LAG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 27. September 2010, Az.: 4 Sa 7/10

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Sachverhalt

Der Kläger trat am 1. Oktober 1989 im Alter von 21 Jahren bei der beklagten Arbeitgeberin ein, die ihm eine betriebliche Altersversorgung zusagte. Die Höhe der Altersrente errechnet sich auf Basis der anrechenbaren Dienstzeit und der pensionsfähigen Bezüge. Bei der Ermittlung der anrechenbaren Dienstzeit werden jedoch höchstens 40 Dienstjahre berücksichtigt. Das Arbeitsverhältnis wird aufgrund eines Aufhebungsvertrags zwischen den Parteien am 31. Januar 2012 enden.

Die Arbeitgeberin bestätigte dem Kläger bis zum Erreichen der Altersgrenze am 21. Februar 2033 eine mögliche Betriebszugehörigkeit von 520 Monaten, mithin 43 Jahre und vier Monate. Die tatsächlich erreichte Betriebszugehörigkeit belief sich auf 268 Monate. Aus dem Verhältnis von tatsächlicher zur möglichen Betriebszugehörigkeit errechnet sich die unverfallbare Anwartschaft. Der Unverfallbarkeitsfaktor beträgt damit 268/520, also 0,5154, womit die erreichbare Alterspension ohne vorzeitiges Ausscheiden multipliziert wird. Diese wurde allerdings unter Zugrundelegung der maximal anrechenbaren Dienstzeit von 40 Jahren errechnet. Daher ist die unverfallbare Anwartschaft zum 31. Januar 2012 entsprechend geringer, als wenn 43 Jahre zugrunde gelegt worden wären. Hiergegen wehrt sich der Kläger.

Die Entscheidung

Das LAG Baden-Württemberg sah keine Diskriminierung in der Begrenzung der anrechenbaren Dienstzeit.

Die Begrenzung der anrechenbaren Dienstzeit auf 40 Dienstjahre verstoße nicht gegen das AGG. Zwar würden die Arbeitnehmer benachteiligt, die vor dem 25. Lebensjahr [Anm.: Gemeint ist wohl vor Vollendung des 25. Lebensjahres] in ein Arbeitsverhältnis eintreten, da diese Zeiten nicht bei der Berechnung des Versorgungsanspruchs berücksichtigt würden. Diese mittelbare Ungleichbehandlung sei jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt. Sie diene der Risikobegrenzung, um Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für den Arbeitgeber überschaubar und kalkulierbar zu machen. Die Festlegung von Altersgrenzen stelle regelmäßig keine Benachteiligung wegen des Alters dar. Schon § 10 S. 3 Nr. 4 AGG und Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 200/78/EG (sog. Gleichbehandlungs-Rahmenrichtlinie) sähen eine Differenzierung nach dem Alter vor.

Dabei ergäbe sich aus der gesetzlichen Wertung des § 1b Abs. 1 S. 1 BetrAVG, wonach eine Versorgungsanwartschaft erst ab dem vollendeten 25. Lebensjahr unverfallbar werden kann, dass vor dem 25. Lebensjahr [Anm.: Auch hier meint das Gericht wohl vor Vollendung des 25. Lebensjahres] zurückgelegte Dienstzeiten einen geringeren arbeitsrechtlichen Schutz genießen als spätere Dienstzeiten. Schon das Bundesarbeitsgericht habe entschieden, dass die unternehmerische Freiheit und das Bindungsinteresse des Arbeitgebers den Sozialschutz und die Berufsfreiheit des jungen Arbeitnehmers überwiegen, weil dieser nur eingeschränkt schutzbedürftig sei. Es sei ihm leichter möglich, Verluste von Anwartschaften anderweitig auszugleichen.

