Im Zusammenhang mit der Auslegung von Versorgungszusagen hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich folgenden, für die betriebsrentenrechtliche Praxis spannenden Fall zu entscheiden:

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Foto von Austin Distel

Der zugrunde liegende Fall

Ein voll erwerbsgeminderter Rentner hatte seine ehemalige Arbeitgeberin auf Zahlung einer monatlichen Invalidenrente verklagt. Die Parteien stritten sich darüber, ob der Rentner mit einer unverfallbaren Anwartschaft auf betriebliche Versorgungsleistungen bei seiner ehemaligen Arbeitgeberin ausgeschieden war, obgleich die Voraussetzungen einer gesetzlichen Unverfallbarkeit (Dauer der Versorgungszusage) nicht erfüllt waren. Der Rentner behauptete, ihm sei anlässlich seiner Einstellung bei der Beklagten zugesichert worden, dass die bei seinem Vorarbeitgeber erdienten Anwartschaften zur Dauer der Versorgungszusage hinzugerechnet würden, um ihn wegen seines Arbeitgeberwechsels nicht schlechter zu stellen. Im Fall der Berücksichtigung seiner Vordienstzeiten wäre die Anwartschaft des Rentners auf Versorgungsleistungen zum Ausscheidenszeitpunkt unverfallbar gewesen. Aus der Versorgungszusage selbst ging ein derartiger Parteiwille allerdings nicht hervor; diese enthielt lediglich eine Regelung, wonach die Vordienstzeit des Rentners im Rahmen der anrechenbaren Dienstzeit als Faktor für die Berechnung des Ruhegehalts Beachtung finden sollte.

Die Entscheidung des Gerichts

Zwar hat das BAG den vorliegenden Fall in der Sache nicht entschieden, sondern ihn zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das vormals zuständige Berufungsgericht zurückverwiesen. Das BAG hat jedoch zum Ausdruck gebracht, dass es – je nach Beweislage – grundsätzlich möglich sei, dass entgegen dem Wortlaut der Versorgungszusage eine Unverfallbarkeit der Anwartschaften aus dem Vorarbeitsverhältnis zwischen den Parteien vereinbart wurde. Im Rahmen seines Urteils hat das BAG in diesem Zusammenhang folgende, für die betriebliche Praxis wichtige Grundsätze zur Auslegung von Versorgungszusagen aufgestellt:

  • Verträge sind so auszulegen, wie die Parteien sie unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Zunächst ist dabei vom Wortlaut des Vertrages auszugehen.
  • Um den wirklichen Willens der Parteien zu ermitteln, können jedoch auch die äußeren Umstände des Vertragsschlusses miteinbezogen werden, wenn sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Zu berücksichtigen sind dabei vor allem die bestehende Interessenlage der Parteien und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck.
  • Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen und widerspruchsfreien Ergebnis führt, welches den Interessen beider Vertragspartner gerecht wird.
  • Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, geht der wirkliche Wille der Parteien dem Wortlaut des Vertrages vor. Der wirkliche Wille setzt sich gegenüber möglichen anderen Interpretationen und sogar gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch.

Fazit

Die Entscheidung des BAG macht deutlich, dass sich ein Arbeitgeber sowie seine Personalverantwortlichen beim Abschluss von Versorgungszusagen – aber auch in allen anderen Vertragskonstellationen – bewusst sein müssen, dass trotz des eindeutigen Wortlauts einer Versorgungszusage im Ergebnis das von den Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses wirklich Gewollte zählt. Mit anderen Worten: Absprachen mit dem Arbeitnehmer können selbst dann bindenden Charakter haben, wenn dies nicht aus dem Wortlaut der Versorgungszusage hervorgeht oder sogar dann, wenn die Absprachen dem eindeutigen Vertragswortlaut widersprechen. Dennoch oder gerade deswegen bleibt es zur Vermeidung von Streitigkeiten und Beweisschwierigkeiten unerlässlich, alle Vereinbarungen mit dem Arbeitnehmer schriftlich zu fixieren sowie zu Gesprächen mit dem Arbeitnehmer einen Dritten hinzuzuziehen oder zumindest das Besprochene zu dokumentieren.

Weitere Informationen: www.lovells.de