Wie werden Unternehmen zum Employer of Choice? Was erwarten Wunschkandidaten von ihrem Arbeitgeber? Sehr häufig fällt in diesem Zusammenhang das Stichwort „Work-Life-Balance“. Doch wie wichtig ist dieses Kriterium wirklich? Nach einer aktuellen Umfrage der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers ist es dem Führungskräftenachwuchs durchaus bewusst, dass er sein Privatleben im Zweifel der Karriere unterordnen muss – vor allem zu Beginn der Laufbahn. Ist Work-Life-Balance doch eher ein Modethema, zumindest für diese Zielgruppe? Vielleicht hat ja der Faktor „Arbeitsklima“ mehr Gewicht. Gerade High Potentials stehen im Ruf, Wert auf Wohlfühlfaktoren und Entwicklungsmöglichkeiten zu legen. Doch das Bild, das einschlägige Studien zum Thema zeichnen, ist uneinheitlich. Dass ein gutes Arbeitsklima oberste Priorität für High Potentials habe, diagnostiziert die Studie „Employer Branding 2006“, die von der Leipzig Graduate School of Management in Kooperation mit TNS Infratest, dem Onlineportal e-fellows und der Wochenzeitung „Die Zeit“ vorgelegt wurde. Im Towers Perrin Talent Report aus dem Jahr 2004 hingegen findet sich dieses Kriterium der Arbeitgeberwahl erst an vierter Stelle, und in einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung aus demselben Jahr taucht es erst gar nicht auf. Eine 2006 veröffentlichte Studie der Universität Bremen nennt die Weiterbildungsmöglichkeiten des Arbeitgebers als Top-Kriterium, in einer Untersuchung der VDI-Nachrichten aus demselben Jahr spielt dieser Faktor wiederum keine Rolle, während das Corporate Leadership Council – als Ergebnis einer 2006 durchgeführten, groß angelegten Mitarbeiterbefragung – unter anderem die Entwicklungsmöglichkeiten zu den Kernmerkmalen der Arbeitgeberattraktivität zählt. Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen.

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Foto von Damian Patkowski

Attraktivitätsmerkmale? Kein klares Bild

Ein Vergleich der Studien, die in den vergangenen drei Jahren zum Thema erstellt wurden, fördert zahlreiche Widersprüche zutage. Selbst wenn die Studien nach Fachrichtungen oder nach Abfragekategorien wie Mitarbeitergewinnung, -bindung oder -motivation differenziert betrachtet werden, ergibt sich kein konsistentes Bild. Das bedeutet keineswegs, dass die Studien Qualitätsmängel aufweisen, sondern ist vielmehr ein starkes Indiz dafür, dass es keine stabilen Kriterien für Bewerberpräferenzen bei der Arbeitgeberwahl gibt. Die Kriterien verändern sich ständig mit sozialen Veränderungen, dem Werte- und Mentalitätswandel, dem Zeitgeist sowie aktuellen Einflüssen. Außerdem verändern sie sich im Verlauf eines Berufslebens und mit jeder neuen Lebensphase. Zweifellos ist es wichtig, die Wünsche und Grundeinstellungen der Zielgruppe zu kennen und ihnen gegebenenfalls auch entsprechen zu können – vor allem, um sie in der Arbeitgeberkommunikation aufzugreifen. Bewerberpräferenzen bieten aber kein sicheres Fundament für eine strategisch nachhaltige Arbeitgeberpositionierung. Sie verleiten vielmehr zur Uniformität. Je mehr Unternehmen ihren Arbeitgeberauftritt an denselben Maßstäben ausrichten, desto weniger unterscheiden sie sich voneinander. Die Frage ist, ob sie mit der Mode gehen wollen und damit in der Masse untergehen – oder dauerhaft ihren eigenen Stil entwickeln.

Formeln und Floskeln – Personalmarketing ohne Profil

Im wahrsten Sinn des Wortes ablesen lässt sich die Profillosigkeit an der Floskelsprache vieler Personalanzeigen. Da wimmelt es von „führenden Unternehmen“, die Menschen mit „Teamgeist“ und „Leidenschaft“ „begeistern“ wollen. Immerhin bieten sie jede Menge „Chancen“, um sich „weiterzuentwickeln“ und „so richtig durchzustarten“. „Interessiert?“ Man „freut sich auf Sie“. Stereotypen dieser Art sprechen alle an und niemanden, ihre profilierende Wirkung tendiert gegen null. Den oft teuren Arbeitgeberimagekampagnen schenken Studienabsolventen einer europaweiten Umfrage des Marktforschungsunternehmens Universum Communications zufolge immer weniger Glauben. Der Grund: Um attraktiv zu erscheinen, richten viele Arbeitgeber ihren Auftritt allzu sehr am Zeitgeist und an den wechselnden Erwartungen ihrer Bewerberzielgruppen aus. Dabei lassen sie sich oft von kreativen Einfällen regieren, geben aber ein weder konsistentes noch authentisches Bild ab.

Wahre Schönheit kommt von innen

Wenn die Faktoren der Arbeitgeberattraktivität keine sichere Richtschnur bieten, wonach können sich die Unternehmen dann richten? Arbeitgeber sollten sich nicht allein auf Studienergebnisse verlassen, sondern sich stärker auf sich selbst besinnen. Eine fundierte Employer-Branding-Strategie sollte daher immer bei Zielen, Werten und der Identität eines Unternehmens ansetzen. Nur so kann sie die Wettbewerbsfähigkeit eines Arbeitgebers steigern. Entscheidend ist die Glaubwürdigkeit des Arbeitgebers, denn über Imageund Marketingeffekte allein kann sich keine Organisation dauerhaft als bevorzugter Arbeitgeber, als Employer of Choice positionieren. Deshalb sorgt eine erfolgreiche Employer- Branding-Strategie unter anderem dafür, dass der Arbeitgeber nach innen hält, was er nach außen verspricht. Gegebenenfalls muss er die tatsächliche Arbeitgeberqualität entsprechend verbessern.

Eine interdisziplinäre Führungsaufgabe

Als Strategie- und Managementthema geht Employer Branding weit über Personalmarketing hinaus. Allerdings setzen viele Unternehmen Employer Branding immer noch mit Recruitingkommunikation oder Personalimagewerbung gleich. Erst wenn Employer Branding strategisch fundiert aufgebaut wird, erschließt es große Nutzenpotenziale. Es ist deshalb Aufgabe der Unternehmensleitung und nicht allein des Personalbereichs. Personalverantwortliche, die in ihrem Unternehmen die Verantwortung für das Thema tragen, sollten für eine solide Unterstützung sorgen, vor allem von „ganz oben“ und den Bereichen Unternehmenskommunikation und Marketing. Und die Attraktivität als Arbeitgeber? Die stellt sich ganz von selbst ein, wenn sich das Unternehmen in den Köpfen und Herzen der „Right Potentials“ erst einmal als Arbeitgebermarke verankert hat.

Literaturtipps:

Wie die Manager von morgen die Zukunft der Gesellschaft sehen (YES-Studie).

PricewaterhouseCoopers (2007).

Talent Report. Deutschlandbericht. Towers

Perrin (2004).

Was Arbeitgeber attraktiv macht (DGFP Praxis Papiere).

DGFP / Bertelsmann Stiftung/ Hewitt Associates / Kienbaum Management

Consultants (2004).

Quelle: personal manager 4/2007