1. Boni bei Fehlzeiten ohne Entgeltfortzahlungspflicht

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Foto von Sebastian Herrmann

Bei bestimmten Fehlzeiten eines Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber nichtgesetzlich verpflichtet, das Entgelt fortzuzahlen. Dazu gehören z. B. die Elternzeit, unbezahlter Sonderurlaub oder die krankheitsbedingte Abwe-senheit, die über die Sechs-Wochen-Frist hinaus andauert.

Übersicht 1: Keine gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht:

– Krankheit länger als sechs Wochen

– Elternzeit

– unbezahlter Sonderurlaub

– Streikteilnahme

– Zeiten des Wehr(ersatz)dienstes

– unbezahlte Pflegezeit gemäß § 3 PflegeZG

Ob bei Fehlzeiten ohne gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht die Möglichkeit besteht, Boni entsprechend anteilig zu kürzen, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Erlaubt der konkrete Wortlaut einer Abrede innerhalb des Arbeitsvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder eines ggf. anwendbaren Tarifvertrags den Bonus in diesem Fall zu reduzieren, kann der Arbeitgeber dies – zeitanteilig – tun.

Wichtig

Klauseln, die Kürzungen nur aus bestimmten, enumerativ aufgeführten Gründen gestatten, lassen sich nicht auf andere, nicht benannte Gründeerweitern (BAG, Urt. v. 23.8.1990 – 6 AZR 528/88). Fallgestaltungen, die nicht aufgeführt sind, berechtigen danach im Zweifel nicht zur Kürzung. Möglich sind aber allgemein gefasste Klauseln, die generell eine Bonusreduzierung bei Fehlzeiten vorsehen, in denen keine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht.

Liegt für den konkreten Anlass einer Fehlzeit ohne Entgeltfortzah-lungspflicht keine vertragliche Kürzungsabrede vor, ist weniger klar, ob der Arbeitgeber den Bonus kürzen darf. Entscheidend ist, wie man ihn in die Vergütungssystematik des BAG (Urt. v. 24.10.1990 – 6 AZR 156/89) einordnet. Das Gericht unterscheidet bei variablen Vergütungsbestandteilen zwischen „Vergütung im engeren Sinne“ und „Vergütung im weiteren Sinne“, vgl. auch Reichel/Böhm, AuA10/10, S. 568 ff., in diesem Heft.

2. Einordnung des Bonus in die Vergütungssystematik des BAG

Welcher Vergütungsgruppe der Bonus zuzuordnen ist, hängt entscheidendvom Zweck ab, den das Unternehmen mit ihm verfolgt: „Vergütung im engeren Sinne“ meint variable Vergütungsbestandteile,die sich allein auf die Arbeitsleistung beziehen und daher im unmittelbaren Austauschverhältnis stehen. Zur „Vergütung im engeren Sinne“ zählen daher neben dem monatlichen Entgelt insbesondere quartalsweise oder jährliche Zahlungen, wie Umsatzprämien oder Provisionen, die nur die im Bezugsjahr erbrachte Arbeitsleistung vergüten. Knüpft die Bonuszahlung ausschließlich daran an, dass der Mitarbeiter bestimmte persönliche und/oder unternehmensbezogene Ziele erfüllt, ist sie als „Vergütung im engeren Sinne“ einzuordnen. In diesem Fall erfolgt die Bonusgewährung ausschließlich arbeitsleistungsbezogen. Der Mitarbeiter soll sich mit Blick auf die Zielvorgaben im Rahmen seiner Arbeitsleistung besonders anstrengen. Bei der „Vergütung im engeren Sinne“ gilt das Prinzip „Ohne Arbeit kein Lohn“. Ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, das Entgelt fortzuzahlen, kann er bei Fehlzeiten des Mitarbeiters den Bonus entsprechend dieses Prinzips auch ohne vertragliche Abrede zeitanteilig kürzen.

