Problematik

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Foto von Austin Distel

 

Der Kläger ist dort seit Juli 2005 als Chefarzt beschäftigt und leitet seit 2010 die internistische Abteilung. Er führte die Bezeichnung „Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie“ und verfügteüber die Zusatzqualifikation „Diabetologe DDG“. 2011 geriet die Klinik in Insolvenzgefahr. Die Beklagte benannte die „internistische Abteilung“ in „gastroenterologische Abteilung“ um. Sie strebte den Abschluss eines sog. Basisvertrags nach § 21 SGB IX mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) an, um durch weitere Patientenzuweisungen eine wirtschaftliche Fortführung des Betriebs zu gewährleisten. Um die Anforderungen der DRV an die Strukturqualität von Reha-Einrichtungen zu erfüllen, beschloss die Beklagte in diesem Zusammenhang, sowohl die Chefarztstelle als auch die Oberarztstelle der gastroenterologischen Abteilung durch Ärzte mit der Facharztbezeichnung „Gastroenterologe“ zu besetzen. 

Hierzu stellte sie ab April 2012 die Chefärztin Dr. K ein. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wurde am 9.8.2013 zum 31.3.2014 gekündigt. Man bot ihm zugleich eine Weiterbeschäftigung als Assistenzarzt an. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung an und erhob Änderungsschutzklage. Die Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle sei nicht durch einen zwingenden äußeren arbeitsplatzbezogenen Grund gerechtfertigt. Das ArbG wies die Klage ab. Das LAG gab ihr statt.


Entscheidung

Das BAG hob das Urteil des LAG auf und verwies die Sache zurück (§ 563 Abs. 1 ZPO), da es nicht selbst entscheiden konnte, ob die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt i. S. d. §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 2 KSchG ist. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung i. S. v. § 2 KSchG ist dann sozial gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen. Dabei ist die soziale Rechtfertigung einer Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen zu überprüfen. Das Änderungsangebot des Arbeitgebers ist daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. d. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG, Urt. v. 24.09.2015 – 2 AZR 680/14). Dringende betriebliche Erfordernisse können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Innerbetriebliche Gründe liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt.

Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Auch Festlegung und Änderung der Anforderungsprofile der Arbeitsplätze unterliegen grundsätzlich der freien unternehmerischen Disposition. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten – nach Möglichkeit – von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist grundsätzlich zu akzeptieren (BAG, Urt. v. 22.10.2015 – 2 AZR 582/14, NZA 2016, S. 33).

Sind allerdings die getroffene Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich – weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht (mehr) genügt – kann er sich nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er muss dann vielmehr konkret darlegen, wie sich seine Entscheidung auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Mitarbeiter einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist (BAG, Urt. v. 18.3.2010 – 2 AZR 337/08, NZA-RR 2011, S. 18). Beruft sich der Arbeitgeber also auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme – ggf. im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit – stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen ändern.

Es muss sich bei der Änderung nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung“ für die Ausführung der Tätigkeit, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für die Stellenprofilierung handeln (BAG, Urt. v. 10.7.2008 – 2 AZR 1111/06, AuA 9/09, S. 552). Vorliegend war damit entscheidend, ob die Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle ausschließlich auf den externen Strukturvorgabender DRV oder auf bloß internen wünschenswerten Änderungen für die neue – zuvor umbenannte – gastroenterologische Abteilung beruhte. Zumindest die zeitlich nicht konkretisierte Umbenennung könnte nach dem BAG tendenziell dafür sprechen, dass auch allgemein der Zuschnitt der Abteilungen – unabhängig von etwaigen Vorgaben der DRV – geändert und der Kläger bloß ausgetauscht wurde.

Dies würde die Unwirksamkeit der Änderungskündigung zur Folge haben. Sollte die Klinik die Stellenprofilierung ihrer Abteilung nur an die maßgeblichen Strukturanforderungen der DRV wegen Gastroenterologie angepasst haben, spräche dies für eine zulässige Änderungskündigung. Einer Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG) bedurfte es dann nicht, wenn die Beklagte das Anforderungsprofil in zulässiger Weise geändert hätte, und zwar Frau Dr. K es erfüllte, der Kläger aber nicht.

Konsequenzen

Die Entscheidung verdeutlicht die Abgrenzungsproblematik von einer zulässigen betriebsbedingten Änderungskündigung wegen geänderten objektiven Anforderungsprofils zu einer unzulässigen Austauschkündigung aufgrund bloß subjektiv wünschenswerter Profiländerung, um sich ggf. von einem missliebigen Mitarbeiter zu trennen.


Mit freundlicher Genehmigung der HUSS-MEDIEN GMBH aus AuA 3/17, Seiten 614-615