Zudem könne sich der Arbeitgeber entscheiden, ab einem bestimmten Zeitpunkt eine längere Betriebszugehörigkeit nicht mehr zu honorieren. Dies könne auch vor dem Hintergrund der Risikobegrenzung geschehen. Die Beklagte stelle regelmäßig Arbeitnehmer ein, die ein Studium oder eine andere höherwertige Ausbildung absolviert haben. Sie haben daher im Zeitpunkt der Einstellung das 25. Lebensjahr zumeist vollendet. Der Kläger stelle eine Ausnahme dar. Die Begrenzung der anrechenbaren Dienstzeit auf 40 Dienstjahre habe daher – zumindest unter Berücksichtigung der bisherigen Regelaltersgrenze – regelmäßig keine Bedeutung. Aus diesem Grund sei die Begrenzungsklausel auch angemessen und erforderlich, um die Betriebstreue zu honorieren.

Zwar habe der EuGH am 19. Januar 2010 (Az.: C-555/07) entschieden, dass es gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoße, wenn vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Kündigungsfristen nicht berücksichtigt würden. Dieser Ausschluss von Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres treffe nämlich auch Arbeitnehmer, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sind, aber eine längere Betriebszugehörigkeit aufweisen. Für sie greife die Rechtfertigung der größeren Mobilität nicht mehr. Das LAG sieht aber keinen Zusammenhang zwischen diesen kündigungsrechtlichen Erwägungen und der Begrenzungsklausel.

Aus den gleichen schon ausgeführten Rechtfertigungsgründen liege auch kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor.

Der Kläger konnte im Gegenzug auch nicht fordern, dass bei der ratierlichen Berechnung seiner unverfallbaren Anwartschaft im Rahmen des Unverfallbarkeitsfaktors lediglich eine Betriebszugehörigkeit von 40 Jahren berücksichtigt werde. Die Beklagte habe hier zu recht eine Betriebszugehörigkeit von 520 Monaten zugrunde gelegt. Dies sei in § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG so geregelt. Zwar liege auch darin eine mittelbare Benachteiligung. Die Vorschrift müsse aber eine allgemein gültige, vom Inhalt des konkreten Versorgungsversprechens unabhängige Regel aufstellen, die die Betriebstreue als einen entscheidenden typischen Berechnungsfaktor honoriere. Vor diesem Zweck sei die Regelung angemessen; ein anderer Ansatz sei nicht ersichtlich. Jüngere Arbeitnehmer erfüllten die an sie gestellte Erwartung der Betriebstreue in größerem Ausmaß nicht als ältere Arbeitnehmer.

Fazit

Nach Inkrafttreten des AGG herrscht noch eine gewisse Unsicherheit darüber, welche Unterscheidungsmerkmale im Rahmen einer betrieblichen Versorgungsordnung zulässig und welche diskriminierend sind. Zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit hat nun ein Gericht das Interesse des Arbeitgebers an einer Risikobegrenzung im Rahmen seiner Leistungspflicht zur betrieblichen Altersversorgung als sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung anerkannt. Zumindest für die in der Praxis übliche Begrenzungsklausel kann damit zunächst einmal davon ausgegangen werden, dass sie einer gerichtlichen Prüfung standhält.

Soweit ersichtlich wird in der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg zudem erstmals Stellung bezogen zur Entscheidung des EuGH zur Unzulässigkeit des Ausschlusses von Beschäftigungszeiten bei der Berechnung von Kündigungsfristen. Das LAG überträgt die Überlegungen es EuGH nicht auf den Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Die Entscheidung des EuGH führt daher nicht zu einer umfassenden Europarechtswidrigkeit jeglicher am Alter anknüpfenden Differenzierung.

Die Entscheidung ist nach alledem auch ein Fingerzeig für weitere Klauseln, die nach dem Alter differenzieren. Das LAG nennt Mindest- oder Höchstaltersgrenzen, Wartezeiten, Spätehen- oder Altersabstandsklauseln. Überall spielt die Frage der Risikobegrenzung eine Rolle. Es ist daher positiv zu bewerten, dass dieses Interesse des Arbeitgebers anerkannt wird.

Allerdings ist es noch zu früh, vollständig Entwarnung zu geben. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dem Themenkomplex steht nach wie vor aus. Und die Begründung des LAG Baden-Württemberg muss nicht das letzte Wort sein.

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