„Vergütung im weiteren Sinne“ meint variable Vergütungsbestandteile, die auch die Betriebstreue des Mitarbeiters honorieren sollen, z. B.Halteprämien und Jubiläumszuwendungen. Setzt die Bonuszahlung –neben der Erfüllung bestimmter Ziele – auch voraus, dass der Arbeitnehmer innerhalb des Bezugszeitraums für eine bestimmte Dauer sowie zu einem festen Stichtag dem Betrieb angehört, ist die Bonuszahlung als „Vergütung im weiteren Sinne“ einzuordnen. Mit einer solchen Regelung gibt der Arbeitgeber klar zu erkennen, dass er neben der Arbeitsleistung auch die Betriebstreue honorieren will (so auch BAG, Urt. v. 8.11.1978 –5 AZR 358/77 im Hinblick auf eine „Jahresleistung“). Daher darf der Arbeitgeber sich bei einer Kürzung nicht auf das Prinzip „Ohne Arbeit kein Lohn“ stützen. Die Reduzierung solcher Boni erfordert zwingend eine vertragliche Kürzungsabrede.

Praxistipp

Um jegliche Rechtsunsicherheit zu vermeiden, empfehlen wir, bei Bonuszahlungen – unabhängig von ihren Voraussetzungen – eine Kürzungsabrede zu treffen. Sie sollte klar regeln, welche entgeltfortzahlungsfreien Fehlzeiten eines Mitarbeiters es rechtfertigen, den Bonus zu kürzen, vgl. Muster 1. Will man hingegen sämtliche Fehlzeiten ohne Entgeltfortzahlungspflicht erfassen, ist eine allgemein gehaltene Formulierung, wie in Muster 2, sinnvoll.

Muster 1: Kürzungsabrede bei bestimmten Fehlzeiten

„Im Fall von krankheitsbedingten Fehlzeiten, für die keine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht, sowie für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses, insbesondere bei Elternzeit, unbezahlter Pflegezeit gemäߧ 3 PflegeZG oder bei unbezahltem Sonderurlaub, hat der Arbeitgeber das Recht, die Bonuszahlung anteilig zu kürzen.”

Muster 2: Allgemeine Kürzungsabrede bei Fehlzeiten

„Der Bonus wird anteilig gekürzt für die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbracht hat, es sei denn, der Arbeitgeber ist während dieser Zeiten zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet.”

3. Boni bei Fehlzeiten mit Entgeltfortzahlungspflicht

Bei bestimmten Fehlzeiten eines Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, das Entgelt fortzuzahlen. Dazu gehören insbesondere Abwesenheit wegen Krankheit im Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen, während des Mutterschutzes oder aufgrund einer seitigen Freistellung, aber auch Arbeitszeit, die ein Betriebsratsmitglied aufwendet, um die erforderlichen Betriebsratsaufgaben zu erledigen. Besteht eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers, darf er den Bonus nur kürzen, wenn – die Vorschrift ausdrücklich eine Abweichungsmöglichkeit vorsieht oder – sie abdingbar ist. Ansonsten geht eine vertragliche Kürzungsabrede ins Leere. Sie verstößt dann gegen eine gesetzliche Vorschrift gemäß § 134 BGB und ist nichtig.

Übersicht 2: Gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht

– Mutterschutz, §§ 11 ff. MuSchG

– Feiertage, § 2 Abs. 1 EFZG

– Urlaub § 1 BUrlG

– Betriebsratstätigkeit, § 37 Abs. 2 BetrVG

– Krankheit im Entgeltfortzahlungszeitraum, §§ 3, 4 EFZG

– arbeitgeberseitige Freistellung, §§ 615 Satz 1, 326 Abs. 2 BGB

Beispiel

Befindet sich eine Arbeitnehmerin in Mutterschutz, kann der Arbeitgeber wegen dieser Fehlzeiten einen Bonus nicht kürzen. Die §§ 11 ff.MuSchG sehen eine Entgeltfortzahlungspflicht vor. Eine ausdrückliche Abweichungsmöglichkeit enthält das MuSchG nicht. Die §§ 11 ff.MuSchG haben zwingenden Charakter und sind nicht abdingbar.

4. Berechnung der Zielerreichung/Bonushöhe

Darf der Arbeitgeber den Bonus nicht kürzen, muss er auf der Basis des sog. Lohnausfallprinzips ermitteln, welche Ziele der Arbeitnehmer ohne die Fehlzeit erreicht hätte. Dazu bieten sich zwei Berechnungsmethodenan: Zum einen ist es möglich, die tatsächlich erreichten Ziele nach oben zu korrigieren, indem man eine fiktive Zielerreichung für die Fehlzeit hinzurechnet. Dabei kann das Unternehmen Vergleichszahlen aus dem Vorjahr – unter Berücksichtigung einer Steigerung oder Minderung des laufenden Jahres – zu Grunde legen. Zum anderen lassen sich die für die Auszahlung von Boni erforderlichen Ziele proportional absenken.

