Partnerschaftlich, emotional, dem Kind zugewandt und offen für Erziehungszeiten – so sollen die neuen Väter sein. Die Frankfurter Soziologen Andrea Bambey und Hans-Walter Gumbinger veröffentlichten Ende 2006 eine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass rund 28 Prozent der Väter dem neuen Leitbild entsprechen. Damit haben heute viel mehr Väter eine enge Beziehung zu ihren Kindern als früher.

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Foto von Thomas Martinsen

Bei einem Großteil der Männer bleibt es jedoch bei der Wunschvorstellung, sich als emanzipierter Vater zu zeigen. Diesen Typus nennen Bambey und Gumbinger den „fassadenhaften Vater“, dem der Befragung zufolge 25 Prozent der Väter entsprechen. Diese Männer folgen – entgegen dem eigenen Selbstverständnis von einer aktiven Vaterrolle – in der Praxis einem traditionellen Rollenmodell. Trotzdem: Die Studie gibt Hoffnung, dass der „Mann als Ernährer der Familie“ ein Auslaufmodell ist. Die Entwicklung läuft in die andere Richtung: Das gesellschaftliche Leitbild der neuen Väter gehe einem tatsächlichen Rollenwandel voraus – so die Prognose der Frankfurter Soziologen.

Boom der Vater-Kind-Angebote

So umstritten der Rollenwandel ist, so rapide nehmen die Angebote für die neuen Väter zu. Sie haben die Qual der Wahl, wie sie ihren neuen Aufgaben am besten gerecht werden: Vom Geburtsvorbereitungskurs über den Baby-Schwimmkurs bis hin zum Vater-Kind-Wochendende reicht die Angebotspalette der Aktivitäten. Zahlreiche Selbsthilfevereine, wie Väter e.V. in Hamburg, beraten Männer dabei, wie sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können, was in Trennungssituationen hilft oder welche Vater-Kind-Angebote vor Ort zu finden sind.

„Das Thema ist en vogue“, sagt auch Heiko Sulimma. Der Organisationsberater wurde vor sechs Jahren Vater und stellte fest: Es fehlte an Beratungsangeboten für Väter und für Unternehmen, die Väter unterstützen möchten. Gemeinsam mit Volker Baisch von Väter e.V. gründete er die Unternehmensberatung „dads“. Als Vater, der einen Kinderwagen schiebe, komme man inzwischen schon ganz modern herüber, ist Sulimma überzeugt, doch eine Auszeit aus dem Beruf sei für Väter noch keinesfalls selbstverständlich. „Auf viele Vorgesetzte wirkt es immer noch eher irritierend, wenn ein Mann mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen möchte“, weiß auch Eberhard Schäfer vom Väter-Experten-Netz-Deutschland (VEND). Auch der VEND hat es sich zum Ziel gesetzt, Vaterschaft zu fördern – vor allem in Bezug auf Beruf und Familie. Das ist noch immer eine schwierige Aufgabe, denn der Argwohn gegenüber Vätern, für die die Karriere nicht immer an erster Stelle kommt, ist groß: Wenn ein Vater eine Pause im Beruf einlegen möchte, werde ihm häufig unterstellt, dass er mit seinem Beruf nicht zufrieden sei oder er seine Aufgaben nicht bewältigen könne.

Neben seinem Engagement beim VEND ist Schäfer auch der Kopf hinter dem Berliner Papa-Institut. In dieser Funktion ist Schäfer ein Vernetzer, der versucht, verschiedene Parteien von Unternehmen über Organisationen für Familienförderung bis hin zu Gesundheitseinrichtungen zusammen zu bringen. Deshalb weiß er auch, was Unternehmen davon haben, Väter in einem größeren Maße freizustellen: Männer, die ihre Kinder erziehen könnten, wären beruflich zufriedener und dem Unternehmen gegenüber loyaler. Darüber hinaus erlangen Männer in ihrer Rolle als Vater viele Kompetenzen, die in Weiterbildungen nur schwer zu vermitteln sind – Konfliktfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit oder Einfühlungsvermögen.

Vaterfreundlichkeit in Unternehmen

Unter den familienfreundlichen Unternehmen in Deutschland sind beispielsweise diejenigen, die sich dem „audit berufundfamilie“ stellen. Genau betrachtet heißt das jedoch nicht, dass diese Firmen auch die Belange von Vätern berücksichtigen. Frauen stehen nach wie vor im Fokus, wenn es um Familienfreundlichkeit geht. Unternehmen wie Airbus Deutschland sind eher die Ausnahme als die Regel. Der Flugzeughersteller nimmt seit drei Jahren am „audit berufundfamilie“ teil und musste sich deshalb kürzlich einer Re-Auditierung stellen, bei der selbst erarbeitete Ziele überprüft werden. Da Airbus vor allem Männer beschäftigt, lag es auf der Hand, sich mit den Wünschen der Väter auseinanderzusetzen. Deshalb beauftragt das Unternehmen den Verein Väter e.V. mit der Durchführung von Geburtsvorbereitungskursen für Väter und Vater-Kind-Wochenenden. Eine Erkenntnis machen in diesem Zusammenhang viele Unternehmen: „Die Väter nehmen spezielle Angebote der Unternehmen gerne an und wissen das zu schätzen“, so Schäfer.

