einerseits gibt es den Trend hin zu einer individuellen Ansprache von Bewerbern und Mitarbeitern, andererseits muss HR seine Prozesse standardisieren, um effizient arbeiten zu können.“ Personalmanager müssten somit in beide Richtungen denken.

Sabine Bothe betrachtet die Digitalisierung als eine große Herausforderung der Zukunft. „Ich sehe HR in der Rolle des Befähigers, der neue Formen der Zusammenarbeit fördert und Flexibilisierung ermöglicht.“ Auch viele HR-Prozesse würden sich verändern, zum Beispiel im Recruiting. HR-Verantwortliche seien gefragt, sich das entsprechende Methoden- und Instrumentenwissen anzueignen.

Hansjörg Tutner ortet eine wachsende Komplexität der Personalarbeit: „Sie finden bei uns kaum noch einen Job, bei dem man sich nicht zumindest in einer Matrix-Organisation oder einer Projektstruktur befindet. Die Aufgabenstellungen gehen heute über kulturelle Grenzen, Kontinente und Zeitzonen hinaus.“

Fazit
Die Arbeit im HR-Bereich ist somit im Wandel begriffen – und wird zunehmend vielseitig. Für Einsteiger in die HR-Profession gilt: Fachwissen aneignen und möglichst viele praktische Erfahrungen sammeln. Dann sinkt auch die Wahrscheinlichkeit gegen null, irgendwann von einem Computer oder einem Outsourcing-Dienstleister ersetzt zu werden.

 

//Webtipps//

www.HR-Jobs.at

Wie wahrscheinlich ist es, dass ich durch einen Computer ersetzt werde?
gfx.sueddeutsche.de/pages/automatisierung

 

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Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 4  Juli/ August 2016.