Beispiel

Bei einem Anteil der Fehltage an den Gesamtarbeitstagen i. H. v. 10 werden auch die erforderlichen Ziele 10% niedriger angesetzt. Der Mitarbeiter erhält den 100%igen Bonus hier nach bereits bei einem Zielerreichungsgrad von 90%.

5. Gesetzliche Abweichungsmöglichkeit oder Abdingbarkeit

Lässt das Gesetz, das die Entgeltfortzahlungspflicht anordnet, hingegen ausdrückliche Abweichungen zu, darf der Arbeitgeber den Bonus entsprechend kürzen. Dies ist bei § 4a EFZG der Fall. Er erlaubt trotz Entgeltfortzahlungspflicht bei Krankheiten bis zu sechs Wochen eine Kürzungsvereinbarung hinsichtlich von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zumlaufenden Entgelt erbringt. Damit sind variable Vergütungsbestandteile gemeint, die als „Vergütung im weiteren Sinne“ auch die Betriebstreue honorieren sollen, also Bonuszahlungen, die voraussetzen, dass der Arbeitnehmer innerhalb des Bezugszeitraums für eine bestimmte Dauer sowie zu einem festen Stichtag dem Betrieb angehört. Eine solche Kürzungsvereinbarung kann wie in Muster 3auf S. 580 aussehen.

Muster 3: Kürzungsabrede bei krankheitsbedingten Fehlzeiten

(1) Der Arbeitnehmer muss zum 31.12. des Vorjahres mindestens sechs Monate Betriebszugehörigkeit haben, um eine Bonuszahlung zu erhalten.

(2) Voraussetzung für die Zahlung des Bonus ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis am 31.12. des Vorjahres. Befindet sich das Arbeitsverhältnis am 31.12. des Vorjahres in einem gekündigten Zustand, erhält der Arbeitnehmer keine Bonuszahlungen. Diese Regelung findet keine Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, insbesondere aus betriebsbedingten Gründen, endet.

(3) Für Zeiten, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist, werden die Bonusleistungen gemäß § 4a EFZG für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit insgesamt um ein Viertel des Arbeitsentgelts gekürzt, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt.“

Auch ohne ausdrückliche Abweichungsmöglichkeit ist es zulässig, die Boniaufgrund einer vertraglichen Kürzungsabrede zu reduzieren, wenn die gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht nicht zwingend und damit abdingbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer freistellt. Es besteht dann eine gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht gem. §§ 615Satz 1, 326 Abs. 2 BGB, die jedoch abdingbar ist. Welche Voraussetzungen an eine solche vertragliche Abrede zu stellen sind, hat die Rechtsprechung bislang nicht entschieden. Jedenfalls wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter berechtigt aus Gründen freistellt, die dieser zu vertreten hat, sollte eine Klausel zur Kürzung von Boni, vgl. Muster 4, zulässig sein.

Muster 4: Kürzungsabrede bei einseitiger Freistellung

„Im Fall einer berechtigten, einseitigen Freistellung durch den Arbeitgeber wird der Bonus anteilig gekürzt für die Zeiten der Freistellung.“

6. Wie hoch kann die Kürzung von Boni sein?

Sofern das Gesetz keinen Kürzungsumfang vorgibt (vgl. § 4a EFZG), erfolgt die Kürzung grundsätzlich entsprechend der Fehlzeiten zeitanteilig. Ob dies auch möglich ist, wenn der Arbeitnehmer seine Ziele 100%ig erfüllt hat, ist bislang ungeklärt. Es ist zwischen unternehmensbezogenen und persönlichen Zielen zu unterscheiden:

Kürzung bei unternehmensbezogenen Zielen

Im Bereich der unternehmensbezogenen Ziele (z. B. Gewinn) ist es unproblematisch möglich, den Bonusanspruch auch bei voller Zielerreichung zu kürzen. Ob diese Ziele erreicht werden, hängt nicht von der persönlichen Arbeitsleistung des Mitarbeiters ab. Folglich ist es zulässig, ihn daran auch nur proportional zum Umfang seiner Arbeitszeit zu beteiligen. Pro Fehltag kann der Arbeitgeber den Bonus daher um 1/220 (ausgehend von 220 Arbeitstagen/Jahr) kürzen.

