Zwischenzeitlich hat sie ihre Arbeitszeit von 90 auf 50 Prozent reduziert, das Jobsharing mit einer Kollegin ist bestens eingespielt. „Ich bin überzeugt davon, dass solche Lösungen auch volkswirtschaftlich gesehen Sinn ma­chen. Ich habe viel weniger Krankenstands­zeiten, die vermehrte Freizeit verschafft mir auch Spielraum für ehrenamtliches Engage­ment. Ich engagiere mich beispielsweise für Flüchtlinge in meinem Heimatort.“ Auch die finanziellen Einbußen durch die Altersteilzeit halten sich in Grenzen. „Früher hatten wir zum Beispiel zwei Autos, weil ich immer in Zeitnot war. Jetzt haben wir nur noch eines und das reicht völlig aus, weil ich viele Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigen kann.“

two smiling women starring on silver MacBook inside well-lit room
Foto von Mimi Thian

Generell ist Doris Beck überzeugt, dass eine gute Altersdurchmischung in einem Un­ternehmen sehr viel Qualität und Know-how mit sich bringt. „In einer Arbeitsgruppe ha­ben wir auch Möglichkeiten definiert, wie ein gutes Älterwerden in der Caritas möglich ist.“ Ihren Weg bereut sie keinen Tag: „Ich bin seit 25 Jahren in der Caritas Vorarlberg tätig und habe meine Arbeit immer gerne gemacht. Seit ich in Altersteilzeit bin, merke ich aber, dass ich für meine Arbeit wieder regelrecht ‚bren­ne’ – und das ist gut.“

Älter werden in der Caritas
Ziel aller Angebote im Rahmen von „Älter werden in der Caritas“ ist ein bewusstes Gestalten der letzten Jahre vor Pensionsantritt. Damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst lange in der Caritas bleiben können, passen die Führungskräfte, wenn betrieblich möglich, bei Bedarf Arbeitsfeld oder Arbeitszeiten an die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an.

Sprechstunde Arbeitsmedizin

Die Betriebsärztin der Caritas bietet eine eigene Sprechstunde speziell zum Thema „Älter werden in der Caritas“ an. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab 40 Jahren lädt sie besonders dazu ein. Ein spezielles Augenmerk legt sie auf alternsgerechte Arbeit. Hierfür bietet sie eine Evaluation des Arbeitsplatzes sowie ein besonderes Paket 40+ an, in dem zum Beispiel eine Untersuchung von Sehkraft und Hörvermögen, der Ausschluss von speziellen Herzrhythmusstörungen und sonstige Tests bezüglich des Alterungsprozesses enthalten sind.

Perspektivengespräche

Führungskräfte und Personalleitung führen zudem gemeinsam mit dem Betriebsrat Perspektivengespräche mit älteren Beschäftigten (aufgrund der unterschiedlichen Pensionsregelung mit Frauen ab 55 Jahren und Männern ab 57 Jahren), in denen sie über Angebote für ältere Arbeitnehmer wie zum Beispiel Unterstützung durch die Arbeitsmedizin oder Altersteilzeit informieren. Die Mitarbeiter erhalten persönliche Einladungen zu den Gesprächen, die einerseits aufklären und andererseits die wertschätzende Haltung der Caritas gegenüber älteren Mitarbeitern vermitteln sollen.

Auch im firmeneigenen Intranet beschreibt die Caritas, welche Möglichkeiten Mitarbeiter in den verschiedenen Phasen ihres Lebens bei der Caritas haben. Doch die persönliche Kommunikation mit den einzelnen Beschäftigten ist wichtig, weil jeder andere Bedürfnisse hat. 

 

Neue Aufgaben und Arbeitszeiten

So können die Mitarbeiter in Absprache mit der zuständigen Leitung andere Aufgaben übernehmen, wenn sie die bisherigen nicht mehr ausführen können. Weiters setzt die Caritas erfahrene Kräfte im Mentoringprogramm für neue Mitarbeiter ein. Darin unterstützen erfahrene Mitarbeiter neue Beschäftigte in den ersten Monaten im Arbeitsalltag und stehen hier als Ansprechpartner zur Verfügung.

