“Arbeit und Familie sind in Deutschland oft nur schwer zu vereinbaren. Für die löblichen Ausnahmen wurden eigens Auszeichnungen entwickelt. Die vielleicht familienfreundlichste Firma Deutschlands verrät ihr Erfolgsrezept.

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Foto von Annie Spratt

In Potsdam – laut «Familienatlas» Deutschlands familienfreundlichste Stadt – könnte es schon bald einen besonderen Anlass zur Freude geben: Die in Brandenburgs Landeshauptstadt ansässige Firma DKB Immobilien hat die Chance, Ende Mai als eines der bundesweit familienfreundlichsten Unternehmen gekürt zu werden.

Die Firma mit 30 Mitarbeitern vor Ort und 260 deutschlandweit steht in der Endrunde des Bundeswettbewerbs «Erfolgsfaktor Familie 2008». Die Gewinner in drei Kategorien und die der Sonderpreise werden am 29. Mai in Berlin im Beisein von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ausgezeichnet.

Flexible Arbeitszeiten von 6.00 bis 23.00 Uhr, Heimarbeitsplätze und eine Zusammenarbeit mit der Potsdamer Kindereinrichtung «Fridolin», in der der Nachwuchs zum Teil bis spätabends betreut wird – trotz dieser ungewöhnlichen Angebote der DKB Immobilien AG spricht Vorstand Wolfgang Schnurr von einer «ganz normalen» Firma. «Wir wollen kein Kindergarten mit angeschlossener Wohnungsabteilung sein», sagt Schnurr. Gewinne und Erfolg seien für sein Unternehmen genauso wichtig wie für jede andere Firma auch.

Schwangere in der Firma halten

Dazu gehörten aber auch motivierte Angestellte, betont Schnurr. Wenn diese Familie und Beruf gut unter einen Hut bringen könnten, zahle sich das letztlich auch für das Unternehmen aus. «Wir haben eine sehr zufriedene Mitarbeiterschaft.» Fluktuation, Kranken- und Fehlzeiten seien gering. «Wir stehen überproportional gut da.»

Außerdem seien junge Mütter nicht mehr nach zwei, sondern bereits nach einem Jahr nach der Geburt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Die Firma hat nach eigenen Angaben vor rund drei Jahren die familienfreundlichen Angebote entwickelt, weil mehrere Mitarbeiterinnen gleichzeitig schwanger wurden und sie für die Zeit nach der Geburt in der Firma gehalten werden sollten.

Michael Schneider ist leitender Angestellter, Vater von zwei Mädchen und Ehemann einer berufstätigen Frau. Überstunden seien bei ihm keine Seltenheit, sagt er. Als seine Frau einmal krank und eines seiner Kinder zugleich mit einem gebrochenen Bein im Bett gelegen hätten, habe «Fridolin» eine Tagesmutter ins Haus geschickt. Ohnehin übernehme der Arbeitgeber einen Teil der Kosten für die Betreuung seiner fünfjährigen Tochter Lexa bei «Fridolin».

Mitte Mai hatte von der Leyen bei der Wirtschaft um mehr Verständnis für die Belange von Familien geworben: Durch flexible Arbeitszeiten und Angebote zur Kinderbetreuung könnten Unternehmen einen großen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf leisten. «Wer seinen Betrieb für die Zukunft fit machen will, braucht qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und für diese gewinnen familienfreundliche Lebens- und Arbeitsbedingungen immer mehr an Bedeutung», erklärt auch Brandenburgs Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD). «Familienbewusstsein entwickelt sich immer mehr zum Wettbewerbsvorteil.»

Den Initiatoren zufolge hatten sich bei dem diesjährigen Wettbewerb «Erfolgsfaktor Familie» mehr als 500 Firmen beworben – 40 Prozent mehr als noch 2005. Mit dem Unternehmenswettbewerb sollen gute Beispiele für familienfreundliche Angebote vorgestellt werden. Die Aktion wird den Angaben zufolge vom Bundesfamilienministerium ausgeschrieben und steht unter der Schirmherrschaft von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Vorstand Schnurr zufolge ist das Modell seiner Firma «ein Novum» zumindest in der regionalen Immobilienbranche. Die politischen Rahmenbedingungen für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf hält er für ausreichend. Jede Firma müsse ihren eigenen Spielraum nutzen. «Ich wünsche mir, dass sich das Denken in den Köpfen ändert.»” (Leticia Witte, dpa)

Aus http://www.netzeitung.de/arbeitundberuf/1031760.htm