Beispiel

Im Falle von 55 Fehltagen ohne Entgeltfortzahlungspflicht läuft dies auf eine Kürzung des Bonus i. H. v. 25% hinaus. Machen in der Gesamtgewichtung der Ziele die unternehmensbezogenen 40% aus, kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf 30 % des (Gesamt-)Bonus geltend machen. Fehlt er das ganze Jahr ohne Entgeltfortzahlung, darf er für diesen Bereich keinen Bonus verlangen, selbst wenn die unternehmensbezogenen Ziele auch ohne sein Zutun erreicht wurden.

Kürzung bei persönlichen Zielen

Schwieriger ist die Kürzung von Bonusansprüchen im Bereich persönlicher Ziele. Teilweise wird vertreten, dass hier keine Reduzierung möglich sei, soweit der Arbeitnehmer die vorgegebenen Ziele erreicht. Erforderlich ist jedoch eine differenzierte Betrachtung. Der Kürzungsumfang muss sich danach richten, ob es sich bei den persönlichen Zielen um quantitative (harte) und/oder qualitative (weiche) handelt.

Übersicht 3: Harte und weiche Ziele

harte Ziele weiche Ziele
Erwerb von Zusatzqualifikationen Mitarbeiterführung
Anzahl von Gewährleistungsfällen Personalentwicklung
Anzahl bearbeiteter Vorgänge Eigeninitiative
Anzahl geworbener Kunden Kundenzufriedenheit
Einhaltung des Budgets Zuverlässigkeit

Quantitative Ziele sind anhand harter Fakten messbar. Gelingt es dem Arbeitnehmer, sie zu erfüllen, liegt dies entweder daran, dass die Fehlzeit sich nicht ausgewirkt hat oder er in der restlichen Arbeitszeit „überperformt“ hat. Dies sollte sich nicht zu seinen Ungunsten auswirken, daher besteht der Bonusanspruch ungekürzt nach dem jeweiligen Grad der Zielerreichung.

Bei den qualitativen Zielen, z. B. der vom Arbeitnehmer ergriffenen Eigen-initiative, kann es trotz voller Zielerreichung zulässig sein, den Bonus anteilig zu kürzen. Der Mitarbeiter mag zwar erfolgreich gewesen sein (z. B. „hohes Maß an Eigeninitiative“), gleichwohl hat er diese qualitativ hochwertige Arbeitsleistung eben nur erbracht, soweit er gearbeitet hat. Er konnte sein qualitatives Ziel aufgrund von Fehlzeiten also nicht im gesamten Beurteilungszeitraum verfolgen und erreichen. Daher erscheint eine zeitanteilige Kürzung von 1/220 pro Fehltag auch hier durchaus angemessen, um die in Bezug auf den Beurteilungszeitraum insgesamt verminderte Zielerreichung zu berücksichtigen.

Praxistipp

Um eine Kürzung im Bereich der unternehmensbezogenen und qualitativen persönlichen Ziele transparent zu machen, sollte schon die Bonusvereinbarung definieren, welcher Anteil an der Zahlung auf unternehmensbezogene Ziele einerseits und quantitative sowie qualitative persönliche Ziele andererseits entfällt. Unabhängig davon, ob eine Reduzierung trotz voller Zielerreichung möglich ist, will eine solche Regelung im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Arbeitsmotivation allerdings wohl überlegt sein.

7. Fazit

Bei Fehlzeiten, während derer der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist, darf er nur in Ausnahmefällen die Boni kürzen. Besteht keine Entgeltfortzahlungspflicht, kann er sie – jedenfalls wenn eine vertragliche Kürzungsabrede vorliegt – zeitanteilig kürzen. Dabei ist eine genaue Formulierung wichtig. Ob auch bei 100%iger Zielerreichung eine Reduzierung möglich ist, beurteilt sich nach den für die Bonuszahlung vereinbarten spezifischen Zielen.

Quelle: Arbeit und Arbeitsrecht – 10/10