In Absprache mit der jeweiligen Leitung haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten zu reduzieren. Auf positive Resonanz stößt beispielsweise die Möglichkeit der Altersteilzeit.

Dabei ist eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 40 bis 60 Prozent möglich. Andererseits können Mitarbeiter auch nach Erreichen des Pensionsalters weiter arbeiten.

Dass auch auf der Top-Führungsebene eine Reduktion der Arbeitszeiten samt Aufgabenwechsel gelingen kann, zeigt Peter Klinger, seines Zeichens Direktor der Caritas Vorarlberg in den Jahren 1990 bis 2015. Ihm war es in seiner Zeit als Direktor ein großes Anliegen, für alle Mitarbeiter gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit sie möglichst lange in der Organisation arbeiten können. Für ihn selbst war eine 80-Stunden-Woche über viele Jahre normal. Denn Klinger bewegte viel. Unter seiner Leitung wuchs die Zahl der Mitarbeiter von 55 auf 560 an. Über seine Rolle in dieser Zeit sagt er: „Caritasdirektor ist man sieben Tage die Woche und das fast rund um die Uhr.“

Der 60. Geburtstag und das 25-jährige Jubiläum als Caritasdirektor waren für ihn im vergangenen Jahr Anlässe, seine Zukunft in der Caritas Vorarlberg zu überdenken. „Vorbild waren für mich Modelle, wie sie etwa von größeren Unternehmen in Liechtenstein umgesetzt werden – wo Arbeit bis 65 normal ist: Top-Führungskräfte treten freiwillig in die zweite Reihe zurück. Somit werden sie etwas entlastet, gleichzeitig bleibt das Know-how der Firma erhalten.“ So übernahm Klinger eine vakante Leitung im Fachbereich „Menschen mit Beeinträchtigung“ mit 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zudem betreut er diverse Sonderprojekte für die Caritas Vorarlberg. Damit der Schritt in die zweite Reihe gelinge, benötige es viel gelebte Eigenreflexion, so Klinger. Die Reaktionen von außen seien aber durchwegs positiv. „Ich habe zahlreiche Mails bekommen, die mich zu meinem Schritt beglückwünschten und ermunterten“, erzählt der vormalige Caritas-Direktor.

Wie lange noch?

„Wie lange musst du noch?“, lautet eine oft an ältere Mitarbeiter gerichtete Frage. Eine ganz andere Einstellung lebt die Caritas Vorarlberg: Ihr geht es vielmehr darum, herauszufinden, was die Mitarbeiter noch tun wollen, bis sie ihr Pensionsalter erreicht haben.

Irgendwann geht es natürlich auch um das „Wie“ der Verabschiedung: Hier sind eine gute Begleitung durch die Leitung, eine rechtzeitige Nachbesetzung und Einschulung des neuen Mitarbeiters und eine feierliche Verabschiedung wichtig. Die Caritas Vorarlberg organisiert jährlich ein Treffen der Pensionistinnen und Pensionisten, diese werden auch zur Adventfeier eingeladen.

Und schließlich erfahren wir immer wieder, dass sich Mitarbeiter nach ihrem Pensionsantritt ehrenamtlich in der Caritas engagieren – die wohl schönste Bestätigung, dass sie mit ihrer Arbeitgeberin verbunden sind.

//Daten & Fakten//

Anzahl Stamm-MitarbeiterInnen in der Caritas Vorarlberg: 563 

Davon TeilzeitmitarbeiterInnen: 376

Mitarbeiterinnen ab 55: 47

Mitarbeiter ab 55: 26

 

Auszeichnungen: 

Familienfreundlichster Betrieb Vorarlberg und Österreich, ausgezeichnet zuletzt für 2016/2017

Great Place to Work 2014


———————————————————-

Quelle: personal manager – Zeitschrift für Human Resources | Ausgabe 4  Juli/ August 2016.