Der Göttinger Rechtsanwalt Armando Revilla hat die BGH-Entscheidung in einem Rechtsforum kommentiert. Aus seiner Sicht sei das am 15.12.2015 gefällte, und unter dem Aktenzeichen VI ZR 6/15 gelistete Urteil in den Medien teilweise missinterpretiert worden. Weder hätten die Unfallbeteiligten jemals ihren Schaden selbst tragen müssen, noch ergäbe sich aus dem Urteil die vollständige Haftung eines der Beteiligten. Revilla begründet dies damit, dass eine Rechtsfolge dem deutschen Recht fremd sei, bei der jeder seinen Schaden selbst tragen müsse. Tatsächlich könne jeder Unfallbeteiligte beim jeweils anderen, beziehungsweise dessen Versicherer verlangen, 50 Prozent des eigenen Schadens ersetzt zu bekommen.

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Foto von Adeolu Eletu

Für seine Entscheidung nahm der BGH eine Unfallkonstellation an, bei der zwei Kraftfahrzeuge jeweils rückwärts aus der Bucht eines privaten, aber öffentlich zugänglichen Parkplatzes herausfahren und miteinander kollidieren. So würde zum Beispiel das erste Fahrzeug seitlich in das zweite Fahrzeug hineinfahren; wobei nicht ausgeschlossen werden könnte, dass dieses zum Zeitpunkt der Kollision bereits still gestanden hätte. Die Frage des BHGs lautete: Kann in diesem Fall ein Anscheinsbeweis angewendet werden? Nicht aber ging es ihm um etwaige Haftungsquoten.

Im Ergebnis verneint der BGH eine Anwendung des Anscheinsbeweises. Und er hielt fest, dass einer der Unfallbeteiligten möglichweise, aber nicht zwingend vollständig haftet. Laut Armando Revilla wird mit der neuen Entscheidung künftig in der Regel mindestens eine überwiegende Haftung desjenigen angenommen werden können, der in das andere Fahrzeug hineingefahren ist; ausgenommen, es kann ausgeschlossen werden, dass dieser bereits stand.