Ein Blick über die Grenze zu unseren dänischen Nachbarn hält Beispiele bereit, die einige Schritte weiter gehen. In Dänemark erhalten Väter in der Elternzeit 80 Prozent des bisherigen Einkommens – in Deutschland sind es 66 Prozent. Trotz der hohen Zahlungen des Staates bezahlt die Telefongesellschaft TDC die Differenz von 20 Prozent selbst an die Väter aus. Das ist eine Maßnahme, die die größte Telefongesellschaft Dänemarks immer wieder positiv in die Schlagzeilen bringt. In Deutschland gibt es derart kreative und weitreichende Einfälle noch nicht. Beim Campingausrüster Vaude gibt es eine Kita, die die Väter ganz aktiv in die Elternarbeit einbezieht. Andere Firme wie der Arznei- und Kosmetikhersteller Weleda haben sich werteorientierte Leitlinien gesetzt. Wer seine Mitarbeiter als interne Kunden betrachtet und langfristig mit ihnen plant, wird sich automatisch Gedanken um Väter wie Mütter machen. Doch auch Personalverantwortlichen anderer Unternehmen scheint langsam bewusst zu werden, dass Familienfreundlichkeit kein „Kuschelthema“ ist. Langfristig sind Unternehmen, die sich für die Vereinbarung von Beruf und Familie einsetzen erfolgreicher als solche, die das Thema links liegen lassen.

Viele Firmen glauben, dass es bei Vaterfreundlichkeit nur um eine mögliche Elternzeit der Väter geht. Doch weit gefehlt. Heiko Sulimma von „dads“ kann zahlreiche Maßnahmen nennen, die Teil ihres Programms „aktive Elternzeit“ sind. „dads“ überprüft die Betreuungszeiten des Betriebskindergartens im Bezug auf die Arbeitszeiten der Väter, fördert die Qualität der Vater-Kind-Beziehung mit Abenteurerwochenenden, bietet Geburtsvorbereitungskurse oder Kurse für Work-Life-Balance mit einer auf Männer zugeschnittenen Methodik an. Vieles sei auch einfach Psychologie, gesteht Sulimma. Das geht bis in die Wortwahl: „Wenn wir von Teilzeit reden, dann ist das für einen Mann ein rotes Tuch, weil der Begriff seit vielen Jahren von Frauen besetzt ist.“ Sulimmas Gegenvorschlag: „Vollzeit light“.

Zwischen Eigenverantwortung und Hilfe von außen

Der Griff in die psychologische Trickkiste hilft Männern, die Spaß dabei haben, sich mehr mit Familie zu beschäftigen. Dieses Modell allen Männern überstülpen zu wollen, ist zumindest problematisch. Derzeit gießt EU-Sozialkommisar Vladimir Spidla Öl ins Feuer der Diskussion um eine verpflichtende Babypause für Männer. Er ist im Gespräch mit Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Anlass sind aktuelle Untersuchungen, die zeigen: Frauen verdienen immer noch rund 22 Prozent weniger als Männer – weil sie in Frauenberufen arbeiten oder die Babypause zum Karriereknick wird. Daran möchte der zweifache Vater, der sich zwei Jahre lang nahezu allein um seine Kinder gekümmert hat, etwas ändern. Ob eine Zwangspause für Väter der richtige Weg ist, bezweifeln jedoch viele.

Sollten die Familien ihre Work-Life-Balance nicht eher selbst in die Hand nehmen? So wie manche Frauen die traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter gerne ausfüllen, bleiben viele Männer lieber im Beruf und verbringen am Abend oder am Wochenende die Zeit mit ihren Kindern. „Wenn Familien mit dem zufrieden sind, was sie haben, sollten wir uns nicht einmischen“, meint Sulimma. So aufgeheizt die Debatte um den verpflichtenden Elterndienst der Männer ist, so wahrscheinlich ist es auch, dass die Babypause für Väter am Ende doch nicht ganz so streng geregelt wird. Mit einem Vaterschaftsurlaub von bis zu drei Wochen wären sicherlich alle Beteiligten glücklich. „Das stärkt die Vater-Kind-Bindung von Anfang an“, betont Schäfer mit einem Verweis auf Forschungsergebnisse.

Die Politik hat mit dem Elterngeld einen wichtigen Schritt getan, um die Väter zu unterstützen. Auch wenn nur sieben Prozent der Eltern, die in Elternzeit gehen, Väter sind: Die Zahlen haben sich im Laufe eines halben Jahres verdoppelt. Nun ist es an den Vätern und den Unternehmen das ihre zu tun. Solange Männer ihre Wünsche nicht selbst formulieren, ist mit einer Änderung der Situation – auch für Frauen – wohl nicht zu rechnen. Das Personalmanagement kann Männer auf dem Weg zum „neuen Vater“ entscheidend voranbringen: Wenn Personalverantwortliche das Thema für sich erkennen, besteht eine Chance, dass Männer sich aktiver einbringen und ihre Wünsche offen aussprechen. Und das ist auch zum Vorteil der Unternehmen.

Web-Tipps:

www.vaeter.de

www.vaeter-experten-netz-deutschland.de

www.dads-online.de

www.papa-institut.de